Neues Urteil Keine Substitution – oder doch?

Praxisführung Autor: ETL Advision Steuerberatungsgesellschaft, Berlin

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Setzt der Arzt in einer Verordnung das Aut-idem-Kreuz, dann darf der Apotheker das Medikament nicht austauschen. Auch wenn ein Rabattvertrag besteht, muss er das vom Arzt verschriebene und mit Pharmazentralnummer (PZN) gekennzeichnete Medikament abgeben. Das soll auch für Re-Importe gelten.

Nach Auffassung der Koblenzer Sozialrichter gilt dies nicht nur für Originalarzneimittel, sondern auch für mit PZN verordnete Reimporte (Az. S 13 KR 379/13). Bisher spielte das Aut-idem-Kreuz bei Reimporten keine Rolle. Da der Reimport zwar über eine eigene Zulassung verfügt, sich jedoch auf das Original bezieht, wurden die Medikamente aus Sicht der Krankenkassen als dasselbe Arzneimittel wie das Originalmedikament angesehen. Die Folge war: Es wurde sub-stituiert. Denn wenn ein Apotheker bei einem im Aut-idem-Feld mit PZN angegebenen Reimport nicht das rabattierte Original abgab, wurde er seitens der Krankenkassen retaxiert und blieb auf den Kosten ganz oder teilweise sitzen.

Therapiehoheit des Arztes

Der Spitzenverband der Krankenkassen hat über das Urteil informiert und dabei betont, dass die Therapiehoheit des Arztes ein hohes Gut sei. Macht der Arzt durch Ankreuzen des Aut-idem-Feldes deutlich, dass er ein bestimmtes Arzneimittel verordnun will, besteht kein Spielraum für den Apotheker – weder für das Originalmedikament noch für Reimporte, denn die Verordnungs- und Therapiehoheit liegt letztlich beim behandelnden Arzt. Der Apotheker darf nicht substituieren, wenn ein Arzt ein detailliert beschriebenes (Import-)Medikament unter Ankreuzung des Aut-idem-Feldes verordnet, und die Krankenkassen dürfen dann auch nicht mehr retaxieren.

Widersprüchliche Kassen-Aussagen

Doch ganz so klar und eindeutig ist das Ganze dann doch nicht. Zwar hat sich der GKV-Spitzenverband mit seinem Informationsschreiben der Auffassung der Koblenzer Sozialrichter angeschlossen. Dennoch besteht keine rechtliche Sicherheit. Einzelne Krankenkassen betonen, dass es sich bei der Entscheidung des Sozialgerichts Koblenz nur um eine Einzelentscheidung ohne rechtsverbindlichen Charakter handele, zumal das Urteil inzwischen rechtskräftig ist und keine Revision eingelegt wurde. Damit habe sich keine höhere Instanz mit dieser weitreichenden Fragestellung befassen können. Daher muss weiterhin mit Retaxierungen gerechnet werden, wenn ein Apotheker ein mit Aut-idem-Kreuz verordnetes Reimportmedikament statt des rabattierten Medikaments abgibt. Anders äußert sich die AOK Baden-Württemberg. Diese sichert den Apotheken Regressfreiheit zu, bis eine eindeutige Klärung zwischen den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Apotheker erzielt wurde. Bis dahin drohen Retaxierungen, ganz gleich, was der Apotheker macht. Es besteht also bei Reimporten mit Aut-idem-Kreuz sowohl bei Substitution (Festhalten an der bisherigen Praxis, bei verordneten Reimporten ein rabattiertes Originalprodukt abzugeben) als auch bei Abgabe des Reimports (Umsetzung des Urteils des Sozialgerichts Koblenz als Verstoß gegen die Substitutionspflicht) die Gefahr, dass eine Krankenkasse retaxiert. Es bleibt zu hoffen, dass diese Rechtsunsicherheit bald beseitigt wird und Krankenkassen bis dahin auf Regresse verzichten.

Quelle: ETL Advision Steuerberatungsgesellschaft, Berlin

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (15) Seite 69
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