Praxisverkauf Arbeitsplatzschutz für die Mitarbeiter

Praxisführung Autor: Torsten Münnch

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Praxischefs tragen nicht nur für ihre Patienten, sondern auch für ihre Mitarbeiter Verantwortung. Doch was, wenn die Praxis einmal verkauft werden soll? Der folgende Beitrag gibt Tipps für die Gestaltung von Praxiskaufverträgen.

Vielen Praxisinhabern ist ihr Team ans Herz gewachsen. Es erfüllt sie mit Sorge, ein Käufer könnte versuchen, das Personal nach der Übernahme schnellstmöglich loszuwerden. Derartige "Umstrukturierungspläne" sind gar nicht so selten, weil sich der Käufer zum einen nicht mit derselben sozialen Tiefe gegenüber dem Personal verpflichtet fühlt und zum anderen der Blick auf die Rendite manch verdiente Kraft als "zu teuer" erscheinen lässt. Aber welche Möglichkeiten bestehen, derartige Bestrebungen zu verhindern?

Automatischer Übergang bestehender Arbeitsverhältnisse

Einen gewissen Schutz genießt das Personal bereits aufgrund der geltenden Rechtslage. § 613a Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) sorgt im Falle des Praxisverkaufs jedenfalls dann für einen "automatischen" Übergang aller bestehenden Arbeitsverhältnisse, wenn der Erwerber den Großteil des Personals übernimmt. Übernimmt dieser 3 von 4 Arzthelferinnen, kann er den Übergang des vierten Arbeitsverhältnisses nicht verhindern. Zusatzvereinbarungen, die die Fortsetzung der Arbeitsverhältnisse postulieren, sind also unnötig. Auf den Inhalt der Arbeitsverhältnisse kommt es nicht an. Auch Verträge mit geringem Verdienst ("Minijob") gehen auf den Praxiserwerber über. Beim Übergang bleibt der Inhalt der Arbeitsverhältnisse völlig unverändert. Für noch nicht erfüllte Ansprüche (z. B. offener Lohn) haftet nun – neben dem Verkäufer – auch der Praxiskäufer. Diesen gesetzlich vorgesehenen Automatismus kann der Praxiserwerber genauso wenig verhindern, wie es der Praxisverkäufer könnte. Aber auch nach dem Übergang der Praxis auf den Käufer sind die Arbeitsverhältnisse gegen gewisse Kündigungen geschützt. § 613a BGB sieht nämlich weiter vor, dass eine Kündigung unwirksam ist, die wegen des Betriebsüberganges ausgesprochen wurde.

Trotz dieser Vorschriften bleibt der Arbeitsplatzschutz des Praxispersonals rudimentär. § 613a BGB greift nur dann, wenn der Käufer "die Praxis" übernimmt. Bei hausärztlichen Praxen, in denen das Personal und nicht teure Geräte für das Funktionieren des Betriebs maßgeblich sind, findet § 613a BGB dann keine Anwendung, wenn der Erwerber überhaupt kein Personal, sondern nur "die Kassenzulassung" übernimmt (Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 22.06.2011, Aktenzeichen 8 AZR 107/10). Zum anderen greift der durch § 613a BGB vermittelte Kündigungsschutz nur bei Kündigungen "wegen" des Betriebsüberganges. Er entfällt insbesondere dann, wenn der Praxiserwerber neben dem Betriebsübergang noch weitere Gründe für die Kündigung anführt. Danach wäre zwar eine Kündigung unwirksam, wenn der Erwerber als alleinigen Grund angibt, er wolle die Praxishelferin nicht übernehmen. Das gilt aber bereits dann nicht mehr, wenn der Praxisübernehmer die Kündigung zusätzlich auf seinen Entschluss stützt, aus Rationalisierungsgründen nur noch 3 statt 4 Praxishelferinnen beschäftigen zu wollen.

Das Kündigungsschutzgesetz

Allerdings kann es sein, dass der weitere Grund – z. B. der Rationalisierungsplan – zur Anwendung anderer Arbeitnehmerschutzgesetze führt, insbesondere zur Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes. Dieses verbietet sozial ungerechtfertigte Kündigungen. Sozial ungerechtfertigt ist eine Kündigung, die nicht aus Gründen in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers oder durch betriebsbedingte Gründe bedingt ist. Freilich kann sich ein Arbeitnehmer nur dann auf das Kündigungsschutzgesetz berufen, wenn das Arbeitsverhältnis bereits länger als 6 Monate bestand und zudem die Praxis in der Regel mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.

