Handhygiene Beim Desinfizieren auch an die Haut denken

Praxisführung Autor: Werner Enzmann

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Handhygiene gehört zu den wichtigsten Maßnahmen der Infektionsprävention in der Arztpraxis. Da sie ein ganzes Berufsleben lang durchgeführt werden muss, ist neben der Wirksamkeit auch die Verträglichkeit ein wichtiger, aber häufig vernachlässigter Aspekt.

Gesunde und intakte Haut der Mitarbeiter ist auch im Sinne des Infektionsschutzes wichtig, denn geschädigte Haut lässt sich schlechter desinfizieren, wird leichter bakteriell infiziert und zum Reservoir für Pathogene. Ihre Schutzfunktion gegenüber Allergenen vermindert sich, das Risiko für Sensibilisierungen wächst – und damit die Compliance mit der Händedesinfektion. Bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) entfallen regelmäßig mehr als die Hälfte der angezeigten Berufskrankheiten auf Hauterkrankungen. Deshalb sind Hautschutz, Hautpflege und mechanische Barrieremaßnahmen genauso wichtig und hygienerelevant wie Desinfektion und Waschen der Hände.

Waschen reicht nicht

Zum Händewaschen als herkömmlicher Methode der Handreinigung werden im Gesundheitswesen typischerweise handwarmes Wasser und flüssige Waschpräparate ohne antimikrobielle Zusätze verwendet, deren Grundlage seifenfreie Tenside sind. Diese verbessern den Schmutzabtrag, stören aber auch die Struktur des Stratum corneum. Lipide und andere Substanzen werden aus der Haut herausgelöst, abgespült und gehen so verloren. Dies ist als Entfettung der Haut unmittelbar spürbar. Da die Haut diese für die Aufrechterhaltung der Hautbarriere nötigen Substanzen nur verzögert ersetzen kann, ist Händewaschen schon deshalb als Standardmaßnahme der Infektionsprävention nicht geeignet.

Beim Waschen wird zudem Wasser in die oberen Schichten des Stratum corneum eingelagert. Diese Hyperhydratation wird gerade bei trockener Haut oft als angenehm empfunden, ist aber nicht von Dauer, da das Wasser durch die geschädigte Hautbarriere verdampft. Solange die Hyperhydratation besteht (etwa 8–10 Minuten), ist zudem die Wirkung von Händedesinfektionsmitteln eingeschränkt, da es in der Haut verdünnt wird. Inhaltsstoffe von Waschpräparaten wie Parfüme, Konservierungsmittel, Rückfetter und Pflegemittel, Farb- und Hilfsstoffe können ebenso wie die Tenside selbst irritativ wirken. Als besonders hautfreundlich gelten Präparate auf Zuckertensidbasis.

Desinfektion ist verträglicher

Bei nahezu allen in Deutschland eingesetzten Händedesinfektionsmitteln bilden die Alkohole Ethanol, Propanol (1-Propanol) und Isopropanol (2-Propanol) entweder als Monosubstanzen oder Mischungen die wirksame Grundlage. Die Gesamtkonzentrationen liegen üblicherweise im Bereich >60–95 %. Die Hauptwirkung der Alkohole auf die Haut besteht in einer Störung der Struktur des Stratum corneum, insbesondere der dort vorhandenen Lipidschichten. Ähnlich wie beim Waschen kommt es dabei zur Mobilisation und Herauslösung von Hautfetten. Die Wirkung hängt dabei entscheidend vom Alkohol und dessen Konzentration ab. Im Unterschied zur Waschung werden die Lipide jedoch nicht abgespült, sondern bei der heute üblichen Einreibemethode wieder in die Haut gerieben. Diese wird also nicht entfettet, was ein Grund für die bessere Verträglichkeit der Händedesinfektion im Vergleich mit der Händewaschung ist.

Das irritative Potenzial der zur Händedesinfektion eingesetzten Alkohole ist gering und mit dem von Wasser vergleichbar. Trotzdem werden Händedesinfektionsmittel oft als hautbelastender wahrgenommen, da Alkohole auf vorgeschädigter Haut ein brennendes Gefühl erzeugen. Ferner enthalten Händedesinfektionsmittel oft Rückfetter, Hilfs- und Parfüm- sowie Farbstoffe, die im Gegensatz zu den reinen Alkoholen ein gewisses Sensibilisierungspotenzial beinhalten können. Nicht nur deshalb kann die Hautverträglichkeit der reinen Alkohole jene der konfektionierten Händedesinfektionspräparate übertreffen. Einige Präparate enthalten neben Alkoholen weitere antimikrobielle Stoffe, die einen Langzeiteffekt erzielen sollen (z. B. Chlorhexidin). Ein zusätzlicher Nutzen dieser Stoffe für die Infektionsprävention ist nicht belegt, ein zusätzliches irritatives Potenzial jedoch nicht auszuschließen.

