Berufsausübungsgemeinschaft Ausschluss trotz Formverstoß wirksam

Praxisführung Autor: T. Münnch

Für das Ausscheiden eines Gesellschafters aus einer ärztlichen Berufsausübungs- oder Praxisgemeinschaft sehen die Gesellschaftsverträge häufig spezielle Formvorschriften vor. Doch ein Gesellschafterbeschluss wird durch einen Verstoß gegen solche Vorschriften nicht automatisch unwirksam, so der Bundesgerichtshof.

Die Kooperation mit Kollegen bietet für die beteiligten Ärzte viele Vorteile. Geschätzt werden insbesondere der berufliche Austausch sowie die Möglichkeit, Kosten zu reduzieren und jederzeit einen verlässlichen Vertreter an der Hand zu haben. Mehr als 45 000 niedergelassene Ärzte kooperieren in Form einer Berufsausübungsgemeinschaft. Über die Zahl der Ärzte in einer Praxisgemeinschaft – ihr Zweck liegt nicht in der gemeinsamen Behandlung, sondern nur in der Kostenteilung – finden sich zwar keine statistischen Daten, aber ihr Anteil dürfte bei mindestens 20 % liegen, in städtischen Ballungsräumen wahrscheinlich noch höher.

Eher rudimentäre Vorgaben

Gesellschaftsrechtlich sind Berufsausübungsgemeinschaften ebenso wie Praxisgemeinschaften in der Regel sogenannte Gesellschaften bürgerlichen Rechts, kurz GbR. Diese Gesellschaftsform ist im Bürgerlichen Gesetzbuch näher geregelt, wobei die dortigen Vorschriften nur einen eher rudimentären Rahmen vorgeben und zudem keinesfalls auf die Bedürfnisse von Ärzten zugeschnitten sind. Insbesondere darin liegt der Grund dafür, dass die Regeln der Zusammenarbeit stets individuell zwischen den Ärzten ausgearbeitet und in Gesellschaftsverträgen schriftlich fixiert werden müssen.

Zu den wichtigsten vertraglichen Regelungen gehören Vorschriften über das Ausscheiden eines Gesellschafters. Dieses Ausscheiden kann freiwillig geschehen, nämlich durch Kündigung. Es kann aber auch zwangsweise erfolgen, nämlich durch Beschluss der Mitgesellschafter. Man spricht dann nicht von Kündigung, sondern von einem Ausschluss. Gesellschaftsverträge sehen häufig vor, dass Ausschlussbeschlüsse in einer nach speziellen Formvorschriften durchzuführenden Gesellschafterversammlung gefasst werden müssen. Es finden sich Ladungsfristen, Vorschriften zum Inhalt der Ladung und zum Ort der Gesellschafterversammlung, zur Teilnahme von Beratern oder Vertretern und natürlich zu den für einen Beschluss erforderlichen Mehrheiten. Das Bürgerliche Gesetzbuch fordert diese Formvorschriften übrigens nicht ein, ihre Vereinbarung in einem Gesellschaftsvertrag erfolgt also freiwillig. Ob sie für ein geordnetes Gesellschaftsleben nützlich sind, darüber kann man streiten.

Pacta sunt servanda – oder?

Wenn aber Formvorschriften vereinbart sind, dann müssen sie strikt eingehalten werden – so könnte man jedenfalls denken. Etwas lockerer sieht das der Bundesgerichtshof. In einem Urteil vom 11.3.2014 hatte das Gericht über die Frage zu entscheiden, ob die Nichteinhaltung einer dreiwöchigen Ladungsfrist um einen Tag einen Ausschlussbeschluss der Gesellschafterversammlung unwirksam macht (Aktenzeichen II ZR 24/13). Die Vorinstanz hatte dies noch bejaht. Der BGH verlangt jedoch zusätzlich zur Fristversäumnis noch den Nachweis, dass der verspätet geladene und vom Ausschluss betroffene Gesellschafter sich wegen der verkürzten Frist nicht mehr vernünftig auf die Sitzung vorbereiten konnte. Im zu entscheidenden Fall konnte es das Gericht ausschließen, dass die Beschlüsse bei ordnungsgemäßer Ladung unterblieben oder anders gefasst worden wären und ihr Zustandekommen durch die geringfügige Verkürzung der Einladungsfrist beeinflusst wurde. Entsprechendes hatte der vom Ausschluss bedrohte Gesellschafter ohnehin nicht vorgetragen, sondern sich allein auf die Fristversäumung berufen.

BGH: Form nicht überbewerten

Der BGH hatte bereits in der Vergangenheit auch bei anderen Formverstößen nicht ohne weiteres die Unwirksamkeit der formgebundenen Rechtshandlung bejaht. So hielt er eine mittels einfachem Brief ausgesprochene Kündigung eines Gesellschaftsvertrages für wirksam, obwohl der Vertrag für die Kündigung einen eingeschriebenen Brief verlangte (BGH, Urteil vom 21.01.2004, Aktenzeichen XII ZR 214/00). Bei einer solchen Klausel habe, so der BGH, zwar die Schriftform konstitutive Bedeutung. Ihre Nichteinhaltung führe also zur Unwirksamkeit der Kündigung. Die Versendung als Einschreibebrief solle aber nur den Zugang der Kündigungserklärung sichern. Dieser könne aber auch in anderer Weise als durch einen Einschreibebrief wirksam erfolgen.

Die in diesen Urteilen zum Ausdruck kommende Haltung des BGH ist nicht ganz unproblematisch. Sie schützt die Gesellschafter zwar vor einer Überbewertung von Formvorschriften, in denen man sich ohnehin leicht verheddern kann. Sie geht jedoch auf Kosten der Rechtssicherheit. Beschlüsse oder Erklärungen, die gegen schriftlich niedergelegte Formvorschriften verstoßen, sind eben nicht schon allein wegen des Verstoßes nichtig.

Fazit

Natürlich tun alle Gesellschafter immer gut daran, Formvorschriften einzuhalten. Wenn dies aber dennoch einmal unterbleibt, sollten sie nicht vorschnell von einer Unwirksamkeit der darauf basierenden Rechtshandlungen ausgehen, sondern erst einmal prüfen – oder mit anwaltlicher Hilfe prüfen lassen –, ob der Verstoß so schwer wiegt, dass der mit der Formvorschrift beabsichtigte Schutzzweck tatsächlich vereitelt wird.


Autor:
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
Dierks + Bohle Rechtsanwälte, Berlin

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (3) Seite 58-59
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.