GOÄ-Tipps Fremdanamnese bei Kindern

Praxisführung Autor: Gerhard Bawidamann

Im Kollegenkreis wurde neulich debattiert, ob die GOÄ-Ziffer 4 bei Kindern angesetzt werden kann. Die Meinungen waren hier völlig konträr – ich persönlich habe die Ziffer 4 immer bei Kindern angesetzt und noch nie Probleme bekommen. Welche Regeln gelten hier?

ANTWORT: Für den Kollegen gilt natürlich (wie allgemein in der Abrechnung nach GOÄ): Wo kein Kläger, da kein Richter. Begleicht der Patient seine Rechnung und bekommt er diese von seiner Versicherung ersetzt, wird es natürlich auch keine Probleme für den Kollegen geben. Dennoch sollte man dem Grundsatz treu bleiben, dass der seriöse Hausarzt zwar erschöpfend abrechnet (also das, was geleistet wurde, auch honoriert wird), nicht aber eine Abrechnungsmaximierung erzwingt.

Unscharfe Formulierung der "Fremdanamnese"

Ein Problem bei der GOÄ-Ziffer 4 bleibt die (in der GOÄ nicht unübliche) unscharfe Formulierung "Erhebung der Fremdanamnese über einen Kranken und/oder Unterweisung und Führung der Bezugsperson(en) in Zusammenhang mit der Behandlung eines Kranken" – so lautet die Legende. Die Bundesregierung (welche ja die GOÄ zu verantworten hat) sah sich bemüßigt, zur Erklärung und als Beispiel für die Anwendung der Ziffer 4 behinderte Kinder oder bewusstseinsgestörte Patienten anzuführen. Dadurch wurde die Hürde sehr hoch gehängt.

Während es bei dementen Personen klar erscheint, dass ein Arzt sich (gerade auch beim akut angeforderten Besuch) bei Angehörigen oder sonstigen Bezugspersonen (etwa bei Pflegern im Heim) über Vorgeschichte und Umstände der Erkrankung erkundigt, ist dies bei Kleinkindern keine ungewöhnliche Leistung, sondern die Regel.

Ich persönlich setze bei "normal kranken" Kindern (z. B. bei akutem fieberhaftem Infekt) diese Leistung nicht an, wohl aber bei Vorliegen einer komplexen Vorgeschichte oder einer Erkrankung, die ein längeres Befragen der Bezugsperson notwendig macht. Bei pflegebedürftigen, kognitiv eingeschränkten Erwachsenen zu Hause oder im Heim (oder durchaus auch in der Praxis) dürfte eine solche Fremdanamnese häufiger notwendig werden.

Neben der Fremdanamnese zählt auch die Anleitung

Sodann ist nicht zu vergessen, dass nicht nur die Fremdanamnese, sondern auch die Anleitung der Bezugsperson Inhalt der Leistung sein kann. Hier kann auch beim Kind eine längere Anleitung erforderlich sein (Vorgehen bei unklaren Bauchschmerzen, Modalitäten der Wiedervorstellung), welche die Abrechnung der Ziffer 4 ermöglicht. Selbstverständlich ist die kurze Anweisung, abends ein Fieberzäpfchen zu schieben, nicht mit dieser Anleitung gemeint und rechtfertigt nicht den Ansatz der Ziffer 4.

Weiterhin ist zu erwähnen, dass die Ziffer 4 nur 1 x im Behandlungsfall ansetzbar ist, auch wenn mehrere Anamnese- oder Anleitungsgespräche stattfinden, gegebenenfalls auch mit mehreren Personen. Sollte diese Fremdanamnese zur Unzeit stattfinden, sind die Zuschläge A bis D daneben möglich.

Neuer Behandlungsfall, neuer Ansatz

Nicht vergessen werden darf in diesem Zusammenhang, dass bei Auftreten eines neuen Behandlungsfalles (also einer anderen Diagnose) die Ziffer 4 erneut angesetzt werden kann. Beispielsweise wurde am 21. Juni die Ziffer 4 angesetzt, weil der Hausarzt wegen anhaltender Durchfälle und schlechtem AZ zu einem Patienten in ein Heim gerufen wurde. Am 28. Juni erfolgte eine erneute Besuchsanforderung wegen eines neu aufgetretenen Dekubitus. Für die erneute Behandlungsplanung und Anleitung kann hier erneut die Ziffer 4 angesetzt werden. Die Rechnung sollte zur Ziffer 4 den Hinweis enthalten: "Neuer Behandlungsfall Dekubitus", um Rückfragen oder Probleme mit der Erstattung zu vermeiden.▪


Autor:
Facharzt für Allgemeinmedizin
93 152 Nittendorf

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (13) Seite 64-65
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.