Ärztemangel Eine Studiengangsreform als Lösungsansatz?

Praxisführung Autor: Maren Kosak

Der Mangel an Fachkräften ist ein wachsendes Problem im deutschen Gesundheitswesen. Gerade in der hausärztlichen Versorgung zeichnet sich ab, dass es für viele aus dem Berufsleben ausscheidende Ärzte keinen Nachwuchs gibt. Eine Studienreform, welche Studenten früher an die Allgemeinmedizin heranführt, könnte zur Lösung des Problems beitragen.

Einige Studien sprechen von bis zu 165 000 fehlenden Ärzten und 786 000 fehlenden Fachkräften beim nichtärztlichen Personal [1]. Besonders ausgeprägt ist der Mangel an Hausärzten, vor allem im ländlichen Bereich. Hochrechnungen zeigen, dass bis zum Jahr 2030 voraussichtlich ca. 42 % der Arztstellen unbesetzt bleiben werden, wobei im Krankenhaus ungefähr jeder dritte Arzt fehlen wird, im ländlichen Bereich hingegen jede zweite Arztstelle unbesetzt bleiben wird [2]. Außerdem ist bei der Betrachtung der Versorgungsdichte zu beachten, dass im Jahr 2013 bereits 29,7 % aller berufstätigen Allgemeinärzte 60 Jahre oder älter waren. 50 Jahre oder älter waren sogar 37,0 % der berufstätigen Allgemeinärzte [3]. Diese Zahlen müssen bei den Prognosen bezüglich des Nachwuchsbedarfes Berücksichtigung finden, da die oben genannten Ärzte in den kommenden Jahren aus dem Berufsleben ausscheiden werden. So gehen Prognosen davon aus, dass sich für den ambulanten Sektor bis zum Jahr 2020 ein Ersatzbedarf in Höhe von 51 774 Ärzten ergibt [4].

Stärkung im Studium

Ein solch hoher Bedarf kann nur mit nachhaltigen Lösungen zur Stärkung der Allgemeinmedizin gedeckt werden. Stipendien für Medizinstudierende, welche sich mehr oder weniger stark verpflichten, Allgemeinärzte zu werden, oder die Einrichtung von Lehrstühlen der Allgemeinmedizin reichen alleine nicht aus, um junge Mediziner zur Niederlassung – womöglich gar in strukturschwachen Regionen – zu bewegen.

Als motivationsfördernd für eine Niederlassung als Allgemeinmediziner gilt der frühe Kontakt der Medizinstudenten mit der Tätigkeit in einer Allgemeinpraxis, wobei hier durchgängige Curricula gefordert werden. Dafür ist ein Ausbau der akademischen Disziplin Allgemeinmedizin zwingend notwendig. Die Allgemeinmedizin braucht eine akademische Heimat, welche sich allein im Kontext der bisherigen medizinischen Fakultäten nicht finden lässt [5]. Vor allem in Zeiten, da auch die Krankenhäuser händeringend nach Nachwuchs suchen, muss die Allgemeinmedizin gegenüber den anderen Fachrichtungen an Attraktivität gewinnen. Ein solcher Attraktivitätszugewinn soll mit der im Folgenden dargestellten Studiengangsreform erreicht werden.

Drei Schritte zur Allgemeinmedizin

Das reformierte Studium wäre in drei Abschnitte unterteilt:

Abschnitt 1: In den Semestern 1 bis 3 könnten nun zunächst deutlich mehr Studenten für ein Studium zugelassen werden, da die ressourcenintensiven Kurse wie zum Beispiel der Präparationskurs erst ab dem 4. Semester stattfinden. In diesem Abschnitt sollen auch betriebswirtschaftliche und rechtliche Grundlagen unterrichtet werden. Der Abschnitt endet mit einer Eignungsprüfung für die Fortführung des Studienganges Humanmedizin.

