Wenig Verlass auf Portale und Fachinformationen

Dr. Sonja Kempinski

Je größer die Anzahl eingenommener Medikamente, desto höher das Risiko für Interaktionen. Je größer die Anzahl eingenommener Medikamente, desto höher das Risiko für Interaktionen. © ipopba – stock.adobe.com

Muss man Patienten unter Methotrexattherapie den Kaffee verbieten? Welche NSAR können Patienten mit Low-Dose-ASS-Prophylaxe verschrieben werden? Interaktionen und Wechselwirkungen zu überblicken, ist bei der verfügbaren Masse an Medikamenten nicht einfach.

Viele in der Rheumatologie verwendeten Wirkstoffe interagieren mit anderen Medikamenten. Gut, dass es dazu reichlich Informationen gibt – z.B. in entsprechenden Interaktionsportalen im Web oder in den Fachinformationen. Mit ihnen richtig umzugehen ist gar nicht so einfach, betonte der in München niedergelassene Rheumatologe Prof. Dr. Klaus Krüger. Gerade in Bezug auf Interaktionen ist die fachliche, ärztliche Expertise unerlässlich, um eventuelle Gefahren richtig zu beurteilen.

Lässt man beispielsweise in der bekannten Datenbank Drugs.com den Interaktions-Checker nach „Methotrexat“ suchen, zeigt er 627 interagierende Medikamente. 125 der Wechselwirkungen werden als schwer eingestuft. Das kann nicht sein, meint Prof. Dr. Krüger. „Wir setzen alle seit Jahrzehnten diese Substanz ein und haben hin und wieder ein Problem mit Wechselwirkungen.“ Dass man mit 125 ernsten Gefahren rechnen müsse, hält er für übertrieben. Man sollte im Einzelnen die Evidenzen kennen und wissen, was wirklich wichtig ist.

Unter den Wirkstoffen, die „major interactions“ mit Methotrexat auslösen sollen, listet Drugs.com alle Biologika auf. In der Praxis werden MTX und Biologika häufig gemeinsam eingesetzt. Muss man bei diesem Vorgehen ernsthaft mit wesentlichen Wechselwirkungen rechnen, fragt sich Prof Krüger. Die Antwort da-rauf ist simpel: Die Wechselwirkung, die in Drugs.com thematisiert wird, besteht in einem erhöhten Infektionsrisiko. Ob dieses überhaupt von MTX selbst gesteigert wird, ist nach neueren Studien umstritten. Und selbst wenn aus der Kombination mit einem Biologikum ein leicht erhöhtes Infektionsrisiko resultierte, kann man Prof. Krüger zufolge nicht von einer „major interaction“ sprechen.

Kaffee und PPI zu Unrecht angeprangert

Gar nicht so selten werden Patienten auch durch ihren Apotheker aufgeschreckt, wenn sie zusätzlich zu ihrer antirheumatischen MTX-Therapie eine Sekundärprävention mit Low-Dose-ASS erhalten. Denn der Apothekencomputer meldet bei der Kombi MTX plus ASS die Gefahr einer lebensbedrohlichen Interaktion. Das betrifft jedoch nur die gemeinsame Verabreichung einer onkologischen MTX-Hochdosistherapie plus ASS in hoher, sprich analgetischer Dosierung. Bei MTX in rheumatologischer Dosierung plus Low-Dose-ASS als Blutverdünner drohen unter entsprechendem Monitoring keine relevanten Interaktionen, wie Studien belegen.

Doch nicht nur die unkritische Nutzung von Interaktionsdatenbanken kann Verunsicherung stiften. Auch auf Fachinformationen ist nicht immer Verlass, kritisiert Prof. Krüger. Denn diese beinhalten häufig nicht alle aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse. In der MTX-Fachinformation stehen Wirkstoffe, die interaktionsmäßig ohne Bedeutung sind (Protonenpumpenhemmer, Theophyllin, Tetracyclin und Chloramphenicol). Die aufgeführten NSAR sind nur dann gefährlich, wenn sie zeitgleich mit MTX eingenommen werden. Und der in der Fachinformation mit Wechselwirkungen konnotierte Konsum koffeinhaltiger Getränke kann nach heutigem Wissenstand sogar gegen die MTX-bedingte Übelkeit helfen. Immerhin, vor der wichtigsten Wechselwirkung wird gewarnt: Der Kombination mit Trimethoprim-Sulfamethoxazol (siehe Kasten).

