Praxiswert Kalkulatorischer Arztlohn ist wichtige Kennzahl

Praxisführung Autor: W. Enzmann

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Wieviel ist meine Praxis wert? Diese Frage stellt sich jeder Praxisinhaber

irgendwann – spätestens beim Verkauf oder bei der Übergabe der Praxis an einen Nachfolger.

Der Wert einer ärztlichen Praxis kann nach verschiedenen Methoden berechnet werden. Dabei setzen sich immer mehr ertragswertorientierte Bewertungsmethoden durch. Im Jahr 2008 hatte die Bundesärztekammer ihre „Richtlinie zur Bewertung von Arztpraxen“ – die sogenannte Ärztekammermethode – novelliert. Diese Methode ist bei der Bewertung von Arztpraxen weit verbreitet und wird auch von der Finanzverwaltung anerkannt. Wie alle Bewertungsmethoden hat sie jedoch ihre Vor- und Nachteile.

Substanzwert kann leicht bestimmt werden

Der Wert einer Praxis setzt sich dabei aus dem „Substanzwert“ (materieller Praxiswert) und dem „ideellen Wert“ (immaterieller Praxiswert) zusammen. Der materielle Praxiswert lässt sich relativ einfach bestimmen. Ausgehend von den im Anlageverzeichnis der Arztpraxis aufgeführten Wirtschaftsgütern, z. B. der Praxiseinrichtung einschließlich der medizinisch-technischen Geräte, der Büroausstattung, der EDV, des vorhandenen medizinischen Materials sowie des Praxis- und Sprechstundenbedarfs wird der aktuelle Marktwert dieser Wirtschaftsgüter ermittelt. Soll das Praxisgrundstück mitveräußert werden und wurden Ein- oder Umbauten getätigt, so sind auch diese zu bewerten.

Ideeller Wert hängt von vielen Faktoren ab

Schwieriger ist es, den ideellen Wert („Goodwill“) der Praxis zu bestimmen. Darunter versteht man die Chance, eine eingeführte Arztpraxis mit ihrem Patientenstamm wirtschaftlich erfolgreich fortzuführen. Hierbei spielen der Standort, die Organisation der Praxis, die Fachrichtung, die Anzahl der Patienten und die Leistungsfähigkeit der Praxis und des Personals eine wesentliche Rolle. Von besonderer Bedeutung ist die über Jahre entstandene Vertrauensbeziehung zwischen dem Praxisinhaber und seinen Patienten. Der ideelle Praxiswert ist somit nachhaltig von der Person des Praxisinhabers geprägt. Nach der Ärztekammermethode soll der ideelle Wert der ärztlichen Praxis stärker ertragswertorientiert und zukunftsbezogen ermittelt werden, und zwar so:

  • Übertragbarer Umsatz – übertragbare Kosten = übertragbarer Gewinn.
  • Übertragbarer Gewinn – alternatives Arztgehalt = nachhaltig erzielbarer Gewinn.
  • Nachhaltig erzielbarer Gewinn × Prognosemultiplikator = ideeller Wert (Goodwill).

Der übertragbare Gewinn ermittelt sich als Saldo aus dem übertragbaren Umsatz und den übertragbaren Kosten. Um den übertragbaren Umsatz zu ermitteln, wird vom durchschnittlichen Jahresumsatz der letzten drei Kalenderjahre ausgegangen. Dieser wird um nicht übertragbare Umsatzanteile bereinigt, d. h. um Leistungen, die personengebunden dem Praxisinhaber zuzurechnen sind wie Gutachter- oder Belegarzttätigkeiten. Auch bei den übertragbaren Kosten wird von den durchschnittlichen Praxiskosten der letzten drei Kalenderjahre ausgegangen. Diese werden um nicht übertragbare Kosten, kalkulatorische Kosten (das sind solche, denen kein direkt anfallender Aufwand gegenübersteht, etwa die anzunehmende Verzinsung beim Einsatz von Eigenkapital oder Miete und Pacht für selbst genutzte Gebäude und Grundstücke) und künftig entstehende Kosten korrigiert. Als alternatives Arztgehalt sind, abhängig vom übertragbaren Umsatz, maximal 76 000 Euro abziehbar. Als Prognosemultiplikator wird bei einer Einzelpraxis meist von der Zahl 2 als der Anzahl der Jahre ausgegangen, in denen eine Patientenbindung fortwirkt.

Ermittelter Goodwill ist nicht immer realistisch

Gerade bei kalkulatorischen Kosten wie Abschreibungen und Finanzierungskosten ist oftmals strittig, ob diese tatsächlich nicht berücksichtigt werden dürfen. Am kritischsten bei der Ermittlung des Goodwill nach der Ärztekammermethode ist jedoch vermutlich der Ansatz eines alternativen Arztgehaltes. Kalkulatorisch abzusetzen ist das Bruttogehalt aus einer fachärztlichen Tätigkeit. Als Ausgangswert 2008 wurden 76 000 Euro angesetzt, wobei künftige tarifliche Anpassungen berücksichtigt werden sollten. Bisher hat es jedoch keine Änderung der Bewertungshinweise gegeben, obwohl es sich schon bei den 76 000 Euro um ein Bruttogehalt ohne zusätzlichen Arbeitgeberanteil zur Sozialversicherung gehandelt hat. Der kalkulatorische Arztlohn, der als Berechnungsgrundlage für die Vergütung eines Arztes herangezogen wird, der 51 Wochenstunden GKV-Patienten behandelt, wurde dagegen bereits 2008 auf 105 000 Euro festgelegt. Er orientiert sich am Jahresgehalt eines Oberarztes. Die KBV strebt in den diesjährigen Honorarverhandlungen mit den Krankenkassen eine Anhebung des kalkulatorischen Arztgehaltes an, da das durchschnittliche Jahresgehalt eines Oberarztes inzwischen bei 133 000 Euro liege. Insoweit besteht auch bei der Ärztekammermethode hinsichtlich des alternativen Arztgehaltes bei der Ermittlung des Goodwill einer Praxis erheblicher Anpassungsbedarf.

Fazit

Den „richtigen“ Praxiswert gibt es nicht. Jede Bewertungsmethode hat Vor- und Nachteile. Es ist daher oftmals sinnvoll, den Praxiswert nach mehreren Methoden zu berechnen, um so das Spektrum eines realistischen Werts besser eingrenzen zu können. Welcher Wert realistisch ist bzw. erwartet wird, hängt aber auch vom Betrachter ab. Ein Veräußerer wird in aller Regel einen hohen Praxiswert anstreben, er muss dann aber auch mit einer höheren steuerlichen Belastung rechnen. Ein Erwerber will zwar eine gut eingeführte und ertragreiche Praxis erwerben, sie muss aber für ihn auch finanzierbar bleiben.


Autor:
Werner Enzmann (Quelle: ETL Steuerberatungsgesellschaft, Berlin)

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (18) Seite 80-81
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.