Abschnitt 2: Wer die Eignungsprüfung nicht besteht, kann in weiteren 3 Semestern einen Bachelorabschluss erreichen, welcher für medizinische Assistenzberufe wie zum Beispiel Case-Manager o. ä. qualifiziert. Die Absolventen bleiben somit dem Gesundheitswesen als qualifizierte Arbeitskräfte erhalten. Wird man nach der Eignungsprüfung für das weitere Medizinstudium zugelassen, so werden in den Semestern 4 bis 6 die weiteren Grundlagen und vor allen Dingen die ressourcenintensiven praktischen Kurse angeboten. Abgeschlossen wird analog zum bestehenden Modellstudiengang nach dem 6. Semester mit dem ersten Abschnitt der ärztlichen Prüfung. Praktika und Famulaturen, welche während des Studiums schon bisher absolviert werden mussten, bleiben weiterhin in unveränderter Form bestehen.

Abschnitt 3: Das 7. Semester vermittelt erneut allgemeine Inhalte. Ab dem 8. Semester würde nun allerdings eine Spezialisierung stattfinden, bei der die Studenten aus den Vertiefungsrichtungen konservative Medizin, operative Medizin und Allgemeinmedizin wählen können. Im Bereich Allgemeinmedizin würden nun zusätzlich zu den medizinischen Inhalten auch Praxismanagement, betriebswirtschaftliche Fächer und Abrechnung unterrichtet, so dass die angehenden Hausärzte besser auf ihre Praxistätigkeit vorbereitet werden.

Das Praktische Jahr bleibt mit den Pflicht-Tertialen Innere Medizin und Chirurgie bestehen. Studierende der Vertiefungsrichtung Allgemeinmedizin müssen ihr drittes Tertial in der Allgemeinmedizin absolvieren. Das abschließende Staatsexamen wird je nach Vertiefungsrichtung mit unterschiedlichen Inhalten absolviert. Eine Verkürzung des Studiums wird hierdurch nicht erreicht, wohl aber eine Verkürzung der Facharztausbildung: Im Anschluss an den erfolgreich absolvierten zweiten Abschnitt der ärztlichen Prüfung mit der Vertiefungsrichtung Allgemeinmedizin kann nun eine Facharztausbildung Allgemeinmedizin in nur 3 Jahren abgeschlossen werden.

Eine Facharztausbildung in den anderen Bereichen ist mit passender Vertiefungsrichtung in 4 bis 5 Jahren (je nach Facharzt) möglich. Möchte der Student einen Facharzt erreichen, welcher nicht seiner Vertiefungsrichtung entspricht, so verlängert sich die Facharztausbildung auf 6 bis 7 Jahre, ausgeschlossen ist ein solcher Wechsel jedoch nicht.

Der reformierte Studiengang würde also nicht nur eine bessere Vorbereitung für angehende Allgemeinärzte bilden, sondern auch mit einer deutlich reduzierten Gesamtausbildungsdauer locken, die um bis zu 4 Jahre und im Durchschnitt immer noch 2 Jahre kürzer wäre. Ein weiterer Vorteil ist, dass Förderungsmaßnahmen wie zum Beispiel Stipendien gezielter eingesetzt werden könnten. Außerdem könnte die Ausbildung durch Spezifizierung der Studienplätze bereits deutlich früher bedarfsgerecht gesteuert werden.

Dr. med. Maren Kosak
Literatur
1) Ostwald, D. et al: Fachkräftemangel – Stationärer und ambulanter Bereich bis zum Jahr 2030. PricewaterhouseCoopers AG, Frankfurt, 2010, S. 36
2) Ostwald, D. et al: Fachkräftemangel – Stationärer und ambulanter Bereich bis zum Jahr 2030. PricewaterhouseCoopers AG, Frankfurt, 2010, S. 10
3) Sachverständigenrat zu Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen: Bedarfsgerechte Versorgung – Perspektiven für ländliche Regionen und ausgewählte Leistungsbereiche, Gutachten 2014, S. 385f.
4) Kopetsch, T.: Dem deutschen Gesundheitswesen gehen die Ärzte aus! Studie zur Altersstruktur- und Arztzahlenentwicklung,. 5. Auflage, Bundesärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung, Berlin, 2010, S. 49
5) Schmacke, N.: Die Zukunft der Allgemeinmedizin in Deutschland. IPP-Schriften 11/2013, Bremen, S. 61

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (14) Seite 66-67
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Abb.: So könnte ein reformiertes Medizinstudium gegliedert sein Abb.: So könnte ein reformiertes Medizinstudium gegliedert sein