Hygiene Infektiöser Brechdurchfall

Praxisführung Autor: G.-C. Zinn

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Durch Noroviren verursachte Gastroenteritiden mit Durchfall und Erbrechen stellen für Patienten und Praxispersonal gleichermaßen ein nicht zu unterschätzendes Infektionsrisiko dar. Um Ansteckungen mit diesen Erregern zu verhindern, sind Hygienemaßnahmen schnellstmöglich einzuleiten. Welche dies sind und was sonst im Umgang mit Noroviren zu beachten ist, wird im folgenden Beitrag dargestellt.

Humanpathogene Noroviren sind die häufigsten Erreger von Gastroenteritiden, die umgangssprachlich auch als Magen-Darm-Grippe oder Brechdurchfall bezeichnet werden. Infektionen mit diesen Viren sind im Zunehmen begriffen. Waren es im Jahre 2005 noch 33 000 Fälle, die dem RKI gemeldet wurden, haben sich die Zahlen innerhalb von nur fünf Jahren mehr als vervierfacht (140 000 gemeldete Fälle im Jahr 2010).

Übertragungswege und klinisches Erscheinungsbild

Die Übertragung der Noroviren erfolgt auf fäkal-oralem Weg oder auch aerogen durch virushaltige Aerosole beim Erbrechen. Ausbrüche gehen oftmals von kontaminierten Speisen oder Getränken aus. Aufgrund der hohen Umweltresistenz spielen auch mit diesen Viren behaftete Gegenstände wie Spielzeuge (z. B. in Kindergärten, aber auch in Arztpraxen) eine wichtige Rolle, die nicht übersehen werden sollte. Die Inkubationszeit ist mit ein bis drei Tagen sehr kurz. Die Ansteckungsfähigkeit besteht während der akuten Erkrankung sowie meist noch zwei (manchmal bis zu sieben) Tage nach Abklingen der Symptome. In Einzelfällen werden die Viren von symptomfreien Trägern über Wochen im Stuhl ausgeschieden.

Die Erkrankung beginnt abrupt mit starken Durchfällen und heftigem Erbrechen. Eine erhebliche Störung des Elektrolyt- und Wasserhaushaltes kann daraus resultieren, die insbesondere bei Kleinkindern oder älteren Patienten Komplikationen verursachen kann. Darüber hinaus besteht ein ausgeprägtes Krankheitsgefühl mit Bauchschmerzen, oftmals auch Myalgien und Kopfschmerzen. Fieber tritt selten auf, jedoch ist eine Temperaturerhöhung durchaus möglich.

Die Dauer der akuten Beschwerden beträgt in der Regel 12 bis 72 Stunden. Leichtere oder gar asymptomatische Verläufe sind möglich. Die Erkrankung ist selbstlimitierend; chronische Verlaufsformen sind nicht bekannt. Die Therapie erfolgt symptomatisch, vorrangig ist die Korrektur des Elektrolyt- und Wasserverlustes. Spezifische Virostatika stehen derzeit nicht zur Verfügung. Die Immunität nach durchgemachter Infektion ist lediglich von kurzer Dauer.

Diagnostik

Für den Nachweis von Noroviren im Stuhl stehen in der Routinediagnostik zwei Nachweismethoden zur Verfügung:

  1. der molekulare Nachweis viraler RNA mittels Nukleinsäureamplifikation (RT-PCR) und
  2. der Antigennachweis (Enzymimmunoassay/EIA).

Der RNA-Nachweis gilt als Goldstandard und ist den Antigennachweisen in jeder Hinsicht überlegen.

