Von frühzeitiger Planung und gutem Management profitieren Mutter und Kind

Alexandra Simbrich

Die Einnahme von Anfallssuppressiva erhöht generell das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen. Einige Wirkstoffe dürfen jedoch als relativ sicher gelten. Die Einnahme von Anfallssuppressiva erhöht generell das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen. Einige Wirkstoffe dürfen jedoch als relativ sicher gelten. © 理絵 ジュト – stock.adobe.com

Die Epilepsietherapie bei Schwangeren und Stillenden birgt einige Herausforderungen. Insbesondere zu Antiepileptika der dritten Generation ist die Datenlage noch überschaubar. Dennoch lässt sich das gesundheitliche Risiko für Mutter und Kind minimieren.

Frauen im gebärfähigen Alter stellen in den USA rund ein Sechstel aller Epilepsiepatienten. Zur Sicherheit von anfallssupprimierenden Medikamenten (ASM) in Schwangerschaft und Stillzeit fehlt es aber an großen, randomisiert kontrollierten Studien, kritisieren zwei Neurologinnen. Hinweise zur Sicherheit mancher Wirkstoffe lieferten Studien anhand von Schwangerschaftsregistern, Fall-Kontroll-Studien sowie einige große prospektive Kohortenstudien, schreiben Prof. Dr. ­Omotola ­Hope vom Houston Methodist Sugar Land Hospital und Prof. Dr. ­Katherine Harris von der McGovern Medical School der University of Texas.

Epilepsie und die Einnahme von ASM erhöhen demnach generell das Risiko für Komplikationen. Frühgeburten treten bei epilepsiekranken Müttern häufiger auf, ebenso Störungen der fetalen Entwicklung. Eine höhere Kaiserschnittrate, die sich in frühen Studien andeutete, ließ sich dagegen in neueren Analysen nicht bestätigen.

Die verfügbaren anfallssupprimierenden Wirkstoffe sind unterschiedlich teratogen. Besonders negativ sticht in verschiedenen Untersuchungen Valproat hervor. Unter der Monotherapie mit dem ASM der ersten Generation beträgt die Prävalenz schwerer angeborener Fehlbildungen rund 10 %. Am häufigsten sind Herzfehler, Hypospadie und Neuralrohrdefekte. Im Vergleich zu Kindern von unbehandelten Epileptikerinnen ist das Risiko für Geburtsdefekte mindestens verdreifacht. Der Effekt scheint dosisabhängig zu sein: Er tritt bei Dosierungen um 1.500 mg/d häufiger auf als bei Tagesdosen von < 800 mg, so die Autorinnen.

Topiramat erhöht Risiko für Mikrozephalie und Autismus

Als ebenfalls teratogen, wenn auch in etwas geringerem Ausmaß, haben sich Prof. Hope und ihrer Kollegin zufolge Phenobarbital und Topiramat erwiesen. In einer norwegischen Studie von 2014 war Topiramat, ein ASM der zweiten Generation, mit einem erhöhten Risiko für eine Mikro­zephalie (Odds Ratio, OR, 4,8) und einem geringen Geburtsgewicht bezogen auf das Reifealter (OR 3,1) verbunden. Einer anderen Studie zufolge besteht unter Topiramat sowie unter Val­proat ein größeres Risiko für eine Autismus-Spektrum-Störung (4,3 % bzw. 2,7 % gegenüber 1,5 % bei nicht-exponierten Kindern) oder eine geistige Behinderung (3,1 % bzw. 2,4 % vs. 0,8 %). Frühzeitiges Planen, Folsäuresupplementierung und bestimmte Monitoringmaßnahmen können die Risiken verringern (s. Kasten).