Zu zählen sind Vollzeitäquivalente, nicht Köpfe (beispielsweise sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer mit einer regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von maximal 20 Stunden mit 0,5 zu zählen). Ist die Praxis hingegen kleiner oder bestand das Arbeitsverhältnis noch nicht länger als 6 Monate, findet das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung und es genügt für die Aushebelung des § 613a BGB jeder sachliche Kündigungsgrund, solange er nicht vollständig hinter dem Motiv des Betriebsüberganges zurücktritt.

Diese Rechtslage bietet nur einen ungewissen und gegebenenfalls sehr lückenhaften Schutz der Arbeitsverhältnisse. Wer als Praxisabgeber eine stärkere Sicherheit für deren Bestand möchte, kann dies auf 2 Wegen erreichen.

Ergänzungsvereinbarung oder Kündigungsverbot

Er kann zum einen mit seinen Arbeitnehmern individuelle Ergänzungsvereinbarungen zum Arbeitsvertrag abschließen, in denen er – zumindest für eine gewisse Zeit – auf sein Kündigungsrecht verzichtet und zudem mit dem Käufer im Praxiskaufvertrag die Übernahme des gesamten Personals vereinbart. Die so ergänzten Arbeitsverträge gehen nach dem oben bereits geschilderten § 613a BGB ohne Inhaltsänderung auf den Erwerber über. Der Vorteil dieser Variante liegt darin, dass sich die Arbeitnehmer im Falle einer dennoch ausgesprochenen Kündigung selbst auf den Kündigungsverzicht berufen können. Eine entgegen dem Verzicht ausgesprochene Kündigung wäre unwirksam.

Alternativ kann ein Kündigungsverbot im Praxiskaufvertrag verankert werden. Auf einen dort verankerten Kündigungsverzicht kann sich aber zunächst einmal nur der Kaufvertragspartner – also der Praxisverkäufer – berufen, nicht der Arbeitnehmer. Außerdem wäre eine entgegen der kaufvertraglichen Vereinbarung ausgesprochene Kündigung nicht unwirksam, sondern würde zu einem Ende des Arbeitsverhältnisses führen. Um eine Fortsetzung des (gekündigten) Arbeitsverhältnisses herbeizuführen, muss der Praxisveräußerer den Käufer auf Schadensersatz in Form einer Wiedereinstellung des Personals in Anspruch nehmen. Bei dieser Variante sind also die Arbeitnehmer darauf angewiesen, dass entweder die oben genannten, aber lückenhaften gesetzlichen Kündigungsschutzvorschriften greifen oder dass ihr (ehemaliger) Praxischef für sie Partei ergreift und die Einhaltung des Kaufvertrages durchsetzt. Es liegt auf der Hand, dass darin Risiken liegen. Wenn gewollt ist, dass (auch) das Personal die Arbeitsplatzschutzgarantie des Kaufvertrages einfordern kann, dann sollte die entsprechende Vertragsklausel explizit als sogenannte Klausel zugunsten Dritter im Sinne von § 328 BGB formuliert sein. Dazu muss im Kaufvertrag hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht werden, dass dem Personal eigene Rechte auf Schutz ihres Arbeitsplatzes gegen Kündigungen zugestanden werden sollen. Dann erwerben die Praxismitarbeiter – obwohl sie den Vertrag ja nicht selber abschließen – ein eigenes Recht auf Einhaltung des vertraglich verankerten Kündigungsverbotes und damit auch ein eigenes Recht, die Einhaltung dieses Verbotes einzuklagen. Eine derartige Vertragsklausel zugunsten des Personals gewinnt zusätzlich an Stärke, wenn sie durch eine Vertragsstrafe flankiert wird. Wer im Falle eines Verstoßes nicht nur eine Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung, sondern auch auf Zahlung von 10.000 € befürchten muss, wird sich seine Pläne dreimal überlegen.

Welche Variante auch immer angestrebt wird: Ein Praxisverkäufer ist stets auf die Bereitschaft des Käufers angewiesen, vertragliche Kündigungsbeschränkungen zu akzeptieren. Wenn sich ein Interessent darauf partout nicht einlassen, der Praxisinhaber aber auch nicht nachgeben will, sind die Vertragsverhandlungen gescheitert. Ist der Käufer zu Zugeständnissen bereit, könnte dies Einfluss auf den Kaufpreis haben: Wer einen langen Kündigungsschutz für sein Personal einfordert, wird damit rechnen müssen, dass der damit verbundene Verlust an Gestaltungsflexibilität den Kaufpreis drückt. Wie weit, ist Verhandlungssache.


Autor:
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
Dierks + Bohle Rechtsanwälte, Berlin

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (6) Seite 66-67
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.