Keine Krankenversicherung Das sollte der Hausarzt wissen

Praxisführung Autor: N. Mittermaier

© DOC RABE Media - Fotolia

Etwa 0,2 Prozent der Deutschen sind nicht krankenversichert. Wir wollten wissen, warum dem so ist, welche Rechte und Pflichten Krankenkassen und das Sozialamt haben und wie Hausärzte bei nicht versicherten Patienten vorgehen sollten. Nachgefragt haben wir bei den gesetzlichen und privaten Krankenkassen sowie beim Amt für Soziales in Regensburg.

In Deutschland besteht Krankenversicherungspflicht für alle. Laut Statistischem Bundesamt waren im Jahre 2011 rund 137 000 Personen in Deutschland nicht krankenversichert. Wie passt das zusammen?

AOK, Herr Bernatek: Die Versicherungspflicht für Personen ohne anderweitige Absicherung im Krankheitsfall tritt kraft Gesetz ein, soweit die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht vorliegen. Die Prüfung dieser Voraussetzungen kann eine Krankenkasse ohne Mitwirkung des Betroffenen nicht zweifelsfrei vornehmen. Ohne Mitwirkung bzw. Anzeige der absicherungslosen Person kann die Krankenkasse den Versicherungsschutz nicht feststellen. Die Durchführung der Versicherungspflicht von Amts wegen aufgrund einer Vermutung ist nicht zulässig.

HUK, Herr Eichhorn: Bei den meisten unversicherten Personen dürfte es sich um Selbstständige handeln, bei denen es keinen Kontrollmechanismus für die Einhaltung der Versicherungspflicht gibt.

Amt für Soziales, Regensburg, Herr Tesar: Kraft Gesetzes, d. h. ohne ihr Zutun, sind seit April 2007 in der GKV die Personen pflichtversichert, die keinen anderweitigen Anspruch auf Absicherung im Krankheitsfall haben und zuletzt gesetzlich krankenversichert oder bisher nicht gesetzlich oder privat krankenversichert waren. Diese Personen sind versichert bei der GKV-Kasse, bei der sie früher Mitglied waren, oder, falls bisher nicht versichert, bei der GKV-Kasse ihrer Wahl. Nicht pflichtversichert in der GKV sind selbstständig Erwerbstätige, Personen, die nach § 6 SGB V versicherungsfrei sind (z. B. Beamte, Richter, Soldaten, über der Versicherungspflichtgrenze) sowie Bezieher von Sozialhilfe oder von Leistungen aus dem Asylbewerberleistungsgesetz. Aus diesem Personenkreis dürfte das Gros der genannten Personen stammen. Nicht pflichtversicherte Personen können natürlich im Einzelfall trotzdem freiwillig in der GKV versichert sein. Seit 2009 besteht darüber hinaus die generelle Verpflichtung zum Abschluss einer Krankheitskostenversicherung bei einem privaten Versicherungsunternehmen. Ausgenommen sind Personen, die in der GKV pflicht- oder freiwillig versichert sind oder die andere vergleichbare Ansprüche gegen Dritte (z. B. Sozialhilfeträger) geltend machen können.

Machen sich Menschen, die nicht krankenversichert sind, in irgendeiner Weise strafbar?

AOK: Nein, das tun sie nicht.

HUK: Sobald Versicherungsschutz nachgefragt wird, müssen Strafbeiträge nachgezahlt werden.

Welche Möglichkeiten hat ein nicht Krankenversicherter, wenn ihm nur wenig oder gar kein Geld zur Verfügung steht?

