Externe Laborleistungen Nicht an Patienten weiterreichen!

Praxisführung Autor: Philip Schelling

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Nach Vorwürfen, die Staatsanwaltschaft Augsburg habe im „Schottdorf-Verfahren“ die Strafverfolgung von Laborärzten und Einsendern verjähren lassen, kommt die Abrechnungspraxis bei extern erbrachten Speziallaborleistungen wieder gezielt auf den Prüfstand. Es zeichnet sich ab, dass mittelfristig bundesweit Laborärzte und Einsender ins Visier der Ermittlungsbehörden kommen. Auch IGeL-Abrechnungen sind betroffen.

Fakt ist: Die Weiterberechnung von extern erbrachten Speziallaborleistungen gegenüber Patienten stellt nicht nur einen Verstoß gegen die Vorschriften der GOÄ dar, sondern kann nach einem Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25.01.2012 auch den Tatbestand des Betrugs erfüllen.

BGH: „Gewerbsmäßiger Betrug“

Im Zentrum des Verfahrens stand die Abrechnungspraxis eines Allgemeinarztes, der von einem Labor Leistungen der Klassen M III und M IV bezog und dafür an das Labor nach GOÄ auf der Grundlage eines 0,32- oder 1,0-fachen Steigerungssatzes bezahlte. Gegenüber seinen Patienten ließ er über eine Abrechnungsfirma die Analytik mit dem 1,15-fachen Satz abrechnen, ohne offenzulegen, dass jene Leistungen ein Laborarzt erbracht hatte. Der BGH sah hierin den Tatbestand des gewerbsmäßigen Betruges zulasten der Patienten verwirklicht. Er bestätigte die vom Landgericht München – auch wegen anderer Abrechnungsverstöße – ausgesprochene Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten.

Das zugrunde liegende Problem ist, dass ein Arzt nach § 4 Abs. 2 GOÄ nur eigene Leistungen abrechnen darf, also Leistungen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden. Für Untersuchungsleistungen des Laborarztes steht dem einsendenden Arzt kein eigener Honoraranspruch zu. Durch eine entsprechende Rechnungsstellung gegenüber dem Patienten wird nach Auffassung des BGH aber genau dies wahrheitswidrig behauptet.

Das Argument des betroffenen Arztes, nur die an ihn abgetretene Fremdforderung des Labors eingezogen zu haben, ist für den BGH lediglich eine Schutzbehauptung, um eine in Wahrheit gewollte umsatzabhängige Zuwendung („kickback“) zu verdecken. Der Vermögensschaden des Patienten soll darin bestehen, dass er auf eine tatsächlich nicht bestehende Forderung des Arztes bezahlt. Nach den Feststellungen des Gerichts war dem Allgemeinarzt auch bewusst, dass er sich durch Vortäuschen eines tatsächlich nicht bestehenden Zahlungsanspruchs zu Unrecht bereicherte. Er handelte dennoch (weil er nach eigenen Angaben „das Geld brauchte“) und damit mit Betrugsvorsatz.

IGeL-Abrechnungen gleichgestellt

Mit dem Urteil des BGH ist eine umstrittene Frage des privatärztlichen Gebührenrechts entschieden. Dies erklärt auch, weshalb gegen zahlreiche Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen Ermittlungsverfahren eingeleitet werden. Ausgang finden die Ermittlungen dabei meist in der Beschlagnahme von (Sammel-)Rechnungen der Labore gegenüber den Einsendern. Spiegelbildlich werden auch die beteiligten Laborärzte wegen des Verdachts der Beihilfe bzw. Anstiftung zum Betrug von den Staatsanwälten ins Visier genommen.

Bei Abrechnungen, welche zeitlich vor dem Beschluss des BGH vom 25.01.2012 liegen, wird der beschuldigte Arzt noch einwenden können, er habe sich (aufgrund der „unklaren Rechtslage“) in einem sog. Verbotsirrtum befunden. Bei Abrechnungen, welche zeitlich nach dem BGH-Beschluss liegen, bleibt ihm dieser Einwand allerdings regelmäßig versagt (selbst wenn es tatsächlich vom Zufall abhängen wird, ob er vom Beschluss des BGH – z. B. durch entsprechende Berichte in medizinischen Fachzeitschriften – Kenntnis erlangt hat und hierauf durch Umstellen seiner Abrechnungspraxis sofort reagieren konnte). Die Erfahrung zeigt außerdem, dass die Staatsanwaltschaft IGeL-Abrechnungen den Privatabrechnungen gleichstellt.