Die Top 7 der Medikamenteninteraktionen in der Rheumatologie

1. MTX und Trimethoprim-Sulfamethoxazol (Cotrimoxazol): Diese Kombi bewirkt eine Blockade der MTX-Ausscheidung und damit hochtoxische MTX-Spiegel. Eine Ausnahme gibt es jedoch: Für die Pneumocystis-jirovecii-Prophylaxe ist eine niedrige Dosierung von Cotrimoxazol möglich (entweder 80/400 mg/d oder 160/800 mg dreimal wöchentlich).

2. Azathioprin und Allopurinol (oder Febuxostat): Hemmstoffe der Xanthinoxidase führen zu einer massiven Anreicherung von 6-Mercaptopurin, was toxisch auf das Knochenmark wirkt. Bei einer gemeinsamen Verabreichung müsste die Azathioprindosis auf 25 % gesenkt werden. Das ist laut Prof. Krüger in der Regel nicht praktikabel, weshalb auf die Kombi ganz verzichtet werden soll.

3. TraditionelletNSAR (Ibuprofen, Naproxen, Indometacin) und Low-Dose-ASS: Sie konkurrieren um einen Rezeptor. Ist dieser von z.B. Ibuprofen besetzt, kann ASS nicht wirken. Das ist kein theoretisches Problem, betonte Prof. Krüger. Er hat selbst zwei Patienten erlebt, die durch die Einnahme von Ibuprofen unter laufender Low-Dose-ASS-Prophylaxe einen Apoplex entwickelt haben. Er empfiehlt gegen Schmerzen in solchen Fällen statt Ibuprofen besser Diclofenac oder Coxibe einzusetzen.

4. tNSAR untereinander: Durch die Kombination von tNSAR wird das Ulkusrisiko um das Dreifache erhöht. Das Risiko steigt ebenfalls bei einer Kombination von tNSAR und Glukokortikoiden.

5. tNSAR plus Antikoagulanzien sowie tNSAR plus SSRI erhöhen das Blutungsrisiko.

6. Alle NSAR plus nephrotoxische Substanzen steigern die Gefahr der Nephrotoxizität.

7. Novaminsulfon plus MTX erhöht bei Erwachsenen das Risiko für Agranulozytose (siehe Text).

Eine Wechselwirkung fehlt allerdings in der Liste. Sie wurde erst nach Erstellen der Fachinfo entdeckt und ist ebenfalls brandgefährlich: Die Kombination von MTX und Novaminsulfon. Bei Erwachsenen erhöht sie das Risiko für Agranulozytosen im Mittel um das 4,5-Fache. In 17 % der Fälle endet die Verminderung der Granulozyten fatal, wie Prof. Krüger erklärte. Nachweisbar ist das erhöhte Risiko ab dem 40. Lebensjahr (Odds Ratio, OR, 2,6). Ab dem 80. Lebensjahr steigt die Rate auf das Achtfache (OR 8,1).

Agranulozytose durch MTX plus Novaminsulfon

Diese Beispiele verdeutlichen, wie wichtig es ist, über Pharmakokinetik und Interaktionen Bescheid zu wissen und diese adäquat einzuordnen. Zur Erinnerung fasste Prof. Krüger die „Hitliste“ verschiedener Medikamente für Rheumatologen zusammen (siehe Kasten). Daneben haben bei den antirheumatischen Medikamenten auch Mycophenolat-Mofetil und Ciclosporin A ein Interaktionspotenzial. Bei diesen Medikamenten lohnt es sich, die entsprechenden Informationen genau zu studieren.

Bei den JAK-Inhibitoren kommt es vor allem auf den Eliminationsweg an. Baricitinib und Filgotinib werden größtenteils renal ausgeschieden, Interaktionen drohen mit ihnen weniger. Anders sieht es bei Tofacitinib bzw. Upadacitinib aus. Ihre Metabolisierung findet zu 70 % und mehr in der Leber statt. Sie können deshalb von Interaktionen betroffen sein. Tofacitinib wird durch die gleichzeitige Gabe von Ketoconazol in seiner Wirkung gesteigert und durch Rifampicin abgeschwächt.

Schlussendlich kündigte Prof. Krüger lesenswerte Lektüre an. Die Kommission Pharmakotherapie der DGRh hat zum Thema „Wechselwirkungen“ Empfehlungen erarbeitet. Das entsprechende Paper1 befindet sich gerade in Revision und wird demnächst in der Zeitschrift für Rheumatologie verfügbar sein.

1.    Wechselwirkungen und Dosierungsempfehlungen synthetischer DMARD – Evidenz- und konsensbasierte Empfehlungen auf Basis einer systematischen Literatursuche

Quelle: Deutscher Rheumatologiekongress 2022

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