AOK: Mit Beginn der Mitgliedschaft in der GKV beginnt auch die Verpflichtung zur Beitragszahlung. Die Beitragsbelastung richtet sich nach den Einnahmen des Mitglieds. Hohe Einnahmen führen zu höheren Krankenversicherungsbeiträgen, niedrige Einnahmen zu geringeren Beiträgen, wobei bei sehr geringen oder überhaupt keinen Einnahmen eine Mindestbemessungsgrundlage angesetzt wird. Für Sachverhalte, in denen der Versicherte aus Gründen, die er nicht zu vertreten hat, die Versicherungspflicht zu einem späteren Zeitpunkt anzeigt, schreibt § 186 Abs. 11 SGB V den Krankenkassen eine Satzungsregelung vor, wonach der für die Zeit seit dem Eintritt der Versicherungspflicht angefallene Beitrag angemessen ermäßigt, gestundet oder von seiner Erhebung abgesehen werden kann.

HUK: Bei nachgewiesener Hilfebedürf-tigkeit nach dem SGB II (Grundsicherung-Hartz IV) oder nach dem SGB XII (Grundsicherung-Sozialhilfe) wird der Beitrag reduziert.

Amt für Soziales: Gerät eine Person mit Beitragszahlungen in Verzug, so droht anstelle der Kündigung das Ruhen der Leistungen. In der Zeit des Ruhens der Versicherung sind jedoch Kosten für Leistungen zur Behandlung von akuten Erkrankungen und Schmerzzuständen sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft zu erstatten. Ist Hilfebedürftigkeit des Leistungsnehmers im Sinne des SGB II oder des SGB XII der Grund für den Beitragsverzug, so kann die betroffene Person vom Leistungsträger (Jobcenter oder Sozialamt) die Hilfebedürftigkeit feststellen lassen. Weist er die Hilfebedürftigkeit gegenüber dem Versicherungsunternehmen nach, so endet das Ruhen der Leistungen (§ 193 Abs. 6 Satz 3 VVG). Der Gesetzgeber hat die KVen durch § 75 Abs. 3 a Satz 1 SGB V verpflichtet, auch die ärztliche Versorgung der Privatversicherten im Basistarif sicherzustellen. § 75 Abs. 3 a Sätze 1 u. 2 SGB V enthalten für den Basistarif Maßgaben für die Vergütung der ärztlichen Leistungen.

Personen, die in der GKV weder pflicht- noch freiwillig versichert sein können, müssen von einem privaten Versicherungsunternehmen im Basistarif aufgenommen werden. Wer gar kein Einkommen oder nur begrenzte finanzielle Möglichkeiten hat, sollte sich wegen finanzieller Unterstützung an folgende Stellen wenden: Für Erwerbsfähige unter 65 Jahren ist Anlaufstelle das zuständige Jobcenter, für Erwerbsunfähige (die über 65 Jahre alt oder nur mehr in der Lage sind, weniger als drei Stunden erwerbstätig zu sein) das Sozialamt.

Können Versicherungen Anträge auf Versicherung auch ablehnen?

AOK: Krankenkassen können die Mitgliedschaft, soweit die Zuständigkeit der Krankenkasse und die Voraussetzungen für die Versicherungspflicht gegeben sind, nicht ablehnen. Die in § 6 Abs. 3 a SGB V genannte Altersgrenze findet nach ausdrücklicher Regelung in § 6 Abs. 3 a Satz 4 SGB V keine Beachtung.

HUK: Im Basistarif der PKV und in der GKV sind in der Regel keine Ablehnungen möglich.

Amt für Soziales: In die GKV werden Personen, die vorher nicht versicherungspflichtig waren, nicht mehr aufgenommen, wenn sie 55 Jahre und älter sind. In die PKV müssen alle Personen, die nicht in die GKV kommen können oder Leistungen im Krankheitsfall von einem Dritten (Sozialhilfeträger) erhalten, zum Basistarif aufgenommen werden. So ergibt es sich aus dem Gesetzeswortlaut. Die privaten Krankenversicherungen sträuben sich allerdings gerne dagegen. Wir haben inzwischen in einem Fall, in dem wir eine Hilfeempfängerin in die private Krankenkasse "rein"geklagt haben, vor dem Landgericht Regensburg Recht bekommen.