Das Thema Familienplanung bei Patientinnen mit Epilepsie
Erstgespräch
  • über Empfängnisverhütung und mögliche Wechselwirkungen zwischen oraler Empfängnisverhütung und ASM aufklären
  • teratogene Risiken und Vorteile von ASM während einer Schwangerschaft besprechen
  • bei Kinderwunsch Absetzen von Valproat erwägen
ca. ein Jahr vor der aktiven Familienplanung
  • Häufigkeit von Status epileptici und krampfartigen Anfällen beurteilen
  • Medikation optimieren (Valproat absetzen, Polypharmazie möglichst minimieren)
  • ASM-Basis-Serumspiegel bestimmen
  • Beginn einer Folsäure-Supplementierung erwägen
vor einer geplanten Schwangerschaft
  • ASM-Serumspiegel überprüfen
  • Folsäure-Supplementierung beginnen
zu Beginn der Schwangerschaft
  • spätestens jetzt Valproat absetzen und durch Levetiracetam oder Lamotrigin ersetzen
  • ASM-Serumspiegel überprüfen und bei Bedarf Dosierung anpassen (Ziel: verbesserte Anfallskontrolle)
zum Ende der Schwangerschaft
  • Planung der Entbindung und Besprechen der Stillzeit
nach der Entbindung
  • eine evtl. in der Schwangerschaft erhöhte Lamotrigin-Dosis rasch (innerhalb von 72 Stunden bis 10 Tagen) wieder auf die präkonzeptionelle Dosierung reduzieren
  • über Schlafentzug und Stress als mögliche Anfallstrigger aufklären
  • bei stillenden Müttern sorgfältig auf Zeichen einer Sedierung beim Säugling achten

Lamotrigin und Levetiracetam, ebenfalls ASM der zweiten Generation, dürfen den Kolleginnen zufolge als „relativ sicher“ gelten. Für Substanzen der dritten Generation sei die Datenlage noch zu limitiert, um robuste Aussagen treffen zu können.

Der Serumspiegel einiger ASM (z.B. Lamotrigin, Levetiracetam, Zonisamid) kann während der Schwangerschaft abnehmen, was mitunter einen Anstieg der Anfallshäufigkeit provoziert. Ihr Spiegel sollte daher routinemäßig überwacht werden.

In der Vergangenheit gab es Bedenken in Bezug auf das Stillen durch Mütter mit Epilepsie, da zu wenig über die Risiken einer ASM-Exposition über die Muttermilch bekannt war. Mittler­weile sei jedoch Stand der Forschung, auch Epilepsiepatientinnen zum Stillen zu ermutigen, schreiben die Autorinnen. 

Viele Wirkstoffe erlauben den Patientinnen das Stillen

Als sicher gelte in dieser Hinsicht eine Monotherapie mit Carbamazepin, Lamotrigin, Levetiracetam, Oxcarbazepin, Topiramat, Valproat, Zonisamid und Phenytoin. Nimmt die stillende Mutter dagegen Phenobarbital, Primidon, Clobazam oder Clonazepam ein, ist eine engmaschige Überwachung des Säuglings angeraten.

Neuromodulatorische Verfahren wie Vagusnerv-, responsive und tiefe Hirnstimulation kommen derzeit vor allem bei therapierefraktärer Epilepsie zum Einsatz. Sie scheinen den bislang eher begrenzten Daten nach sicher zu sein, schreiben die Autorinnen. Von künftigen Auswertungen von Schwangerschaftsregistern erhoffen sie sich eine bessere Evidenz. Sollte sich der bisherige Eindruck bestätigen, könnten diese Verfahren künftig zur Einsparung von ASM in der Schwangerschaft häufiger Anwendung finden.

Quelle: Hope OA, Harris KMJ. BMJ 2023; 382: e074630; DOI: 10.1136/bmj-2022-074630

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Die Einnahme von Anfallssuppressiva erhöht generell das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen. Einige Wirkstoffe dürfen jedoch als relativ sicher gelten. Die Einnahme von Anfallssuppressiva erhöht generell das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen. Einige Wirkstoffe dürfen jedoch als relativ sicher gelten. © 理絵 ジュト – stock.adobe.com