Aufkauf der Praxiszulassung Eine Frage der Versorgung

Praxisführung Autor: T. Münnch

Praxen in überversorgten Planungsbereichen können künftig geschlossen werden. Das kann zum Problem für Ärzte werden, die in einem gesperrten Planungsbereich ihre Praxis abgeben wollen, zumal viele den Erlös für ihre Alterssicherung eingeplant haben dürften. Konflikte könnten sich nicht nur an der Frage entzünden, ob die Praxis nachbesetzt werden darf. Auch über die Höhe einer Entschädigung könnte es Differenzen geben.

Ärzte, die in einem gesperrten Planungsbereich ihre Praxis abgeben wollen, sehen sich seit dem 1.1.2013 einem völlig neuen Problem gegenüber. Denn vor Einleitung des altbekannten Ausschreibungsverfahrens muss zukünftig zunächst der Zulassungsausschuss entscheiden, ob die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen erforderlich ist.

Ohne Nachbesetzung heißt es Entschädigung statt Ausschreibung

Wenn die Nachbesetzung nicht erforderlich ist, findet keine Ausschreibung statt. Vielmehr ist die Kassenärztliche Vereinigung (zwingend) verpflichtet, dem Arzt eine Entschädigung in der Höhe des Verkehrswertes der Arztpraxis zu zahlen (§ 103 Absatz 3a Sozialgesetzbuch 5. Buch – SGB V). Derzeit rätseln viele Zulassungsausschüsse noch, anhand welcher Kriterien sie entscheiden sollen, ob die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes aus Versorgungsgründen erforderlich ist – oder eben auch nicht. Immerhin liegt die Praxis in einem solchen Fall in einem überversorgten Gebiet, so dass grundsätzlich genug Praxen vorhanden sind. Gleichwohl ist der bloße Hinweis auf die Zulassungssperre nicht ausreichend, um die Nachbesetzung des Vertragsarztsitzes zu verweigern. Erforderlich ist vielmehr eine praxisbezogene Betrachtung.

Spezielles Leistungsspektrum als Vorteil

Dabei dürften Praxen mit einem speziellen Leistungsspektrum im Vorteil sein. Hierzu kann die vermehrte Abrechnung der nach dem EBM besonders förderungswürdigen Einzelleistungen und Leistungskomplexe ebenso einen Anhaltspunkt liefern wie die Betreuung eines Pflegeheimes. Denkbar ist darüber hinaus, dass allein die schiere Anzahl der behandelten Patienten so hoch ist, dass eine Übernahme durch andere Praxen faktisch ausscheidet.

Einen abschließenden Kriterienkatalog enthält das Gesetz jedoch nicht. Rechtsprechung zu diesem Thema ist bislang verständlicherweise noch nicht ergangen.

Der Verkehrswert wird zur Streitfrage

Lehnt es der Zulassungsausschuss ab, einer Ausschreibung des Vertragsarztsitzes zuzustimmen, so schließt sich die brisante Frage an, nach welchen Kriterien die Kassenärztliche Vereinigung den Verkehrswert der Praxis zu ermitteln hat. Unter Praxisgutachtern ist durchaus umstritten, welche Maßstäbe anzulegen sind. Jedenfalls dürften die Kassenärztlichen Vereinigungen ein aus ihrer Sicht nachvollziehbares Interesse daran haben, zu niedrigen Verkehrswerten zu gelangen.

Die Frage des Verkehrswertes hat schon in der Vergangenheit eine gewisse Rolle gespielt. Hatten sich nämlich auf eine ausgeschriebene Praxis mehrere Ärzte beworben, schieden diejenigen von vornherein aus dem Auswahlverfahren aus, die nicht bereit waren, den Verkehrswert der Praxis zu bezahlen. Die in diesem Zusammenhang ausgetragenen Rechtsstreitigkeiten zeigen freilich eine enorme Bandbreite an Bewertungsergebnissen.

Beim Bundessozialgericht landete ein Fall, in dem eine psychotherapeutische Praxis von einem Gutachter auf rund 56 000 Euro und von einem anderen auf lediglich gut 35 000 Euro taxiert worden war. Der im Rahmen des Widerspruchsverfahrens zuständige Berufungsausschuss kam sogar nur auf knapp 3 000 Euro.

Zeitwert und Goodwill

Das Bundessozialgericht stellte fest, dass dem Gesetz eine bestimmte Verkehrswertermittlungsmethode nicht zu entnehmen sei. Es hielt aber die sogenannte modifizierte Ertragswertmethode für grundsätzlich geeignet. Danach seien alle Wirtschaftsgüter der Praxis nach ihrem Zeitwert zu bewerten. Außerdem müsse der immaterielle Wert (Goodwill) berücksichtigt werden. Dieser ermittle sich aus den durchschnittlichen Erträgen der letzten drei Jahre abzüglich der entstandenen Kosten.

Das Bundessozialgericht geht davon aus, dass auch die Einnahmen und Kosten aus privatärztlicher Tätigkeit zu berücksichtigen sind. Von diesem Rohgewinn zieht es einen kalkulatorischen Unternehmerlohn (abhängig vom bisherigen Tätigkeitsumfang des Verkäufers, maximal rund 83 000 Euro) ab, weil der persönliche Arbeitseinsatz des Verkäufers nicht mitverkauft werden könne. Den verbleibenden Betrag multipliziert es mit der Zahl der Jahre, die für einen Praxisneuaufbau benötigt werden (in der Regel zwei Jahre). Schließlich zinst es das Ergebnis mittels eines risikoadjustierten Rentenbarwertfaktors auf den Auszahlungstag ab (Urteil vom 14.12.2011, Aktenzeichen B 6 KA 39/10 R).

Argumente sammeln und wesentlich mehr Zeit einplanen

Derzeit lässt sich nicht seriös vorhersagen, wie sich die Verwaltungspraxis bei der Ermittlung des Verkehrswertes entwickeln wird. Zwei Dinge können jedoch schon jetzt empfohlen werden: Zum einen sollten die Praxisabgeber in Zukunft wegen der nunmehr erforderlichen Entscheidung des Zulassungsausschusses deutlich mehr Zeit einplanen. Ein Zeitraum von neun Monaten dürfte dabei eher die Untergrenze darstellen. Zum anderen sollte der Praxisabgeber bereits mit seinem Antrag beim Zulassungsausschuss möglichst viele Argumente vorbringen, die die Fortführung seiner Praxis aus Versorgungsgründen zwingend notwendig erscheinen lassen.

Kommt es gleichwohl zu einer Ablehnung des Ausschreibungsantrags, sollten der Kassenärztlichen Vereinigung die notwendigen Unterlagen zur sachgerechten Verkehrswertermittlung möglichst rasch übergeben werden – gegebenenfalls aufbereitet durch ein eigenes Sachverständigengutachten.▪

Kontakt
Torsten Münnch
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
Dierks + Bohle Rechtsanwälte
Berlin

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (6) Seite 30-31
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.