Handschuhe nicht lange tragen

Flüssigkeitsdichte Handschuhe stellen eine mechanische Barriere für Verschmutzungen und Infektionserreger dar, sind aber auch eine Dampfsperre – unter dem Handschuh bildet sich eine feuchte Kammer. Im Feuchtklima kommt es zur Schädigung der Hautbarriere und zur Herauslösung von Hautfetten. Dieser Okklusionseffekt kann für sich allein schon längerfristig (Mit-)Ursache für die Entstehung eines Handekzems sein. Zudem steigt wiederum die Gefahr des Eindringens von Fremdstoffen (z. B. Handschuhinhaltsstoffen) in die Haut, was Hautirritationen und Allergien begünstigt.

Möglichkeiten zur Reduktion der Belastung durch Handschuhe bestehen u. a. durch die Vermeidung unnötig langen Handschuhtragens und durch die Verwendung von Unterziehhandschuhen aus aufsaugendem Material, z. B. Baumwolle. Baumwollunterziehhandschuhe müssen nicht als Einmalartikel verwendet werden, sondern können mit geeigneten Verfahren kostengünstig wiederaufbereitet werden. Bei der Tragedauer von Einmalhandschuhen scheinen 15 Minuten ein guter Kompromiss zwischen der durchschnittlichen Tragezeit und der Perforationshäufigkeit der Handschuhe zu sein.

Morgens Schutz, abends Pflege

Hautschutz und Hautpflege sollen irritative Belastungen der Haut reduzieren und entstandene Minimalschäden beheben, insbesondere indem verlorene Lipide ersetzt und das Stratum corneum stabilisiert werden. Für Hautschutz und Hautpflege stehen verschiedene Produkte zur Verfügung. Hautschutzprodukte sollen vor Arbeitsbeginn aufgetragen werden und auf die bei der Arbeit auftretende Belastung (z. B. Handschuhtragen) abgestimmt sein. Hautpflegemittel müssen die jeweilige Hautsituation berücksichtigen und werden nach Arbeitsende verwendet, um arbeitsbedingte Einflüsse auszugleichen. Alle Hautschutzmittel zählen zur Persönlichen Schutzausrüstung (PSA) nach der PSA-Benutzer-Richtlinie 89/656/EWG. Auch bei Pflegeprodukten ist auf Verträglichkeit und Kompatibilität mit anderen Produkten der Händehygiene und Handschuhen zu achten.

Beliebt, aber schädlich

In der Realität werden Händewaschen, Händedesinfektion und Schutzhandschuhe in vielfältigen Kombinationen und Abfolgen eingesetzt. Für die Wirksamkeit und die Belastung der Haut ist es dabei nicht nur wichtig, situationsgerecht die richtige Methode einzusetzen, sondern auch besonders belastende Handlungen und Abfolgen zu vermeiden. Eine immer wieder zu beobachtende Praxis ist z. B. die (oft flüchtige) Händedesinfektion mit nachfolgender Händewaschung, deren einzige Rechtfertigung die Händedekontamination von Sporenbildnern wäre.

Aus Sicht des Hautschutzes ist dieses Vorgehen kaum an Schädigung zu überbieten, da Hautfette zunächst durch den Alkohol angelöst und dann durch die Waschung fortgespült werden. Auch das umgekehrte Vorgehen, erst zu waschen und dann zu desinfizieren, ist kaum günstiger, zumal die Wirkung des Alkohols auf der hyperhydratisierten Haut abgeschwächt ist.

Besonders problematisch ist, bei Vorschäden auf die Desinfektion wegen des Brennens (und fälschlicher Annahme der Irritation) zu verzichten und nur noch zu waschen. Tatsächlich verschlechtert sich dadurch der Zustand der Haut nur noch mehr. Weitere falsche Praktiken betreffen das unnötig lange Tragen von Handschuhen, das Anziehen der Handschuhe mit noch feuchten Händen, unnötig langes Waschen und Bürsten der Hände und der Verzicht auf Tätigkeitskarenz in hygienesensiblen Bereichen bei bestehenden Infektionen an der Hand.

Quelle:
Robert Koch-Institut, Epid Bull 2015; 18: 149

Autor:
Werner Enzmann

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (16) Seite 68-69
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.