Sofort mit Hygienemaßnahmen beginnen

Eine spezifische Prophylaxe steht nicht zur Verfügung. Bereits bei ersten Hinweisen auf Brechdurchfall oder bei Verdacht auf eine Norovirus-bedingte Infektion sollten zur Verbreitungsverhütung sofort hygienische Maßnahmen ergriffen werden. Praxismitarbeiter mit akuter Symptomatik haben ein Tätigkeitsverbot und müssen die Arbeit sofort unterbrechen. Erst 48 Stunden nach Sistieren der Symptome darf die Arbeit in der Praxis wieder aufgenommen werden. Wer ungeschützten Kontakt mit Stuhl oder Erbrochenem eines Erkrankten hatte, sollte für die Dauer der Inkubationszeit und in den folgenden zwei Wochen peinlich genau auf die Umsetzung der geforderten sorgfältigen Händehygiene (Desinfektion nach Toilettengang und vor Zubereitung von Speisen) achten. Für ambulante Eingriffe stellt eine beginnende Infektion oder der Verdacht auf eine Noroviruserkrankung eine absolute Kontraindikation dar.

Händedesinfektion: Eine Intensivierung der Händehygiene ist erfahrungsgemäß von entscheidender Bedeutung, um die Infektionsketten zu unterbrechen. Ein gegen Viren wirksames Desinfektionsmittel muss in ausreichender Menge in die trockenen Hände gegeben und gründlich über mindestens eine Minute (Herstellerangaben beachten!) verrieben werden. Auch diese verlängerte Einwirkzeit kann bei direktem Kontakt mit Erbrochenem oder Faeces wegen der dort vorhandenen hohen Viruslast ungenügend sein. Daher sollten Handschuhe beim Umgang mit erkrankten bzw. verdächtigen Patienten großzügig eingesetzt werden. Diese müssen allerdings sofort nach Beendigung der jeweiligen Tätigkeit ausgezogen und sicher entsorgt werden. Eine zusätzliche Händedesinfektion ist nach Ablegen der Handschuhe obligat.

Schutzkleidung: Bei Kontakt mit Patienten, die Krankheitssymptome zeigen, sind ein geschlossener Schutzkittel und Einmalhandschuhe zu tragen. Bei Patienten mit Erbrechen oder Kontakt mit Erbrochenem ist zusätzlich ein Mund-Nasen-Schutz (chirurgische Maske) notwendig.

Flächendesinfektion: Diese umfasst patientennahe Flächen, Toiletten, auch Personaltoiletten und ist zusätzlich Bestandteil der Schlussdesinfektion. Die Anwendungskonzentration des Flächendesinfektionsmittels richtet sich nach den Angaben des Herstellers für Polio- bzw. Adenoviren. Abfälle sollten im geschlossenen Müllsack über den Hausmüllcontainer entsorgt werden.

Empfehlungen für Patienten und Angehörige

  • Nach jedem Stuhlgang oder Erbrechen müssen die Hände gründlich gewaschen werden (nach Möglichkeit noch in der Toilette).
  • Erkrankte sollen den Kontakt mit anderen Familienangehörigen so gering wie möglich halten und für die Dauer der Erkrankung) möglichst eine eigene, separate Toilette benutzen.
  • Das Geschirr kann normal gereinigt werden; erkrankte Haushaltsmitglieder dürfen keine Speisen für andere zubereiten.
  • Mit Stuhl oder Erbrochenem verschmutzte Oberflächen müssen sofort gründlich gereinigt und desinfiziert werden.
  • Kleidung und Wäsche kann normal gewaschen bzw. gereinigt werden.▪

 

Meldepflicht

Nach § 7 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) ist der Nachweis der akuten Infektion namentlich meldepflichtig. Nach § 42 IfSG besteht neben der Meldepflicht auch ein Tätigkeitsverbot für an Noroviren erkrankte Mitarbeiter aus Lebensmittel verarbeitenden Bereichen. Laut § 6 ist ein Ausbruch (Häufung) von Norovirusfällen in der Praxis unverzüglich innerhalb von 24 Stunden zu melden.


Autor:
Facharzt für Kinderheilkunde/Hygiene und Umweltmedizin
Ärztl. Qualitätsmanagement
Infektiologie (DGI)
Leiter des ZHI der Bioscientia
55218 Ingelheim/Rhein

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (5) Seite 34-35
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.