Wie alternative Trastuzumab-Dosierungen Treibhausgasemissionen reduzieren können

Dr. Miriam Sonnet

Alternative Dosierungen von Medikamenten könnten Treibhausgasemissionen reduzieren.
Alternative Dosierungen von Medikamenten könnten Treibhausgasemissionen reduzieren. © HNFOTO – stock.adobe.com

Um der Klimakrise zu begegnen, müssen alle etwas tun – auch der Gesundheitssektor. Eine Option wäre es, derzeit gültige Dosierungen von Medikamenten zu prüfen und zu evaluieren, ob diese verringert werden können. US-amerikanische Wissenschaftler:innen verdeutlichten am Beispiel von Trastuzumab, was prinzipiell möglich wäre.

Der Klimawandel wirkt sich direkt auf die Gesundheit der Menschen aus. Allerdings gilt das auch umgekehrt: So hat die medizinische Versorgung selbst einen großen Anteil an den jährlichen Treibhausgasemissionen. Die Therapie von Krebserkrankten trägt maßgeblich dazu bei, unter anderem durch chirurgische Eingriffe, Anästhetika und Biologika. Die meisten onkologischen Therapien werden in höheren Dosierungen verabreicht als eigentlich benötigt, schreiben Kolleg:innen um ­Sofia I. ­Jacobson, Yale College, New Haven. Auch überstiegen Häufigkeit der Applikation und Behandlungsdauer den tatsächlichen Bedarf. 

Die optimale Frequenz und Dauer einer adjuvanten Therapie ist zum Zeitpunkt der Zulassung meist noch nicht bekannt, was zusätzliche Studien erforderlich macht, so die Autor:innen. Ein Beispiel hierfür ist Trastuzumab: Initial wurde der Antikörper für eine zwölfmonatige Adjuvanz zugelassen. Mehrere Untersuchungen belegten aber, dass eine sechsmonatige Gabe hier nicht unterlegen ist – bei besserer Sicherheit. Trotzdem blieb die einjährige Adjuvanz der Standard. Ein ähnliches Szenario existiert für die Dosierung: Die Zulassung bezieht sich auf eine Dosis von 4 mg/kgKG alle drei Wochen; pharmakokinetische Analysen deuten aber darauf hin, dass 6 mg/kgKG alle vier Wochen ausreichen würden.

Mögliche Entlastung für Umwelt und Gesundheit

Für ihre Studie nutzten die Forschenden Trastuzumab zur Therapie von HER2+ Mammakarzinomen als exemplarisches Beispiel, um die Auswirkungen einer Krebsbehandlung auf die Umwelt zu demonstrieren. Sie schätzten zunächst ab, wie sich Treibhausgasemissionen pro Patient:in reduzieren würden, wenn alternative Dosierungen zum Einsatz kämen. Anschließend kalkulierten sie, inwiefern diese alternativen Strategien die Umwelt und damit auch die allgemeine Gesundheit der Bevölkerung beeinflussen.

Folgende Dosierungen wurden untersucht:

  • Alle drei Wochen und in der Adjuvanz für zwölf Monate
  • Alle vier Wochen und im Falle einer adjuvanten Therapie Gabe für zwölf Monate
  • Alle drei Wochen und im Falle einer adjuvanten Therapie Gabe für sechs Monate
  • Alle vier Wochen und im Falle einer adjuvanten Therapie Gabe für sechs Monate

Eingeschlossen und auswertbar waren 102 Personen, die 150 Therapien erhielten. 61,8 % wurden mit mindestens einer neoadjuvanten Dosis Trastuzumab behandelt, 57,8 % bekamen mindestens eine Dosis in der Adjuvanz und 29,4 % erhielten den Antikörper in der metastasierten Situation. 

Mehr Kooperation gefordert

Der Gesundheitssektor in den USA hat einen Anteil von 8,5 % an den gesamten Treibhausgasemissionen, schreibt Prof. Dr. ­Manish ­Kohli, University of Utah/Huntsman Cancer Institute, Salt Lake City, in seinem Editorial. Er verdeutlicht dies am Beispiel der roboterassistierten Hysterektomie: Diese produziert 814 kg CO2, was einer 2.273-Meilen-Fahrt mit auf Petroleum basierenden Kraftstoffen entspricht. Minimalinvasive Eingriffe schlagen mit einer CO2-Emission von 355.914 Tonnen pro Jahr zu Buche. Der Zusammenhang zwischen Umwelt, Versorgung von Tumorpatient:innen, Krebsrisiko und Prognose sei komplex und müsse systematisch untersucht werden, fordert Prof. Kohli. 

