Was bei dünner werdendem Haar helfen kann

Dr. Andrea Wülker

Aufgrund der Adrogenaktivität einiger Gestagene sollten PCOS-Patientinnen mit Kontrazeptiva der dritten oder vierten Generation behandelt werden. Aufgrund der Adrogenaktivität einiger Gestagene sollten PCOS-Patientinnen mit Kontrazeptiva der dritten oder vierten Generation behandelt werden. © Kiattisak – stock.adobe.com

Viele Frauen mit polyzystischem Ovarsyndrom haben dermatologische Probleme. Insbesondere ein Haarausfall am Oberkopf kann die Patientinnen psychisch stark belasten. Lässt sich der Haarverlust bei diesen Patientinnen medikamentös aufhalten?

Charakterisiert ist das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) vor allem durch Hyperandrogenismus, ovulatorische Funktionsstörungen und polyzystische Ovarien. Doch die Störung kann sich initial auch mit Akne und Hirsutismus manifestieren und eine dermatologische Behandlung erfordern, schreiben Elizabeth Klein von der New York University Grossmen School of Medicine, New York, und Kollegen. 

Haarausfall an Schläfen, Haaransatz und Oberkopf (female pattern hair loss, FPHL) ist ein weiteres Problem, das mehr als jede vierte PCOS-Patientin betrifft und stark beeinträchtigt. Die Behandlung von diesen Frauen erfordert allerdings Expertise. Denn manche der Medikamente, die normalerweise bei Alopezie eingesetzt werden und die als wirksam und sicher gelten, können PCOS-spezifische Symptome wie Hirsutismus oder Zyklusunregelmäßigkeiten verschlimmern und zu einer Insulinresistenz führen. Da es sich zudem häufig um junge Frauen handelt, sollten Dermatologen auf das teratogene Potenzial vieler der verordneten Medikamente achten. Und die Patientinnen entsprechend über mögliche Folgen aufklären.

Hormonelle Kontrazeptiva sind eine wichtige Säule in der endokrinologischen Therapie des PCOS. Sie können auch zur Therapie der dermatologischen Störungen verordnet werden – aber es kommt auf die Wahl des Präparats an. Die in vielen hormonellen Kontrazeptiva enthaltenen Gestagene weisen eine unterschiedlich ausgeprägte Androgenaktivität auf. Die Autoren raten dazu, ein kombiniertes orales Kontrazeptivum (KOK) der dritten oder vierten Generation zu verordnen (siehe Kasten). Sie helfen bei vielen PCOS-Betroffenen auch gegen unerwünschten Haarwuchs (Hirsutismus) – insbesondere, wenn sie mit weiteren antiandrogenen Therapeutika kombiniert werden.

Warum Generation drei und vier?

Pillen der dritten Generation enthalten Desogestrel oder Gestoden. Pillen der vierten Generation beinhalten Cyproteronacetat, Chlormadinonacetat oder Drospirenon, ein Antiandrogenderivat von 17a-Spironolacton. Beide Generationen haben eine geringere Androgenaktivität als Präparate der ersten beiden Generationen. Letztere sollten bei PCOS-Patientinnen mit Alopezie vermieden werden, da die höhere Androgenaktivität sowohl den FPHL als auch den Hirsutismus verschlimmern kann. Außerdem besteht bei den ersten beiden Generationen ein höheres Risiko, dass sich eine Insulinresistenz verschlimmert oder sich die Lipidwerte verschlechtern.

Wichtig ist, die Patientinnen darauf vorzubereiten, dass sowohl die Einführung einer oralen Kombi-Pille als auch deren Absetzen zu einem telogenen Effluvium führen kann. Dieses ist aber meistens selbstlimitierend, über einen Zeitraum von 3–6 Monaten. Nehmen Frauen ein Viertgenerationen-Präparat mit Drospirenon oder auch Spironolacton, sollten sie außerdem auf die Kaliumzufuhr über die Nahrung achten z.B. über Avocado, Banane etc..

Zu den bei FPHL eingesetzten Androgenantagonisten zählen Spironolacton, Bicalutamid und Flutamid. Der Mineralkortikoidantagonist Spironolacton ist ein kaliumsparendes Diuretikum. Eingesetzt wird eine Dosierung von 100–200 mg/d, oft kombiniert mit topischem Minoxidil (aber auch als Monotherapie wirksam). Zwar gehört es bei FPHL nicht zu den First-Line-Medikamenten, doch wird es PCOS-Patientinnen häufig verordnet, da es gut verträglich und kostengünstig ist. Allerdings kann es den Zyklus stören und wirkt wie die anderen Androgenantagonisten teratogen.

Der selektive Androgenrezeptor­antagonist Bicalutamid kommt bei PCOS-bedingter Alopezie in niedrigerer Dosierung (25–50 mg/d) als in der Onkologie zum Einsatz. Aufgrund des Nebenwirkungsprofils sollte er aber erst gegeben werden, wenn Pille, Minoxidil und Spironolacton versagt haben. Flutamid, ein nichtsteroidaler Androgenrezeptorantagonist – ebenfalls aus der Onkologie – wird bisher nur off label zur Behandlung eingesetzt. Er hat zudem ein schlechteres Nebenwirkungsprofil als die anderen beiden Androgenrezeptorantagonisten.

Die Haare wachsen wieder – auch an ungewollten Stellen

In der allegmeinen Alopezietherapie hat sich topisches Minoxidil, meist in Form von 5%igen Präparaten, fest etabliert. Allerdings ist die Substanz nicht für alle PCOS-Patientinnen geeignet, warnen die Experten. 4 % der Frauen reagieren auf die Therapie mit einer Gesichtshypertrichose, die gepaart mit einem möglicherweise vorbestehenden Hirsutismus die Situation für die Patientin deutlich verschlimmert. Die Nebenwirkung kann allerdings durch die gleichzeitige Gabe von Antiandrogenen in Kombination mit verschiedenen Haarentfernungsmethoden vermindert werden.

Niedrig dosiertes orales Minoxidil (0,625-5 mg/d) stellt eine Alternative zur topischen Anwendung dar. Jedoch führte es in einer Studie bei ca. 15 % der Teilnehmer zu einer Hyper­trichose – deutlich mehr als bei den Topika. Generell kann es bei Minoxidil (topisch und oral) anfangs zu einem telogenen Effluvium kommen, was angesprochen werden sollte.

5-alpha-Reduktasehemmer wie Finasterid und Dutasterid wurden zwar nicht zur Behandlung des Hyper­androgenismus bei Frauen entwickelt und besitzen keine Zulassung für diese Indikation. Sie sind aber eine effektive Therapie für FPHL und Hirsutismus bei PCOS-Patientinnen. Zu beachten ist allerdings das erhebliche teratogene Risiko von 5-alpha-Reduktaseinhibitoren, daher muss eine sichere Kontrazeption während und auch einige Zeit nach der Behandlung gewährleistet sein.

Quelle: Klein EJ et al. J Eur Acad Dermatol Venereol 2023; DOI: 10.1111/jdv.18842

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