Wie sich Frailty auf Therapie und Prognose des akuten Koronarsyndroms auswirkt

Nils Bröckelmann

Deutlich längerer Klinikaufenthalt für Betroffene des akuten Koronarsyndroms mit hohem Frailty-Score. Deutlich längerer Klinikaufenthalt für Betroffene des akuten Koronarsyndroms mit hohem Frailty-Score. © Robert Kneschke – stock.adobe.com

Bei akutem Koronarsyndrom und hohem Frailty-Score besteht ein dreifach erhöhtes Mortaliätsrisiko und Betroffene bleiben deutlich länger in der Klinik. Auch wirkt sich Gebrechlichkeit auf die Zahl an Herzkatheterinterventionen in Deutschland aus.

Obwohl das Frailty-Syndrom per se für eine ungünstige Prognose spricht, ist über dessen Stellenwert bei Patientinnen und Patienten mit akutem Koronarsyndrom (ACS) nur wenig bekannt. Eine Arbeitsgruppe um Dr. Ben Völschow vom Universitätsklinikum Hamburg wertete nun anhand von Daten des Statistischen Bundesamtes alle Fälle mit der Hauptdiagnose ACS (gemäß ICD-10) zwischen 2005 und 2022 aus. Mithilfe der Nebendiagnosen wurde der Hospital Frailty Risk Score bestimmt und die etwa 5,9 Millionen ACS-Betroffenen je nach Gebrechlichkeitslevel in drei Gruppen eingeteilt: gering, mittel und hoch.

Ein mittlerer bzw. hoher Frailty-Score fand sich bei 13,3 % bzw. 1,8 % der Gesamtkohorte. Somit ist Gebrechlichkeit ein sehr häufiges Phänomen im Rahmen eines ACS in Deutschland, schreiben die Forschenden – insbesondere ab einem Alter von 75 Jahren, wo ungefähr ein Viertel darunter leidet. Insgesamt lag die Krankenhaussterblichkeit bei 6,2 %. Personen mit hohem Frailty-Score hatten gegenüber denjenigen mit niedrigem ein mehr als dreifach erhöhtes Mortalitätsrisiko. Etwa jede bzw. jeder fünfte Gebrechliche starb in der Klinik. Immerhin: Während der Anteil an Frailty im Studienverlauf zunahm, ging die Krankenhausmortalität über die Jahre zurück.

Doch nicht nur in Sachen Mortalität waren die Unterschiede enorm: Patientinnen und Patienten mit hoher Frailty blieben im Schnitt 21,6 Tage im Krankenhaus, diejenigen mit niedrigem Score nur 5,6 Tage. Zudem erhielten wesentlich weniger Gebrechliche eine Koronarangiografie oder Stentimplantation (47 % vs. 70,6 %). Ob diese mögliche Untertherapie zur erhöhten Sterblichkeit beitrug oder vielmehr der eingeschränkte Gesundheitszustand die schlechte Prognose bedingte, bleibt dem Autorenteam zufolge offen. Ebenso wenig sei klar, ob bei ACS-Betroffenen mit Frailty mehr Herzkatheterinterventionen durchgeführt werden sollten.

Aufgrund der mangelnden Datenlage empfehlen aktuelle Leitlinien für diese vulnerable Patientengruppe, Nutzen und Risiken einer invasiven Behandlung individuell abzuwägen. Die ESC*-Leitlinie zum ST-Hebungsinfarkt hebt beispielsweise hervor, dass das Alter nicht als alleiniges Kriterium herangezogen werden sollte. Laut dem Team um Dr. Völschow könnten Frailty-Scores eine individualisiertere Therapie ermöglichen.

*European Society of Cardiology

Quelle: Völschow et al. Lancet Reg Health Eur 2024; doi: 10.1016/j.lanepe.2024.101168

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Deutlich längerer Klinikaufenthalt für Betroffene des akuten Koronarsyndroms mit hohem Frailty-Score. Deutlich längerer Klinikaufenthalt für Betroffene des akuten Koronarsyndroms mit hohem Frailty-Score. © Robert Kneschke – stock.adobe.com