Insgesamt könne die Gesundheitsindustrie von der Luftfahrt­industrie lernen, meint er. Indem diese mit regulatorischen Behörden zusammenarbeitet, konnten die Treibhausgasemissionen verringert werden – unter anderem durch den Umbau von Flugzeugen, die Treibstoff effizienter nutzen. Eine ähn­liche Strategie sei auch für die Gesundheitsindustrie denkbar, um chirurgische Versorgungsketten grüner zu machen, Müll zu reduzieren und Telemedizin zu fördern. Verstärkte und neue Kooperationen zwischen Pharmafirmen und der FDA würden benötigt, um den Einfluss von Krebstherapien auf Treibhausgasemissionen zu evaluieren. Diese Analysen sollten vor, während und nach der Medikamentenzulassung erfolgen, sich dabei aber nicht negativ auf den pharmazeutischen Einfallsreichtum auswirken.

Quelle:
Kohli M. JCO Oncol Pract 2023; 19: 697-699; DOI: 10.1200/OP.23.00424 

Die Auswirkungen auf die Umwelt errechneten die Autor:innen aus der Medikamentenproduktion, der Wegstrecke der Patient:innen zu den Zentren und der Entsorgung des medizinischen Mülls, der durch die Therapie anfiel. Median legten die Teilnehmenden mit frühem Brustkrebs 63,7 km und diejenigen mit metastasiertem Tumor 95,1 km für die Versorgung zurück. Für Betroffene, die neoadjuvante bzw. adjuvante Behandlungen benötigten, waren es median 63,4 km und 84,6 km.

Verglichen mit der herkömmlichen Trastuzumab-Dosierung (eine zwölfmonatige Gabe alle drei Wochen) führte eine sechsmonatige Therapie mit vierwöchentlicher Applikation zu verringerten Treibhausgasemissionen – und zwar im neoadjuvanten Setting um 4,5 %, in der Adjuvanz um 18,7 % und um 14,6 % in der metastasierten Situation.

Mit dem herkömmlichen Dosierungsschema fielen geschätzt 20,2 x 106 kg CO2 jährlich an, meist aufgrund der Therapie von frühem Brustkrebs, so die Forschenden. Diese durch Trastuzumab verur­sachten Treibhausgasemissionen seien für schätzungsweise 8,1 verlorene DALY (Disability-adjusted life years) und 4,6 zusätzliche Todesfälle weltweit verantwortlich. Mit einem verlängerten Applikations­intervall und einer verkürzten Therapiedauer von sechs Monaten ließe sich die Zahl der verlorenen DALY auf 6,6 und die der zusätzlichen Todesfälle auf 3,7 reduzieren.

Dosierungsstrategien generell überdenken

Geschätzt würden US-basierte alternative Trastuzumab-Dosierungen die jährliche Krankheitslast (DALY) und zusätzliche Todesfälle um 1,5 bzw. 0,9 verringern, resümieren die Autor:innen. Ihre Erklärung: Alternative Dosierungsstrategien wirken sich weniger auf die Umwelt aus und dadurch habe die Versorgung von Tumorerkrankten einen geringeren Impact auf die Gesundheit der Bevölkerung. Das sollten auch regulatorische Behörden in ihre Entscheidungen miteinbeziehen, fordern die Wissenschaftler:innen. Ebenso rechtfertigten die Ergebnisse klinische Studien zu alternativen Dosierungsstrategien. Die Argumente gelten aber nicht nur für Tras­tuzumab, sondern auch für andere Medikamente, so die Forschenden.

Quelle:
Jacobson SI et al. JCO Oncol Pract 2023; 19: 799-807; DOI: 10.1200/OP.23.00227

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Alternative Dosierungen von Medikamenten könnten Treibhausgasemissionen reduzieren.
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