Fallbeispiel: Rückenschmerzen Ein Abrechnungsbeispiel mit differenzialdiagnostischer Abklärung
Mehr als 90 % aller Rückenbeschwerden entstehen durch Muskelverspannungen. Bei Röntgen- oder MRT-Untersuchungen werden oft Veränderungen an der Wirbelsäule festgestellt, die aber über einen längeren Zeitraum entstehen und zumeist nicht die Ursache der akuten Beschwerden sind.
Grundpfeiler einer erfolgreichen Behandlung von Rückenschmerzen ist deshalb zunächst eine ausführliche Anamneseerhebung zu medizinischen, psychosozialen oder arbeitsplatzbezogenen Risikofaktoren, verbunden mit einer gründlichen körperlichen Untersuchung. Dauern die Rückenschmerzen länger als zwölf Wochen, können sie als chronisch eingestuft werden. Spätestens dann sollte eine neurologische, orthopädische und gegebenenfalls auch psychische Abklärung erfolgen.
Therapie
Sofern gravierende Ursachen der Rückenschmerzen ausgeschlossen werden können, sollte das Behandlungsziel die Beseitigung der Verspannungen sein. Dazu eignet sich eine Physiotherapie, anfangs begleitet von einer medikamentösen Behandlung. Das Ziel der medikamentösen Schmerzbehandlung ist, den Teufelskreis aus Schmerz und Bewegungslosigkeit zu durchbrechen. Bei der Behandlung starker Rückenschmerzen haben sich NSAR wie Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen bewährt. Vom Einsatz muskelentspannender Medikamente wird in der Nationalen Versorgungsleitlinie (NVL) „Nicht-spezifischer Kreuzschmerz“ abgeraten.
Bei akuten Beschwerden kann Wärme helfen, die Muskeln zu entspannen. Bei einer Ischias-Reizung oder anderen entzündlichen Erkrankungen kann das aber die Schmerzen verschlimmern. Dann ist es ratsam, die betroffenen Stellen zu kühlen und damit die Übertragung der Schmerzsignale zu reduzieren.
Nach den Empfehlungen der NVL soll eine Massage nicht zur Behandlung von akuten Kreuzschmerzen angewendet werden. Bei subakuten/chronischen Beschwerden kann sie in Verbindung mit Bewegungstherapie aber sinnvoll sein. Als alternative Behandlungsformen kommen die Osteopathie oder die Akupunktur in Betracht. Wenn Schmerzen über eine längere Zeit anhalten, sollte eine multimodale Schmerztherapie zum Einsatz kommen.
Ein Fallbeispiel: Die 42-jährige Patientin kommt erstmals wegen wiederkehrend auftretender Schmerzen im HWS-Bereich, die occipital ausstrahlen, in die Praxis. Sie gibt an, die Beschwerden bisher nicht so ernst genommen zu haben. Wegen ihrer beruflichen Belastung habe sie keine Zeit, sich z. B. sportlich zu betätigen. Sie übt eine vorwiegend sitzende Tätigkeit am Computer aus. Der BMI beträgt 25,5.
Fallbeispiel – bei Erstvorstellung erbringbare Leistungen | ||||
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EBM | Legende | Punkte/Euro | GOÄ | Euro 1x |
03003 | Versichertenpauschale im 42. Lebensjahr | 114/13,60 | 7 800 | 9,33 11,37 |
03008 | Vermittlung eines fachärztlichen Behandlungstermins | 131/15,63 | ||
35100 | Differenzialdiagnostische Klärung psychosomatischer Krankheitszustände | 193/23,03 | 801 | 14,57 |
Empfohlen werden: Wärme, Schmerzmittel und Bewegung
Bei der körperlichen Untersuchung fällt ein Hartspann im Bereich der Schultermuskulatur auf, neurologische Auffälligkeiten oder psychosomatische Ursachen der Beschwerden sind nicht erkennbar. Zur differenzialdiagnostischen Abklärung wird der Patientin ein Termin beim Neurologen in zwei Wochen vermittelt (Tab. oben).
Da auch die neurologische Untersuchung keine Anhaltspunkte für eine zentrale Ursache der Beschwerden ergibt, erhält die Patientin Termine für eine Wärmebehandlung mittels Hochfrequenzstrom sowie eine lokale Infiltrationsbehandlung mit einem Lokalanästhetikum. In einem längeren Gespräch werden ihr Maßnahmen zur Gewichtsabnahme und zur sportlichen Betätigung vermittelt und eine Empfehlung nach Muster 36 zur Vorlage bei der Krankenkasse ausgestellt. Unterstützend erhält die Patientin eine Verordnung über ein Ibuprofen-Präparat zur Einnahme bei Bedarf (Tab. unten).
Fallbeispiel – Behandlungsserie | ||||
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EBM | Legende | Punkte/Euro | GOÄ | Euro 1x |
03230 | Problemorientiertes ärztliches Gespräch, das aufgrund von Art und Schwere der Erkrankung erforderlich ist | 128/15,28 | 1 | 4,66 |
02510 | Wärmetherapie mittels Hochfrequenzstrom, je Sitzung | 21/2,51 | 551 | 2,80 |
Medikamentöse Infiltrationsbehandlung im Bereich mehrerer Körperregionen (auch eine Körperregion beidseitig), je Sitzung | 268 | 7,58 | ||
Verordnung Ernährungsberatung | 70 | 2,33 |
Bitte beachten:
- Da beim Erstkontakt keine längere Beratung stattfindet, bleibt die GOP 03230 EBM außen vor. Auf die mögliche Berechnung der Nr. 1 GOÄ wird verzichtet, da diese Leistung nur einmal im Behandlungsfall (Monat) neben Leistungen aus den Abschnitten C bis O zum Einsatz kommen kann und hier der Ansatz beim zweiten Besuch gewählt wurde.
- Die medikamentöse Infiltrationsbehandlung hat im EBM zwar die GOP 02360, ist aber Bestandteil der Versichertenpauschale.
- Die GOP 02510 EBM kann auch bei der Behandlung mehrerer Körperteile nur einmal je Sitzung berechnet werden. Der Ansatz der Nr. 551 GOÄ hingegen ist bei mehreren Körperregionen entsprechend mehrfach möglich.
Was die Entbudgetierung ab 2025 ändern wird
Nach der für Mitte Oktober terminierten abschließenden Lesung im Bundestag zur Entbudgetierung des hausärztlichen Honorar im EBM und Inkrafttreten des Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetzes muss der Bewertungsausschuss die Umsetzung in den EBM beschließen. Mit einer solchen Entscheidung ist für den 1. April 2025 zu rechnen.
Gemäß der gesetzlichen Rahmenvorgaben würden im vorliegenden Fall die Leistungen nach den GOP 03008 und 03230 nach der Euro-Gebührenordnung vergütet. Eine Berechnung der Chronikerpauschale nach den GOP 03220/03221 ist hier nicht möglich, da zunächst keine kontinuierliche Behandlung innerhalb des vorgegebenen Rahmens von vier aufeinander folgenden Quartalen vorliegt. Diese Regelung ändert sich mit der Entbudgetierung durch die Einführung einer sogenannten Versorgungspauschale, die aus der bisherigen Versichertenpauschale und den Chronikerpauschalen besteht. Diese Leistung würde im vorliegenden Fall mit einem Euro-Betrag abgerechnet, wenn es an zwei aufeinander folgenden Quartalen zu einem Arzt-Patienten-Kontakt kommt und eine kontinuierliche medikamentöse Behandlung erfolgt.
Medical-Tribune-Bericht