Was sind mögliche Folgen, wenn ein Versicherter seine Beiträge nicht mehr zahlt bzw. nicht mehr zahlen kann?

AOK: Sind Mitglieder mit einem Betrag in Höhe von Beitragsanteilen für zwei Monate rückständig und wurden diese Beträge trotz Mahnung nicht bezahlt, ruhen die Leistungsansprüche des Mitglieds. Vom Leistungsruhen ausgeschlossen sind Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten und Leistungen zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände sowie bei Schwangerschaft und Mutterschaft. Das Ruhen endet, wenn alle rückständigen Beiträge gezahlt worden sind, eine wirksame Ratenzahlungsvereinbarung getroffen wurde, oder wenn der Versicherte hilfebedürftig nach den Regelungen des SGB II oder des SGB XII wird.

HUK: Es besteht kein ordentliches Kündigungsrecht mehr. Der Versicherte wird auf Leistungen nur in Notfällen sowie für Schwangerschaft und Entbindung "umgestellt".

Wie sollte sich der Hausarzt verhalten, wenn ein nicht Krankenversicherter in die Praxis kommt und seine Hilfe benötigt?

AOK: Sofern ein Nicht-Versicherter unter die Regelungen des § 264 SGB V fällt und er im Auftrag des Leistungsträgers (Sozialamt, BVG etc.) von einer Krankenkasse betreut wird, verfügt er wie jeder "normale" Versicherte über eine "Versicherten"-Karte. Der Vertragsarzt ist verpflichtet, diese Karte mindestens einmal im Quartal einzulesen. Der Bundesmantelvertrag Ärzte regelt, was zu tun ist, wenn keine Karte vorgelegt werden kann: Der Vertragsarzt darf von einem Versicherten eine Vergütung nur fordern

  • wenn die Elektronische Gesundheitskarte vor der ersten Inanspruchnahme im Quartal nicht vorgelegt worden ist bzw. kein anderer gültiger Behandlungsausweis vorliegt und nicht binnen zehn Tagen nach der ersten Inanspruchnahme nachgereicht wird;
  • wenn und soweit der Versicherte vor Beginn der Behandlung ausdrücklich verlangt, auf eigene Kosten behandelt zu werden, und dieses dem Vertragsarzt schriftlich bestätigt;
  • wenn für Leistungen, die nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung sind, vorher die schriftliche Zustimmung des Versicherten eingeholt und dieser auf die Pflicht zur Übernahme der Kosten hingewiesen wurde.

Im Umkehrschluss soll der Arzt also vom Patienten die Vergütung direkt verlangen. Diese Aussagen beziehen sich auf den Status des Arztes als Vertragsarzt = "Kassenarzt". In der ärztlichen Berufsordnung existieren Regelungen, wonach ein Arzt zumindest eine Notfallbehandlung sicher nicht verweigern kann. Das hat aber nichts mit Sozialversicherung, Krankenkasse oder sonstigen Kostenträgern zu tun.

HUK: Der Arzt muss im Rahmen seiner berufsständischen Verpflichtung die Behandlung durchführen und sich um Aufwandsersatz kümmern.

Amt für Soziales:Der Arzt sollte den Patienten fragen, ob er schon einmal krankenversichert war und wenn ja, wo. Dann sollte der Patient aufgefordert werden, sich auch bei dieser Krankenkasse wieder anzumelden. Personen, die nicht in die GKV können, müssen sich ein privates Versicherungsunternehmen suchen, bei dem sie in den Basistarif aufgenommen werden. Bei Unklarheiten hat der Arzt immer die Möglichkeit, sich beim zuständigen Sozialamt zu informieren. (mi)

Wir bedanken uns für die Auskünfte bei Michael Bernatek, Pressereferent der AOK, bei Stefan Eichhorn, Pressestelle HUK-Coburg, sowie bei Ernst Tesar, Leiter Amt für Soziales, Regensburg

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (20) Seite 26-28
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.