Fragliche Atherosklerose Lebenslang Statine geben?

Autor: K. G. Parhofer

Eine 36-jährige Frau leidet unter plötzlichem Schwindel beim Aufstehen und Übelkeit, was sich durch Hinlegen rasch bessert. Die intensive neurologische Abklärung hat letztendlich keine eindeutige Ursache für den Schwankschwindel erbracht. Allerdings waren im CT und im MRT zwei kleine, ältere, ischämische Herde (einmal im Kleinhirn, einmal in den Stammganglien) aufgefallen. An kardiovaskulären Risikofaktoren bestehen bei der Patientin eine geringe, arterielle Hypertonie (erstdiagnostiziert) sowie eine fraglich positive Familienanamnese („Herzkrankheit“ bei der Mutter). Lipidprofil: Gesamtchol. 231 mg/dl, HDL 84 mg/dl, LDL 122 mg/dl. Entlassungsmedikation: ASS 100, Metoprolol 47,5, Simvastatin 20. Profitiert die Patientin bei dieser Lipidkonstellation von einer lebenslangen Statingabe?

Antwort: Zunächst muss festgehalten werden, dass die oben beschriebenen Befunde vermutlich in keinem Zusammenhang zu der Symptomatik der Patientin stehen.

Kernfrage ist, ob die älteren Herde im Kleinhirn bzw. in einem der Stammganglien als KHK-Äquivalent zu sehen sind. Ist dies der Fall, dann müsste selbstverständlich eine entsprechende Sekundärprävention mit einem Statin durchgeführt werden. Ziel wäre dann, den LDL-Cholesterinspiegel auf zumindest < 100 mg/dl abzusenken. Für diese Annahme sprechen die fraglich positive Familienanamnese sowie das Fehlen einer anderen plausiblen Erklärung für die Läsionen.

Allerdings gibt es auch gute Gründe, nicht von einem KHK-Äquivalent auszugehen. Es ergibt sich kein Hinweis auf das Vorliegen atherosklerotischer Veränderungen an einem Gefäßsystem, die Familienanamnese ist mit „Herzkrankheit“ sehr vage und auch das übrige Risikoprofil der Patientin spricht gegen das Vorliegen einer Atheroskleroseerkrankung.

Schließt man jedoch die Atherosklerose als Ursache für die beiden ischämischen Areale aus, stellt sich erneut die Frage nach der Genese der Läsionen.

Eine eindeutige Empfehlung kann hier nicht gegeben werden. Zunächst sollte bei der Patientin ein Lipoprotein(a)-Spiegel bestimmt werden. Ist dieser erhöht, würde ich die Statintherapie fortsetzen. Ist dieser im Normbereich, würde ich die Statintherapie beenden, insbesondere wenn auch die weitere Abklärung eine andere Genese der Läsionen ergibt.

Kontakt
Prof. Dr. med. Klaus G. Parhofer
Medizinische Klinik II – Großhadern
Klinikum der Universität München
81377 München

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2012; 34 (8) Seite 56
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.