Finanztipp: Vererben Ehegattentestamentauf den Prüfstand stellen

Praxisführung Autor: Quelle: WWS Mönchengladbach

© bluedesign - Fotolia

Viele Ehepartner verfassen ihren letzten Willen gemeinschaftlich als "Berliner Testament". Dabei lauern allerdings erhebliche rechtliche und steuerliche Tücken, welche sogar die Existenzgrundlage gefährden können. Was zu beachten ist und wie Eheleute vorgehen sollten.

Ehegattentestamente können zu bösen Überraschungen führen, ja den gemeinsamen Besitz als Existenzgrundlage in Gefahr bringen. Denn viele Ehegatten entscheiden sich für das sogenannte "Berliner Testament", bei dem das Vermögen im Sterbefall uneingeschränkt auf den Partner übergeht. Das Problem: Schnell kommt es zu unerwarteten Pflichtteilsansprüchen der Kinder oder zu einer kostspieligen Doppelbesteuerung. Eheleute sollten daher regelmäßig ihr gemeinschaftliches Testament überprüfen und gegebenenfalls anpassen.

Der Einfluss der Familiensituation

Ein Ehegattentestament will gut überlegt sein. "Jede Familiensituation erfordert individuell abgestimmte Regelungen", rät Dr. Stephanie Thomas, Rechtsanwältin und Steuerberaterin der Wirtschaftskanzlei WWS aus Mönchengladbach. "Je höher und vielfältiger die Vermögenswerte sind, desto mehr erb- und steuerrechtliche Aspekte sind zu bedenken." Zumal ein Ehegattentestament bindend ist: Werden nach dem Tod des Erstverstorbenen Konstruktionsfehler offenbar, kann der Partner die gemeinsamen testamentarischen Verfügungen oft nicht umfassend ändern und an seine neuen Lebensumstände anpassen. Leicht übersehen Eheleute beim Berliner Testament auch, dass sie damit ihre Nachkommen zunächst enterben. Kinder können dann ihren Pflichtteil einfordern, was den überlebenden Ehegatten in große finanzielle Schwierigkeiten bringen kann. "Häufig muss der zurückgebliebene Ehepartner die gemeinsame Immobilie verkaufen, um den Pflichtteil auszahlen zu können", warnt Dr. Thomas. Um dies zu vermeiden, sollte das Testament grundsätzlich eine sogenannte Pflichtteilsklausel enthalten. Sie macht es für die Kinder unattraktiv, den Pflichtteil zu beanspruchen. Denn andernfalls erhalten sie nach dem Ableben des zweiten Ehepartners vom gesamten Nachlass ebenfalls nur den Pflichtteil.

Konfliktträchtig in der Familie ist auch, wenn der überlebende Ehegatte wieder heiratet. Manchmal befürchten Kinder dann, dass der angeheiratete Partner beim Ableben des Elternteils seinen Anspruch auf den Pflichtteil geltend macht. Abhilfe schafft eine Wiederverheiratungsklausel: Sie regelt, dass bei einer erneuten Verheiratung die Kinder automatisch ihren Erbteil erhalten.

Doppelbesteuerung droht

Vermögenswerte sind für Ehepartner bis zu 500 000 Euro und für Kinder bis zu 400 000 Euro steuerfrei. Auf den darüberliegenden Betrag wird Erbschaftsteuer fällig. Da bei einem Berliner Testament das Vermögen zunächst auf den anderen Ehegatten übergeht und die Kinder enterbt werden, droht eine tückische Steuerfalle: Der steuerliche Freibetrag nach dem Erstverstorbenen geht verloren. Wenn die Nachkommen nach dem Tod des zweiten Elternteils erben, erfolgt meist eine doppelte Besteuerung desselben Vermögens. Zudem besteht aufgrund der Progressionswirkung die Gefahr einer insgesamt höheren Besteuerung. Möglicher Ausweg: Ein aktuelleres Gerichtsurteil des Bundesfinanzhofs (Az. II R 47/11) bietet für Betroffene ein enormes Steuersparpotenzial. "Erben können ihren Pflichtteil und damit auch den steuerlichen Freibetrag noch nach dem Tod des zweiten Elternteils rückwirkend retten", betont Dr. Thomas. "Hierzu sollten sie sich mit ihrem steuerlichen Berater abstimmen und gegebenenfalls rechtzeitig Einspruch beim zuständigen Finanzamt einlegen."

Eheleute sollten also die Vor- und Nachteile des Berliner Testaments sorgfältig abwägen und Modifikationen sowie alternative Lösungen in Betracht ziehen. Sollen nach dem Ableben des Erstverstorbenen etwa statt dem Ehepartner die Kinder erben, lässt sich der länger lebende Ehegatte mit einem Wohn- und Nießbrauchsrecht absichern. In jedem Fall aber sollte ein Experte das Testament prüfen und den individuellen Verhältnissen anpassen.

Quelle:
WWS Wirtz, Walter, Schmitz GmbH, www.wws-gruppe.de

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (17) Seite 72
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.