Juristische Fallen beim Impfen: Aufklärung und Einwilligung
Eine 15-Jährige kommt mit ihrer Freundin in die Praxis und möchte gegen HPV geimpft werden. Ihre Eltern sollen davon aber nichts wissen. Das Mädchen macht einen aufgeweckten Eindruck, hat sich bereits schlaugemacht und versteht Ihre Informationen rund um die Impfung.
Eine 15-Jährige ohne das Wissen der Eltern impfen?
In solch einem Fall dürfen Sie auch ohne Einwilligung der Eltern die Immunisierung vornehmen, erklärte Dr. Rudolf Ratzel von der Arbeitsgemeinschaft Medizinrecht in München. Denn auch nicht volljährige Jugendliche können einwilligungsfähig sein, wobei ihre verstandesmäßige Reife entscheidend ist. Von dieser müssen Sie sich überzeugen und Ihre Erkenntnisse sorgsam dokumentieren.
Haben Sie jedoch Zweifel an der Einwilligungsfähigkeit, dürfen Sie auch eine 17-Jährige nicht ohne Einverständnis der Eltern impfen. Die Faustregel, dass ein Jugendlicher ab dem Alter von 16 Jahren einwilligungsfähig ist, gilt nicht, betonte der Jurist.
Eine 13-Jährige in Begleitung der Großmutter impfen?
Ein zweiter Fall: Eine 13-Jährige will gegen HPV geimpft werden. Sie kommt in Begleitung ihrer Großmutter in die Praxis, die den Wunsch der Enkelin unterstützt. Bei solchen Voraussetzungen ist kaum von einer wirksamen Einwilligung auszugehen. Zum einen kann man bei einer 13-Jährigen noch nicht von der geforderten verstandesmäßigen Reife ausgehen, zum anderen ist die Großmutter in den allermeisten Fällen nicht erziehungsberechtigt.
Eine 15-Jährige gegen den Willen der Mutter impfen?
Ein dritter Fall, wiederum eine 15-jährige, kognitiv reife Patientin, die geimpft werden möchte. Sie wird von ihrer Mutter begleitet, die die Immunisierung strikt ablehnt und auch nicht von ihrem Nutzen zu überzeugen ist. Sie dürfen das junge Mädchen auch gegen den Willen der Mutter impfen, selbst wenn diese die ganze Praxis zusammenschreit, so Dr. Ratzel. Er riet, die Mutter unterschreiben zu lassen, dass sie eine Maßnahme, die dem Schutz ihrer Tochter dient, tatsächlich ablehnt.
Aufklärung und STIKO-Empfehlungen sind oft entscheidend
Die Rechtsprechung ist – gerade was das Impfen angeht – sehr arztfreundlich, erklärte Dr. Ratzel. Voraussetzung ist allerdings, dass sich der Arzt an die STIKO-Empfehlungen hält – diese sind als nationaler Standard anerkannt – und dass er die Erfordernisse der Aufklärung berücksichtigt. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist grundsätzlich auch über sehr seltene Risiken aufzuklären, wenn diese für die Impfung spezifisch sind, erinnerte Dr. Ratzel.
Neue Impf-Aufklärung: Mündliche Aufklärung und schriftliche Ergänzungen
Viel geübte Praxis war bisher, Patienten bzw. ihre Eltern anhand schriftlicher Informationen über die Impfung aufzuklären und nur für Nachfragen persönlich zur Verfügung zu stehen. Auch wenn der Impfling auf die persönliche Beratung verzichtete, galt die gegebene Einwilligung als wirksam. Durch ein BGH-Urteil aus dem Jahr 2000 war diese Vorgehensweise gedeckt.
Nach Inkrafttreten des Patientenrechtegesetzes im Februar 2013 könnte sich das jedoch ändern. § 630e Abs. 2 Nr. 1 BGB schreibt die mündliche Aufklärung – auch beim Impfen – verpflichtend vor und lässt schriftliche Unterlagen nur als Ergänzung zu. Außerdem fordert das Gesetz, dass der Impfling bzw. seine Eltern Kopien von den unterzeichneten Aufklärungs- und Einwilligungsdokumenten erhalten.
Quelle: 3. Nationale Impfkonferenz