Warum juckt die „gesunde“ Haut?

© fotolia/miamariam

Ihr Patient klagt über Juckreiz, doch eine primäre Hautveränderung, die den Pruritus erklären würde, können Sie nicht feststellen. Was steckt dahinter? Aus bestimmten Indizien können Sie wichtige Schlüsse ziehen.

Wenn die Haut ohne erkennbaren Grund juckt, ist oft von „Pruritus sine materia“ die Rede. Doch dieser Begriff sollte nicht mehr verwendet werden, schreiben Privatdozentin Dr. Sonja Ständer von der Universitätsklinik Münster und ihre Mitarbeiter im „Journal der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft“. Bei gepflegter Skabies z.B. kann die Haut durchaus unauffällig imponieren, obwohl sehr wohl eine „Materie“ da ist. Korrekt heißt es heute: „Pruritus auf primär nichtentzündlicher Haut“.

Eisenmangel juckt oft am Anus

Viele systemische Erkrankungen gehen mit Pruritus einher, der sich auf zunächst unauffälliger Haut manifestiert. Manchmal kann man auf Grund klinischer oder anamnestischer Kriterien den Juckreiz näher eingrenzen. Hierzu nannte Dr. Ständer einige Beispiele:

So findet sich bei Eisenmangel nicht nur ein generalisierter, sondern oft auch lokalisierter Pruritus, vielfach anogenital. Und dies häufig auch schon, wenn sich die Anämie noch nicht manifestiert hat.

Von den Patienten mit chronischer Cholestase juckt es jeden vierten – meist generalisiert mit Betonung von Händen und Füßen oder unter enger Kleidung. Da Kratzen bei dieser Juckreizform wenig nutzt, sind die Kratzläsionen nicht sehr stark ausgeprägt.

Fast jeder Patient mit primär biliärer Zirrhose (80 bis 100 %) plagt sich mit Pruritus, der in jedem zweiten Fall das Erstsymptom der Erkrankung darstellt. Später kommt als typisches Symptom Abgeschlagenheit hinzu.

Generalisiert auf überwärmter, glatter Haut kommt der Juckreiz bei Hyperthyreose daher, häufig finden sich sekundäre Kratzläsionen.

Kratzdrang Jahre vor dem Hodgkin

 

Präsentiert sich das Kratzbedürfnis sehr stark und therapierefraktär, müssen Sie an hämatologische Erkrankungen denken, vor allem an Polycythaemia vera und Morbus Hodgkin. Bei der Polycythaemia vera ist das Symptom typischerweise stechend und durch Wasser provozierbar (aquagen). Beim Morbus Hodgkin kann der Pruritus der Manifestation um Jahre vorausgehen und gilt zum Teil als prognostischer Faktor. Zudem kann er Hinweise auf die Lokalisation geben, da es den Patienten eventuell lokalisiert im Einstromgebiet der befallenen Lymphknoten juckt oder aber generalisiert bei mediastinaler Lokalisation.

Pruritus im Anogenitalbereich kann Krebserkrankungen im Unterleib (Zervix-, Prostata- oder Dickdarmkarzinom) begleiten. Nasaler oder zirkulärer abdominaler Juckreiz weist unter Umständen auf Tumoren in Hirn oder Rückenmark hin.

 

Infekt, Zirrhose oder Krebs? Pruritus als Symptom von Systemerkrankungen
KategorieDiagnose (Beispiele)
Dermatologische Erkrankungen ("unsichtbare Dermatosen")Porphyrien, polymorphe Lichtdermatose, Vorstadien der Urtikaria (solar, cholinerg, adrenerg)
Endokrine und metabolische ErkrankungenChronische Niereninsuffizienz, diverse Lebererkrankungen, Schilddrüsenstörung, Diabetes, Gluten-Enteropathie
InfekteHIV, Würmer, Parasiten, Helicobacter pylori
Hämatologische ErkrankungenEisenmangel, Polycythaemia vera, Hämochromatose, Malignome (M. Hodgkin, Non-Hodgkin-Lymphome, Plasmozytom)
Solide MalignomeZervix-, Prostata-, Kolonkarzinom
Neurologische und psychogene ErkrankungenPostzoster-Neuralgie, Vulvodynie, Multiple Sklerose, Tumoren/Abszesse/Infarkte des ZNS, Angst, Stress, psychiatrische Erkrankungen
SchwangerschaftPruritus gravidarum (evtl. mit Cholestase)

 

 

Falls Sie diesen Medizin Cartoon gerne für Ihr nicht-kommerzielles Projekt oder Ihre Arzt-Homepage nutzen möchten, ist dies möglich: Bitte nennen Sie hierzu jeweils als Copyright den Namen des jeweiligen Cartoonisten, sowie die „MedTriX GmbH“ als Quelle und verlinken Sie zu unserer Seite https://www.medical-tribune.de oder direkt zum Cartoon auf dieser Seite. Bei weiteren Fragen, melden Sie sich gerne bei uns (Kontakt).


© fotolia/miamariam