Auch als Service unzulässig

Strafrechtlich höchst riskant sind Konstruktionen, bei denen der einsendende Arzt mit der Abrechnung einer nicht selbst erbrachten Speziallaborleistung finanzielle Vorteile erlangt. Aber auch der Arzt, der seinen Patienten als Service lediglich zusätzliche Korrespondenz mit dem beauftragten Labor ersparen will und deshalb ohne eigenen finanziellen Vorteil die Laborleistungen zusammen („huckepack“) mit den eigenen Leistungen liquidiert, verstößt gegen die Vorschriften der GOÄ und setzt sich damit Strafbarkeitsrisiken aus.

Die fremde Laborleistung wird natürlich auch nicht dadurch zur eigenen, dass der Briefkopf des Fremdlabors auf den Befundberichten einfach weggeknickt und stattdessen der Briefkopf der eigenen Praxis hineinkopiert wird, um damit den Eindruck zu erwecken, man habe die Laboruntersuchung persönlich durchgeführt (vgl. BGH, Beschluss vom 26.02.2003, Az. 2 StT 411/02). Für den Fall, dass eine Abrechnung der Speziallaborleistungen gegenüber dem Patienten organisatorisch unumgänglich ist (z.B. im Falle der Behandlung von ausländischen Patienten aus dem arabischen Raum, welche nach der Behandlung wieder abreisen und deshalb die Arztrechnung unmittelbar nach der ärztlichen Konsultation zu bezahlen haben), empfiehlt sich folgendes Vorgehen: Der Patient wird vor Bezahlung darüber aufgeklärt, dass die vom ärztlichen Honorar mitumfassten Speziallaborleistungen von extern erbracht worden sind (womit § 4, Abs. 5 GOÄ Rechnung getragen wird). Diesen Hinweis sollte man zu Beweiszwecken auch dokumentieren bzw. sich per Unterschrift der Patienten bestätigen lassen.

Keine Zuwendungen annehmen!

Ein weiterer Aspekt, der im aktuellen BGH-Beschluss nur am Rande Erwähnung findet, ist bei der Zusammenarbeit mit Laborärzten grundsätzlich zu beachten: Erhält der Arzt vom Laborarzt für Einsendungen Prämienzahlungen oder andere Zuwendungen (z. B. versteckt in einer Vergütung für angeblich erbrachte Beratungs- oder Konsiliarleistungen oder für tatsächlich nicht angefallene Sach- und Unkostenpauschalen), stellt dies einen Verstoß gegen § 31 der Berufsordnung dar. Danach ist es Ärzten nicht gestattet, sich für die Zuweisung von Untersuchungsmaterial Entgelt oder andere Vorteile versprechen oder gewähren zu lassen.

Wird der Verstoß aufgedeckt, drohen empfindliche berufsrechtliche Sanktionen (z. B. Geldbuße bis zu 50 000 Euro). Um Missverständnissen vorzubeugen, muss andererseits darauf hingewiesen werden, dass Leistungen der Klasse M II (Basislabor) weiterhin „laborgemeinschaftsfähig“ sind, also vom abrechnenden Arzt nicht persönlich erbracht werden müssen (vgl. § 4, Abs. 2, S. 1 GOÄ).

Fazit

Es zeichnet sich eine neue Welle von Ermittlungsverfahren gegen Laborärzte und einsendende Ärzte ab. Eine bedrohliche Entwicklung, denn im Falle einer Verurteilung wegen Abrechnungsbetrugs droht dem Arzt nicht nur eine Geld- oder Freiheitsstrafe, sondern auch der Entzug der Kassenzulassung und Approbation – und damit das berufliche Aus. Insgesamt ist der Arzt also gut beraten, sich bei der Einsendung von Untersuchungsmaterial an ein Labor nur von der medizinischen Indikation und nicht von sachfremden Erwägungen leiten zu lassen. Fremdlaborleistungen dürfen gegenüber Patienten keinesfalls als eigene Leistung abgerechnet werden. Umgekehrt müssen auch Laborärzte ihre Zusammenarbeit mit Ärzten überprüfen, um sich nicht dem Vorwurf der Beihilfe bzw. Anstiftung zum Betrug auszusetzen. Einsender und Laborärzte sitzen also strafrechtlich im gleichen Boot.


Autor
Fachanwalt für Medizinrecht
Ulsenheimer und Friederich Rechtsanwälte
80333 München
schelling@uls-frie.de

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (7) Seite 68-70
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.