Neue Geriatrieziffern Hausärzte weitgehend ausgeschlossen

Praxisführung Autor: Gerhard Bawidamann

Ab 1. Juli wird dem EBM ein eigenes, kompliziertes und schwer verständlich formuliertes Kapitel mit der Bezeichnung 30.13 beigefügt: die "spezialisierte geriatrische Diagnostik und Versorgung". Ziel ist die bessere und flächendeckende Versorgung geriatrischer Patienten. Der Hausarzt ist darin jedoch nur eine Randfigur.

Fallbeispiel

Der Hausarzt stellt bei einem über 70-jährigen Patienten, der in Pflegestufe II eingruppiert wurde, im Rahmen des geriatrischen Basis-
Assessments (Ziffer 03 360) Schwindel mit Fallneigung (beispielsweise beim Tandemstand) fest. Er setzt sich mit einem spezialisierten Geriater in Verbindung und klärt mit ihm die Voraussetzungen für ein weiterführendes geriatrisches Assessment ab. Für diesen (auch telefonisch möglichen) Kontakt setzt er die Ziffer 30 980 an.


Der Spezialist rechnet die 30 981 ab. Das bei obigem Kontakt vereinbarte spezialisierte Assessment dauert 165 Minuten. Deshalb rechnet der Geriater neben dem spezialisierten Assessment (30 981) zweimal den ersten Zeitzuschlag 30 985 ab (für den Zeitraum zweier vollendeter 30 Minuten) und einmal den Zuschlag 30 986 für weitere vollendete 30 Minuten. Die letzten 15 Minuten des Assessments können nicht mehr abgerechnet werden, da sich keine weiteren vollendeten 30 Minuten mehr ergaben. Mithin gibt der Geriater also zur Abrechnung die Ziffern 30 981 - 2x30 985 - 30 986 in die EDV ein.


Der Hausarzt setzt im Anschluss daran die von dem Geriater empfohlenen Maßnahmen um und kann dafür die Ziffer 30 988 abrechnen. Findet diese Aktion im 3. Quartal 2016 statt, können all diese Leistungen erst im 3. Quartal 2017 erneut angesetzt werden.

Der Hausarzt ist nämlich gemeint mit den "Ärzten gemäß Präambel 3.1 Nr. 1 EBM", denen nur 2 Ziffern aus diesem Kapitel zur Abrechnung übrig bleiben: die
30 980 (Abklärung vor der Durchführung eines weiterführenden Assessments nach Ziffer
30 984 mit 194 Punkten) und die Ziffer 30 988 (für die Einleitung und Koordination von Therapiemaßnahmen nach Durchführung eines "weiterführenden Assessments nach Ziffer 30 984" mit 65 Punkten).

Assessment durch "spezialisierte Geriater"

Nur nach Überweisung aus dem hausärztlichen Bereich kann ein "spezialisierter Geriater" (definiert als Facharzt für Innere Medizin und Geriatrie oder Internist mit Schwerpunktbezeichnung Geriatrie, Vertragsarzt mit Zusatzbezeichnung Geriatrie oder ermächtigte Geriatrische Institutsambulanzen) die spezielle Leistung nach der Ziffer 30 984 erbringen (weiterführendes geriatrisches Assessment, Mindestdauer 60 Minuten mit 882 Punkten).

Sollte dieses Assessment weitere 30 Minuten andauern (also mindestens 90 Minuten), kann die Ziffer 30 985 mit 325 Punkten abgerechnet werden. Bei weiteren 30 Minuten kann diese Ziffer noch einmal angesetzt werden (also 2x im Krankheitsfall). Dauert das Assessment weitere 30 Minuten an (also mindestens 150 Minuten), kommt dazu noch die Zuschlagsziffer 30 986 mit 234 Punkten. Auch diese kann gegebenenfalls noch ein zweites Mal abgerechnet werden. Dazu muss dieses spezielle Assessment dann aber mindestens 180 Minuten angedauert haben.

Voraussetzung für dieses spezialisierte Assessment und die gegebenenfalls nötigen Zuschlagsziffern ist, dass zuvor die Notwendigkeit dieser Leistung mit dem überweisenden Hausarzt nach der Ziffer 30 981 mit 131 Punkten abgeklärt wurde.

Die Initiative liegt beim Hausarzt

Die spezialisierte geriatrische Versorgung verläuft also auf folgendem Weg: Der Hausarzt klärt mit dem spezialisierten Geriater die Notwendigkeit der Durchführung des weiterführenden Assessments. Der Hausarzt rechnet die Ziffer 30 980 ab, der Geriater die 30 981. Der Geriater führt das weiterführende Assessment durch gemäß Ziffer 30 984 (und ggf. mit den Zeitzuschlägen 30 985 und 30 986) und schickt den Patienten mit Empfehlungen für die weitere Therapie zurück zum Hausarzt. Dieser führt die Betreuung des Patienten gemäß den geriatrischen Empfehlungen weiter und berechnet hierfür die Ziffer 30 988.

Alle diese genannten Ziffern (außer den Zuschlägen 30 985 und 30 986 bei langdauerndem spezialisiertem Assessment) sind einmal im Krankheitsfall abzurechnen, also einmal in einem Zeitraum von 4 Quartalen (nicht gleichbedeutend mit einem Kalenderjahr!). Das weiterführende geriatrische Assessment nebst den Zeitzuschlägen kann ausnahmsweise und mit Begründung 2x im Krankheitsfall angesetzt werden. Voraussetzung all dieser Leistungen ist die Durchführung des geriatrischen Basis-Assessments nach der Ziffer 03 360, das nicht länger als 1 Quartal vor diesen Leistungen zurückliegen darf.

Beschränkter Patientenkreis

Allerdings sind alle Leistungen dieses neuen Kapitels (Abschnitt 30.13 EBM ) für die spezialisierte geriatrische Versorgung auf einen definierten Personenkreis beschränkt, welcher aufgrund der Schwere, Art und Komplexität seiner Erkrankung einen besonderen Versorgungsbedarf hat. Diese Patienten müssen das 70. Lebensjahr vollendet (also ihren 70. Geburtstag gefeiert) haben sowie mindestens zwei geriatrische Symptome aufweisen (Mobilitätsstörung einschließlich Fallneigung und Schwindel, Inkontinenz oder ein therapierefraktäres chronisches Schmerzsyndrom). Liegt allerdings eine Pflegestufe vor, genügt auch eines dieser Symptome.


Autor:
Facharzt für Allgemeinmedizin
93 152 Nittendorf

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (11) Seite 68-69
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.