Praxisgemeinschaft Drum prüfe, wer sich locker bindet

Praxisführung Autor: T. Münnch

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Vertragsärzte, die in Form einer Praxisgemeinschaft kooperieren, sollten sorgfältig auf die Trennung ihrer Patientenstämme achten. Anderenfalls könnte es zu Honorarkürzungen durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) kommen.

Betroffen von derartigen Honorarkürzungen war jetzt eine Hausärztin aus Hessen. Sie hatte sich mit einem Kollegen zu einer Praxisgemeinschaft zusammengeschlossen. Die Kassenärztliche Vereinigung (KV) prüfte ihre Abrechnungen aus acht Quartalen und stellte fest, dass ein Anteil von 21 % bis 28 % ihrer Patienten auch in der Praxis ihres Kollegen behandelt wurde. Die KV forderte daraufhin pro Quartal zwischen rund 1 500 Euro und knapp 2 700 Euro an Honorar zurück.

Auf die Klage der Ärztin hin hob das Sozialgericht Marburg die Honorarrückforderungen zwar auf, aber nur, weil im Bescheid die konkreten Honorarkürzungshöhen nicht ordnungsgemäß berechnet waren. Die grundsätzliche Berechtigung zur Honorarkürzung zog das Gericht dagegen nicht in Zweifel (Urteil vom 2.7.2014, Aktenzeichen S 12 KA 483/13).

Auf die Eigenständigkeit kommt es an

Das Urteil stützte sich auf eine seit langem bestehende und auch höchstrichterlich abgesegnete Rechtsprechung, die auf folgenden Überlegungen basiert:

Unter einer Praxisgemeinschaft versteht man die gemeinsame Nutzung von Personal, Geräten und Praxisräumen, also der Infrastruktur. Im Übrigen bleibt die Eigenständigkeit der zusammengeschlossenen Praxen unberührt, so dass jede Praxis ihren eigenen Patientenstamm betreut.

Demzufolge wird auch gegenüber der KV getrennt abgerechnet. Vertragsärzte müssen diese Form der Zusammenarbeit nach § 33 Abs. 1 der Ärzte-Zulassungsverordnung (Ärzte-ZV) bei ihrer KV anzeigen.

Eine BAG bedarf der Genehmigung durch den Zulassungsausschuss

Anders liegt es bei einer Berufsausübungsgemeinschaft (früher: Gemeinschaftspraxis). Ihr Betrieb bedarf der vorherigen Genehmigung durch den Zulassungsausschuss (§ 33 Abs. 3 Ärzte-ZV).

Der Grund für die unterschiedlichen Formalien liegt darin, dass die Berufsausübungsgemeinschaft über die gemeinsame Nutzung der Infrastruktur hinausgeht, indem sie auch auf die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit, also auf die gemeinsame Behandlung von Kassenpatienten, gerichtet ist.

Immer dann, wenn Ärzte Patienten gemeinsam behandeln und in der Folge die gemeinsame Behandlung auch gemeinsam gegenüber der KV abrechnen, muss vorher vom Zulassungsausschuss geprüft werden, ob die von den Ärzten vereinbarten Regeln der Zusammenarbeit (festgelegt im Gesellschaftsvertrag) mit den vertragsarztrechtlichen Vorgaben übereinstimmen.

Praxisgemeinschaft als ungenehmigte BAG berechtigt die KV zur

Honorarkürzung

Zum Problem wird die Unterscheidung dann, wenn die Praxisgemeinschaft faktisch als Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) betrieben wird. Da es an einer Genehmigung für die faktisch betriebene BAG fehlt, handeln die beteiligten Vertragsärzte pflichtwidrig. Sie täuschen die Praxisgemeinschaft nur vor, arbeiten aber tatsächlich in der Form einer Berufsausübungsgemeinschaft.

Wird durch das Vortäuschen Honorar erlangt, welches bei legalem Betrieb der BAG nicht hätte erlangt werden können – man denke hier nur an die Versichertenpauschale, die in einer Berufsausübungsgemeinschaft nur einmal pro Quartal, in einer Praxisgemeinschaft aber von jedem Arzt beim ersten persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt abgerechnet werden darf –, darf die KV das Honorar der beteiligten Praxen insoweit kürzen.

Wann ist eine Praxisgemeinschaft "vorgetäuscht"?

Von einer vorgetäuschten Praxisgemeinschaft geht die KV dann aus, wenn die Quote der von den zusammengeschlossenen Praxen gemeinsam behandelten Patienten 20 % übersteigt. Sofern in der Praxisgemeinschaft fachverschiedene Ärzte zusammengeschlossen sind, liegt die zulässige Quote bei 30 %.

Die Zahlen stammen aus einer Richtlinie, die gemeinsam von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Krankenkassen bereits 2004 verabschiedet wurde. Die Richtlinie geht davon aus, dass derartig hohe Quoten nur dann entstehen können, wenn die Ärzte der Praxisgemeinschaft auf den Patientenfluss organisatorisch in einer Weise Einfluss nehmen, die für die Organisation der gemeinsamen Patientenbehandlung in einer Berufsausübungsgemeinschaft typisch ist.

Nur ein Hausarzt für jeden Patienten

Das Urteil des Sozialgerichts Marburg spiegelt die Rechtslage zutreffend wider, enthält aber darüber hinaus eine Besonderheit. Die hohe Quote gemeinsamer Patienten hatte die Ärztin mit dem Argument zu rechtfertigen versucht, in den Praxisräumen könne aufgrund mangelnder Größe immer nur ein Arzt arbeiten. Dadurch sei es zu abwechselnden Anwesenheitszeiten an den Vor- und Nachmittagen und damit gelegentlich zu einem Arztwechsel von Patienten gekommen.

Mit dieser Argumentation verfestigte die Ärztin jedoch ihre von vornherein nicht besonders erfolgversprechende Position nur. Denn ein Vertragsarzt – so das Gericht – sei aufgrund seiner durch die Zulassung begründeten Teilnahmepflicht gehalten, Sprechstunden in einem Umfang anzubieten, in dem er seine Patienten das gesamte Quartal hindurch behandeln kann und diese nicht genötigt werden, einen anderen Arzt aufzusuchen.

Dies gelte besonders für Hausärzte, denn das gesetzliche Hausarztkonzept schließe schon begrifflich das Nebeneinander von zwei Hausärzten aus (vergleiche § 73 Abs. 3 Satz 2 Sozialgesetzbuch V, wonach der Versicherte einen Hausarzt – und nicht mehrere – zu wählen hat).

Fazit

Ein Hausarzt in einer Praxisgemeinschaft sollte einen neuen Patienten zunächst danach fragen, ob er in diesem Quartal bereits einen Hausarzt gewählt hat. Ist das der Fall, muss die Behandlung abgelehnt und der Patient auf die bereits begonnene Behandlung des Kollegen verwiesen werden. Etwas anderes gilt nur im Not- oder im Vertretungsfall, das heißt, wenn die Verweisung auf den Kollegen den Gesundheitszustand des Patienten mehr als nur unerheblich verschlechtern würde. Wer so etwas im Streit mit der KV vortragen möchte, sollte es durch eine ausführliche und schlüssige Dokumentation beweisen können.


Autor:
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
Dierks + Bohle Rechtsanwälte
www.db-law.de

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (1) Seite 50-52
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.