Ende der Budgetierung Versprochenes Kappen der hausärztlichen Honorarfesseln ist mit EBM-Reform zu kombinieren
Für den hausärztlichen Bereich hat Prof. Karl Lauterbach ein Ende der Budgetierung wiederholt angekündigt. Im Bereich der Kinder- und Jugendmedizin wurde diese auch schon vollzogen. Oder anders gesagt: Bei den Pädiatern ist das Kind bereits in den Brunnen gefallen. Das hat nur bisher niemand bemerkt, weil das Abrechnungsergebnis des 2. Quartals 2023 noch nicht vorliegt. Seit April sind die Kinderärzte aus dem Budget herausgenommen. Das klingt gut, kann sich aber auch nachteilig auswirken.
MGV bleibt die Grundlage der Honorarverteilung
§ 87a Absatz 3b SGB V regelt, dass den Pädiatern jetzt von den Krankenkassen die zuvor budgetierten Leistungen mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung bezahlt werden. Im Hintergrund bleibt die morbiditätsbedingte Gesamtvergütung (MGV) allerdings erhalten. Wird der Anteil der Pädiater an der MGV nämlich nicht erreicht, muss dies über Zuschläge zur Förderung der Kinder- und Jugendmedizin ausgeglichen werden. Grundlage für die Berechnung des MGV-Anteils der Pädiater ist das zweite Quartal 2022. Der Bewertungsausschuss hat die Vorgaben für dieses Verfahren rückwirkend zum April in Kraft gesetzt.
Fakt ist: Bei den Pädiatern ist weiterhin die MGV Grundlage der Honorarverteilung. Lediglich, wenn deren Anteil nicht ausreicht, um die abgerechneten Leistungen in Euro zu vergüten, müssen die Kassen nachzahlen. Das bedeutet aber auch: Wird der MGV-Anteil unterschritten, bleibt Geld übrig.
In der ursprünglichen Fassung des Gesetzes war noch vorgesehen, dass ein solcher Rest an die Kassen zurückfließt. Das wurde geändert und eine Zuschlagsregelung „zur Förderung der Kinder- und Jugendmedizin“ geschaffen, die sich aus einem solchen Überschuss speisen soll. Konkret bedeutet dies: Ein Honorarverlust durch eine geringere Leistungsanforderung wird ausgeschlossen. So gesehen wurde das pädiatrische Honorar tatsächlich entbudgetiert.
Der Teufel steckt aber im Detail. Denn bei den Pädiatern wurde schon zuvor der größte Teil des Honorarvolumens extrabudgetär vergütet. Selbst beim budgetierten Anteil lag die Auszahlungsquote nahe 100 %. Da der größte Teil des budgetierten pädiatrischen Honorars wiederum pauschaliert ist, kann sich hier überhaupt keine wesentliche Honorarsteigerung durch eine höhere Leistungsanforderung entwickeln. Eine Entbudgetierung in dieser Form läuft ins Leere. Schlimmer noch: Eine Zuschlagsregelung, wie sie für ein Unterschreiten des MGV-Anteils vorgesehen ist, kann man jederzeit wieder rückgängig machen oder – wie bereits geschehen – an anderer Stelle als Puffer einbauen.
Risiko einer Einbuße beim Honorar ist noch gegeben
So wird in den Vorgaben des Bewertungsausschusses zu den technischen Einzelheiten bzw. zur Empfehlung des Umfangs des „nicht-vorhersehbaren Morbiditätsanstiegs“ (NVA) im Jahr 2024 den Pädiatern als „Ausgleich“ für diese Entbudgetierung heimlich das Morbiditätsrisiko untergeschoben. Bei einem NVA aufgrund eines überproportionalen Anstiegs von Akuterkrankungen muss nämlich künftig sichergestellt werden, dass es zu keinen Doppelzahlungen bei Leistungen von Kinder- und Jugendmedizinern kommt, denn die sind ja entbudgetiert.
Leistungen des Kapitels 4 EBM (ausgenommen sind die Versichertenpauschalen ab dem 19. Lebensjahr nach den GOP 04003, 04004 und 04005) werden deshalb künftig nicht zusätzlich im Rahmen des NVA vergütet, wenn sie im Zusammenhang mit einem Ausnahmeereignis durchgeführt werden. Bei einer erneuten Pandemie würden die Kinder- und Jugendärzte damit automatisch – trotz Entbudgetierung – zu Honorarverlierern werden.
Alle pädiatrischen Leistungen – auch wenn sie in voller Höhe nach den Preisen der Euro-Gebührenordnung vergütet werden – müssen außerdem weiterhin dem Wirtschaftlichkeitsgebot nach § 12 SGB V entsprechen. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, dürfen Versicherte nicht beanspruchen und die Ärzte nicht bewirken.
Prüfanträge haben Einfluss auf das individuelle Honorar
Das bedeutet: Solange es von den KVen gemeinsam mit den Kassen betriebene Prüfgremien gibt, die auf Grundlage von Prüfvereinbarungen bei statistischen Abweichungen des einzelnen Arztes von der Fachgruppe Honorarkürzungen vornehmen, ist das keine entbudgetierte Vergütung. Die Kassen haben über Prüfanträge einen direkten Einfluss auf das individuelle Honorar eines Hausarztes.
Der wichtigste Punkt in diesem „Spiel“ ist somit: Eine Entbudgetierung auf der Grundlage der momentanen Honorarverteilung und angesichts der hohen Pauschalierung im EBM kann ggf. zu Honorarverlusten führen. Diese Gefahr mag bei den Pädiatern geringer sein wegen ihres traditionell hohen Anteils an extrabudgetären Leistungen.
Bei einer Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars auf der Grundlage des jetzigen EBM wäre das aber virulent. Käme es nur zur Entbudgetierung der bisher in Pauschalen vergüteten hausärztlichen Leistungen, wäre das finanzielle Ergebnis mager (siehe Abbildung).
Im hausärztlichen Bereich kann man das bei den unbudgetierten Honoraren in der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) bereits sehen. Die sind etwas höher als die KV-Honorare, sie lassen sich aber wegen des noch höheren Pauschalierungsgrades nur fallzahlabhängig und kaum morbiditätsbedingt steigern.
Die hausärztliche Entbudgetierung würde somit allenfalls zur Angleichung von KV- und HzV-Honoraren führen, wenn nicht gleichzeitig zumindest die Inhalte der Versicherten- und Chronikerpauschalen entpauschaliert würden. Vor einer Entbudgetierung des hausärztlichen Honorars, die diesen Namen verdient, muss deshalb eine EBM-Reform stehen, die sich mindestens an der des Jahres 1987 orientiert, wenn das nicht eine Mogelpackung werden soll.
Die Auszahlungsquoten aus Hessen für Hausärzte zeigen beispielhaft: Eine Entbudgetierung ohne Entpauschalierung würde hier nur zu einem ganz geringen Honoraranstieg führen und gleichzeitig das „Pauschal(en)honorar“ einfrieren.