Abrechnungs-Tipp Der Hausarzt als Geriater – eine seltene Spezies

Praxisführung Autor: Gerhard Bawidamann

In allen Artikeln, die ich bisher zum Thema der neuen Geria-

trieziffern gelesen habe, wird unterschieden in Hausärzte und Geriater, wenn es um die Abrechnung dieser Ziffern geht. Für beide Gruppen sind verschiedene EBM-Ziffern vorgesehen. Wie verhält es sich aber, wenn der Hausarzt selbst die Fachkunde "Geriatrie" besitzt?

Diese Frage ist berechtigt. Eine explizite Ausführung dazu konnte ich bisher nirgends finden; wahrscheinlich, weil der Kreis von Hausärzten, die diese speziellen Geriatrieziffern (30 981 – Abklärung vor der Durchführung des weiterführenden geriatrischen Assessments durch den Geriater, 30 984 – weiterführendes Geriatrisches Assessment, 30 985 und 30 986 – Zeitzuschläge) abrechnen können, sehr überschaubar sein dürfte. Mir ist auch in meiner weiteren Umgebung kein Hausarzt bekannt, der die Voraussetzungen hierfür besitzt.

Hohe Hürden vor der Zusatzbezeichnung

Es genügt hier nicht eine Fachkunde (auch nicht im Rahmen der beispielweise von der Bayerischen Landesärztekammer durchgeführten Wochenendkurse). Es wird die Zusatzbezeichnung Geriatrie gefordert, die 18 Monate Tätigkeit bei einem weiterbildungsberechtigten Geriater (in der Regel in der Klinik) voraussetzt. Auch andere Zugänge (zum Beispiel übergangsweise die Fachkunde "Klinische Geriatrie") sind mit hohen Hürden versehen, die ein niedergelassener Hausarzt nach Aufnahme seiner Tätigkeit kaum mehr überwinden kann.

Sollte künftig ein Kollege nach dem Erwerb der Zusatzbezeichnung Geriatrie (oder anderer adäquater Voraussetzungen) als Hausarzt tätig werden, wäre entsprechend der Leistungslegenden folgendes Abrechnungsmodell denkbar:

Der Hausarzt führt ein Geriatrisches Basisassessment nach 03 360 durch (laut Legende Voraussetzung für das weiterführende Geriatrische Assessment). Da er mit sich selbst keine Abklärung über die Notwendigkeit dieses weiterführenden Assessments führen kann, entfallen natürlich die Ziffern 30 980 und 30 981. Er könnte dann das weiterführende Assessment nach der Ziffer 30 984 (gegebenenfalls mit den Zeitzuschlägen 30 985 und 30 986) durchführen, wozu er ja auf Grund seiner Qualifikation berechtigt ist. Die Ziffer 30 988 (Zuschlag für die Umsetzung der vom Geriater vorgeschlagenen Maßnahmen nach dem weiterführenden Assessment) kommt vom Sinn her eher nicht in Frage, da es in diesem Fall ja seine eigenen Vorschläge sind, die er umsetzt.

Dieses Vorgehen erscheint logisch und nachvollziehbar, da es ja kontraproduktiv für einen Hausarzt wäre, seine eigenen Patienten zu einem Kollegen zu schicken, um dort Leistungen erbringen zu lassen, für die er selber qualifiziert ist.

Klarstellung durch die KV erforderlich

Bei der Abrechnung könnte es aber ein Problem geben: Die allgemeinen Bestimmungen am Beginn des Kapitels 30.13 EBM schreiben in

Punkt 3 vor, dass dieses weiterführende Assessment nach 30 984 nur berechnet werden kann, wenn hierfür eine Überweisung des Hausarztes und die Vorabklärung nach den Ziffern 30 980 und 30 981 erfolgt ist.

Das strikte Beharren auf diesen Text durch die KV würde einen Hausarzt, der gleichzeitig Geriater ist, daran hindern, seine Qualifikation für eigene Patienten in Anwendung zu bringen. Hier müsste eine Klarstellung durch die KV baldmöglichst erfolgen, spätestens wenn der erste Hausarzt über diese Qualifikation verfügt.


Autor:
Facharzt für Allgemeinmedizin
93 152 Nittendorf

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (15) Seite 76
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.