Viele Krebstherapien können die kardiovaskuläre Funktion beeinträchtigen

DGIM 2024 Friederike Klein

Das kardiovaskuläre Risiko sollte bei Krebspatienten immer mit bedacht werden. Das kardiovaskuläre Risiko sollte bei Krebspatienten immer mit bedacht werden. © Michael – stock.adobe.com

Die kardiovaskuläre Funktion sollte vor, während und nach der Therapie von Krebserkrankungen kontrolliert werden. Am einfachsten ist es, NT-proBNP und Troponin in Laborkontrollen mitlaufen zu lassen, um den Verlauf niederschwellig zu kontrollieren.

Bei gar nicht wenigen Krebsentitäten ist das kardiovaskuläre Mortalitätsrisiko im Langzeitverlauf höher als das Risiko, an Krebs zu versterben, berichtete Prof. Dr. Jutta Bergler-Klein von der kardiologischen Universitätsklinik in Wien.1 Ursachen dafür sind kardiale Risikofaktoren und Erkrankungen der Patienten ebenso wie die Krebstherapien mit ihren akuten oder Spätfolgen. Es kann unter oder nach einer Krebstherapie nicht nur eine Herzinsuffizienz auftreten oder sich verschlechtern. Auch mit Arrhythmien und Vorhofflimmern, Myokarditis, Bluthochdruck, Ischämien oder Schlaganfällen ist zu rechnen. Deshalb hat das Cardio-Oncology Council der europäischen Kardiologischen Gesellschaft Empfehlungen für das Abschätzen des kardiovaskulären Risikos vor Therapiebeginn herausgegeben und Monitoring-Protokolle für verschiedene Krebstherapien entwickelt.

Viele Patienten mit einer Krebserkrankung bringen bereits ein kardiovaskuläres Risiko oder eine kardiovaskuläre Erkrankung mit. 

Daher sollte vor Therapie eine Basisuntersuchung mit Anamnese, körperlicher Untersuchung, Labor und EKG erfolgen. In die Risikoabschätzung fließen kardiale und onkologische Erkrankungen in der Vorgeschichte, Blutdruck, HbA1c, Cholesterinprofil, Nierenfunktion, BNP oder NT-proBNP und kardiales Troponin (cTn) mit ein, bei erhöhtem Risiko für Kardiotoxizität auch die transthorakale Echokardiografie. Die Wiener Kardiologin empfahl die Bestimmung von BNP/NT-proBNP und cTn nicht nur in der Basisuntersuchung vor der Krebstherapie, sondern auch beim Monitoring unter der Behandlung und im Langzeitverlauf. Auch ein EKG sollte immer wieder durchgeführt werden. 

Ein hohes kardiales Risiko oder eine vorbestehende Herzerkrankung schließen eine onkologische Therapie nicht aus, betonte Prof. Bergler-Klein. Ziel der kardioonkologischen Basisuntersuchung ist vielmehr, die Krebstherapie möglichst sicher durchführen zu können. Dazu ist es wichtig, die Patienten über einen gesunden Lebensstil aufzuklären und die Therapie bestehender kardiovaskulärer Risikofaktoren und Erkrankungen zu optimieren. 

Die bekannteste Substanzgruppe mit kardiovaskulären Nebenwirkungen sind die Anthrazykline, die vor allem linksventrikuläre Dysfunktion (LVD) und Herzinsuffizienz zur Folge haben können. Die kardiovaskulären Ereignisraten sind dosisabhängig. Bei kindlichen Krebserkrankungen werden Ereignisraten von bis zu 65 % berichtet, wenn 250 mg/m² Doxorubicin und mehr mit einer Strahlentherapie kombiniert werden. 

Auch HER2-gerichtete Therapien können zu LVD und Herzinsuffizienz führen und außerdem den Bluthochdruck erhöhen. Die Inzidenz von asymptomatischen und symptomatischen LVD bezifferte Prof. Bergler-Klein auf 15–20 %. Vom gleichzeitigen Einsatz mit Anthrazyklinen wird abgeraten. Weisen Patienten bereits vor Therapiebeginn kardiovaskuläre Risikofaktoren oder Erkrankungen auf, sollten die Kontrollen (BNP, cTn, Echokardiografie) häufiger, beispielsweise nach jedem zweiten bis dritten Zyklus, erfolgen.

Häufige kardiovaskuläre Nebenwirkungen der Inhibitoren des vaskulären endothelialen Wachstumsfaktors (VEGF) sind Bluthochdruck, LVD, Herzinsuffizienz, QT-Zeit-Verlängerung und arterielle Thrombosen inklusive Herzinfarkte. Die ESC empfiehlt, die Patienten zur Blutdruckselbstmessung anzuhalten und alle drei Monate Echokardiografie und Biomarkerbestimmungen durchzuführen.

Auch Tyrosinkinaseinhibitoren (TKI) von BCR-ABL, ALK, EGFR, BTK, BRAF und MEK haben verschiedene kardiovaskuläre Risiken. Meist wird neben Labor und EKG auch eine regelmäßige Echokardiografie im Rahmen des Monitorings empfohlen. 

Von Proteasominhibitoren und immunmodulierenden Therapeutika beim Multiplen Myelom sind als wichtigste kardiovaskuläre Komplikationen LVD und Herzinsuffizienz, Ischämie und Myokardinfarkt, Vorhof- und Kammerflimmern und venöse und arterielle Thrombosen bekannt. Kardiovaskuläre Komplikationen einer Therapie mit Immuncheckpoint-Inhibitoren sind unter anderem Myokarditis, nicht-entzündliche Herzinsuffizienz, ventrikuläre Arrhythmien, atrio-ventrikulärer Block, plötzlicher Herztod und akute Koronarsymptome.

Für das Langzeitmonitoring bei asymptomatischen Überlebenden einer Krebserkrankung wird empfohlen, regelmäßig den Blutdruck zu kontrollieren und BNP und Lipide abzunehmen. Bei moderatem kardiovaskulärem Risiko sollte alle fünf Jahre ein EKG durchgeführt werden. Nach einer Strahlentherapie mit mehr als 15 Gy wird außerdem nichtinvasiv alle fünf bis zehn Jahre ein Screening auf Koronarerkrankungen empfohlen, bei Bestrahlung von Kopf und Hals alle fünf Jahre eine Ultraschalluntersuchung der Karotiden. Nach Bestrahlung von Abdomen und Becken sollte bei einer Verschlechterung der Nierenfunktion oder einer Hypertonie eine Ultraschallkontrolle der Nierenarterien erfolgen. Besonders hoch ist das kardiovaskuläre Langzeitrisiko nach Therapie von Lymphomen, Brustkrebs und Hodenkrebs.

Quelle: Kongressbericht
1. Sturgeon KM et al. Eur Heart J 2019; 40: 3889-3897; DOI: 10.1093/eurheartj/ehz766 
2. Lyon AR et al. Eur Heart J 2022; 43: 4229-4361; DOI: 10.1093/eurheartj/ehac244

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


Das kardiovaskuläre Risiko sollte bei Krebspatienten immer mit bedacht werden. Das kardiovaskuläre Risiko sollte bei Krebspatienten immer mit bedacht werden. © Michael – stock.adobe.com