Diabetes-Barcamp "Bin ich froh, dass es nicht nur mir so geht!"

Praxisführung Autor: Yvonne Schönfelder

© Kirchheim/Stephan Benz

Egal, wie gut Sie als Hausarzt oder Diabetologe Ihren Diabetes-Patienten medizinisch beraten und begleiten – im Alltag des Patienten werden immer zahlreiche Herausforderungen und Probleme bleiben, bei denen Sie ihm nicht helfen können. Ein persönlicher Austausch, Kontakt mit anderen Dia­betikern und das Gefühl, nicht allein mit der Erkrankung zu sein, kann hier Wunder wirken. So geschehen beim diesjährigen Diabetes-Barcamp.

am 8. September trafen sich 110 Menschen in Frankfurt zum Live-Forum Diabetes-Barcamp der Blood Sugar Lounge. Sie verstehen gerade nur Bahnhof? Also erst mal von vorne:

Was macht die Blood Sugar Lounge...

Die Blood Sugar Lounge (BSL) wurde unter dem Dach des Kirchheim-Verlags gegründet und ist eine Community rund um den Diabetes, die Raum für aktuelle Themen, Vernetzung und Austausch bietet. Hier treffen sich Typ-1- und Typ-2-Diabetiker, Angehörige und Professionals – "Wir sind viele" hat sich als festes Motto etabliert. Dabei findet der Austausch der Diabetes-Community online und offline statt. Auf der Online-Plattform www.blood-sugar-lounge.de treffen sich die Mitglieder aus dem ganzen Land virtuell, um sich zu informieren und auszutauschen. Hier berichten mittlerweile über 70 Autoren der BSL sowohl über diabetesnahe Themen wie den Umgang mit Pumpen und Sensoren, Insulinmanagement und Ernährung, aber auch über Reisen, Sport und andere Freizeitaktivitäten, die mit Diabetes nicht immer ganz selbstverständlich zu meistern sind. Ein ganz wesentlicher Punkt ist jedoch, dass die BSL auch den Raum bietet, sich über ganz private Themen auszutauschen. So gibt es Beiträge, in denen die Autoren ihre ganz persönliche Geschichte erzählen und sich offen mitteilen über Diabulimie, Depressionen, Sexualität oder Probleme auf der Arbeit. Auch die Angehörigen bekommen hier ein offenes Ohr. Denn die sogenannten "Typ-F-Diabetiker" (F für Freunde und Familie) werden ebenso mit den kleinen und großen Alltagsproblemen konfrontiert, die der Diabetes des Partners oder des Kindes mit sich bringt.

... und was ist eigentlich ein Barcamp?

Die Kontakte, die auf der Plattform entstehen, müssen aber keineswegs rein virtuell bleiben. In unregelmäßigen Abständen finden Treffen statt. Eine innovative Idee, die Diabetes-Community zusammenzubringen, entstand 2017 mit dem ersten Diabetes-Barcamp der Blood Sugar Lounge, unterstützt vom Unternehmen Novo Nordisk. Die Veranstaltung wurde von den Teilnehmern so begeistert aufgenommen, dass in diesem Jahr eine Wiederholung stattfand. Das Veranstaltungsformat "Barcamp" hat jedoch rein gar nichts mit Drinks oder Campen zu tun. Im Vordergrund steht ein zentrales Thema, zu dem sich die Teilnehmer einfinden – in diesem Fall der Diabetes. Das Besondere und Spannende an dem Konzept: Niemand weiß so ganz genau, was einen inhaltlich erwartet, denn das komplette Programm wird erst direkt vor Ort festgelegt. Ganz nach dem Motto "Du bist das Barcamp!" gibt es keine Präsenzvorträge von Experten – jeder Teilnehmer gilt als Experte seiner eigenen Erkrankung und soll sich mit dem, was ihn bewegt, einbringen. Allein ein Raum- und Zeitplan gibt die Anzahl der möglichen Themen-Sessions vor. Dann liegt es an den Teilnehmern selbst, direkt vor Ort zu Beginn des Barcamps Vorschläge für konkrete Themen vorzustellen, über die er oder sie sich gerne austauschen möchte. Einschränkungen gibt es keine, alle Themen, die unter den Nägeln brennen, sind es wert, in kleinen oder größeren Gruppen diskutiert und beratschlagt zu werden. So kam es, dass die Teilnehmer des zweiten Diabetes-Barcamps über 9 Stunden in 23 Sessions à 45 Minuten zu Themen wie "Pumpe ja oder nein?", "Unverträglichkeiten von Pflastern und Nahrung" und "Selbsthilfe und deren Entwicklung" rege diskutierten. Auch die Sessions "Patient trifft Pharma", "Hypos sind doof" oder "Diabetes und Stress" fanden großes Interesse. Wer in Frankfurt im Mediacampus nicht dabei sein konnte, konnte den Livestream einschalten und bei fünf Sessions mitdiskutieren (siehe Infokasten) oder sich in den Social-Media-Kanälen austauschen und Einblicke erhaschen – unter dem Hashtag #Diabetesbarcamp.

Diabetes-Barcamp

Alle Informationen, die Livestreams, die Nachberichterstattung und das überragende Feedback zum #Diabetesbarcamp gibt es hier:

"Wir sind viele"

"Bin ich froh, dass es nicht nur mir so geht!", dieser Satz zog sich wie ein roter Faden durch die Sessions. Und so bestimmte das Wir-Gefühl die besondere Dynamik des Barcamps: Das Zusammentreffen so unterschiedlicher Menschen, die doch durch dieses eine Thema verbunden sind, brachte motivierende Impulse, wertvolle Informationen und neue Bekanntschaften hervor.

Vielleicht begegnen Ihnen in der Praxis ebenfalls Diabetes-Patienten, für die ein solcher Austausch eine Bereicherung und wertvolle Unterstützung im Diabetes-Alltag sein könnte? Informationen und Einblicke in das Diabetes-Barcamp für Sie und zur Weitergabe an Ihre Patienten finden Sie unten stehend.


Autorin:
Yvonne Schönfelder

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (17) Seite 72-74
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Selbsthilfe und Community, Diabetes Typ F, Unterzuckerungen. Ein Teil der Workshops wurde live übertragen. Selbsthilfe und Community, Diabetes Typ F, Unterzuckerungen. Ein Teil der Workshops wurde live übertragen.
"Wir schaffen das, meine Kleine!" Nadja (2. von rechts) moderierte die Session über Konflikte und Lösungen mit Lebenspartnern und Familie ("Diabetes Typ F") "Wir schaffen das, meine Kleine!" Nadja (2. von rechts) moderierte die Session über Konflikte und Lösungen mit Lebenspartnern und Familie ("Diabetes Typ F") © Kirchheim/Stephan Benz
Tierisch was los: Zwei Teilnehmer und Hund Frida in der Fotobox des Diabetes-Barcamps Tierisch was los: Zwei Teilnehmer und Hund Frida in der Fotobox des Diabetes-Barcamps © Kirchheim/Stephan Benz