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Was tun nach Chemoversagen?

Etwa 3–5 % aller Menschen mit einem Hodentumor erleiden auch nach zwei oder mehr Kombinationschemotherapien, inklusive einer Salvage-Hochdosischemotherapie (HDCT), weitere Rezidive und sterben meist an ihrer Erkrankung. Standard in der palliativen Situation ist eine Chemotherapie. Weder die S3-Leitlinie „Keimzelltumoren des Hodens“ noch die EAU-Guideline „Testicular Cancer“ sprächen für die palliative Situation Therapieempfehlungen aus, erklärte Dr. Stefanie Zschäbitz, Universitätsklinikum Heidelberg. Die NCCN-Guideline Testicular Cancer empfiehlt bei einem Progress nach HDCT auf eine hohe Mikrosatelliteninstabilität (MSI-H) bzw. eine Defizienz der Mismatch-Reparatur (dMMR) zu testen und die Tumormutationslast (TMB) zu bestimmen. Hintergrund ist die tumoragnostische Zulassung in den USA für Pembrolizumab zur Therapie von metastasierten MSI-H/dMMR-Tumoren. Allerdings seien sowohl eine hohe TMB als auch MSI-H bei Hodentumoren selten, so Dr. Zschäbitz.
Außerdem biete sich die NGS-Testung auf Alterationen bzw. Biomarker an, für die zielgerichtete Therapien verfügbar sind, wie es die ESMO Precision Medicine Working Group empfehle. Dies umfasse neben TMB und MSI-H auch NTRK-Fusionen, RET-, BRAF- und FGFR-Alterationen.
Nur auf molekulare Treiber mit verfügbarer Therapie testen
Weitere potenzielle Optionen könnten auch zielgerichtete Therapien gegen andere onkogene Treibermutationen sein wie EGFR-TKI oder KRAS-Inhibitoren, PARP-Hemmer bei BRCA1/2-Mutationen, Antikörper-Drug-Konjugate (ADC) oder auch CAR-T-Zellen. Anders als beim NSCLC kommen in Keimzelltumoren vor allem KRASG12V-Mutationen vor. Derzeit liefen 23 Studien bei verschiedenen soliden Tumoren, die versuchen, diese Alteration therapeutisch zu nutzen, berichtete Dr. Zschäbitz. Insgesamt sei die Datenlage zu zielgerichteten Therapien dünn, Studien mit Trop2-, Nectin4- und CD30-gerichteten ADC verliefen enttäuschend.
Hoffnungsvoller sei der Ansatz mit dem bispezifischen T-Cell-Engager IMA401 bei MAGEA4/8-positiven Tumoren. Expert:innen gehen davon aus, dass etwa 25 % aller Keimzelltumoren das Antigen exprimieren, in der Literatur fänden sich sogar höhere Angaben, so Dr. Zschäbitz.
Derzeit läuft in Deutschland eine Phase-1a/1b-Studie, in die Erkrankte mit verschiedenen rezidivierten/refraktären soliden Tumoren eingeschlossen werden (NCT05359445). Die Rekrutierung für uroonkologische Entitäten ist bereits beendet. Beim ESMO 2024 vorgestellte erste Daten ergaben eine Gesamtansprechrate von 29 % und eine Krankheitskontrollrate (DCR) von 53 %. Das Nebenwirkungsprofil war handhabbar.
Auch das Oberflächenantigen Claudin6 (CLDN6) wird auf Keimzelltumoren exprimiert, mit 93 % ist die Expression bei Hodentumoren am höchsten. Im Rahmen des ESMO 2024 wurden drei Studien zu CLDN6-gerichteten Therapien vorgestellt. Das CLDN6-gerichtete ADC TORL-1-23 führte bei Erkrankten mit verschiedenen fortgeschrittenen soliden Tumoren zu ORR von bis zu knapp 90 %, berichtete Dr. Zschäbitz. „Das sind Daten, die auf jeden Fall positiv stimmen.“ Die Phase-2-Studie soll nun allerdings beim platinrefraktären Ovarialkarzinom durchgeführt werden.
ADC und CAR-T-Zellen gegen Claudin6 auf dem Prüfstand
Ein weiteres CLDN6-ADC lieferte in einer Phase-1-Studie Hinweise auf eine vielversprechende Wirksamkeit. Zwei der sieben Behandelten mit intensiv vorbehandelten Keimzelltumoren sprachen mit einer partiellen Remission an, berichtete Dr. Zschäbitz. Die Dosiseskalationsphase der Studie läuft noch.
Außerdem wurde auf dem ESMO ein Update der laufenden Phase-1-Studie BNT211-01 zur CLDN6-gerichteten CAR-T-Zell-Therapie vorgestellt (NCT04503278). Darin kann zusätzlich zu den CAR-T-Zellen ein RNA-basiertes Vakzin (CARVac) verabreicht werden, um die T-Zell-Expansion und -Persistenz zu erhöhen. 27 der bisher behandelten Hodentumor-Erkrankten erreichten eine DCR von 56 %. Die Ergebnisse seien so vielversprechend, dass eine Studie mit Keimzelltumoren folgen werde. Die Nebenwirkungen der CAR-T-Zell-Therapie seien allerdings nicht unerheblich, sagte Dr. Zschäbitz und ergänzte: „Wir sollten auch daran denken, Personen mit refraktärem Hodentumor noch einmal dem Chirurgen vorzustellen.“
Quelle: Zschäbitz S. 76. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie e.V. „Neue Therapieansätze beim fortgeschrittenen Hodentumor“
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