Baden-Württemberg Palliativziffern gestrichen

Praxisführung Autor: G. Bawidamann

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Ein Hausarzt in Baden-Württemberg hadert mit der Streichung von Palliativleistungen bei seinen HzV-Patienten: „Eine Palliativbehandlung ist nicht zum Nulltarif zu haben“, schreibt Jörg M. Dinkelacker aus Aspach. „Flatrate-Denken geht nicht.“

Zwar gebe es auch Vorteile von Selektivverträgen wie weniger Bürokratie, festes Einkommen, Konzentration auf den Patienten, das VERAH-Programm, den jährlichen Checkup und die Koloskopie-Vorsorge ab 50 im HzV-Vertrag der AOK. Doch das Flatrate-Prinzip sei der Sargdeckel jeder Hausarztzentrierten Versorgung. „Eine Palliativbehandlung ist nicht zum Nulltarif zu haben. Eine Palliativtherapie erfordert Zeit, Zuwendung, Präsenz und Kompetenz. Das kostet Geld! Umgekehrt werden die Palliativleistungen von den Patienten und deren Angehörigen in Anspruch genommen und immer wieder nachgefragt. Der Wunsch, im häuslichen Umfeld zu sterben, ist sehr groß und sollte nicht unterschätzt werden. Auch in diesem Quartal habe ich Patienten, die in der HzV eingeschrieben sind und wo ich wieder aufwendige Palliativleistungen erbringe. Die Alternative in der Praxis sieht dann so aus, dass die Patienten immer wieder in Krankenhäuser eingewiesen werden ... Der Leidensweg der Patienten verlängert sich und die Ausgaben schnellen in die Höhe“, so Dinkelacker.

Kommentar von Dr. med. Gerhard Bawidamann:

Dem Kollegen wurden offensichtlich Leistungsziffern aus dem Bereich der Palliativversorgung gestrichen, die er bei in der Hausarztzentrierten Versorgung („Hausarztvertrag“) eingeschriebenen Patienten abgerechnet hatte, indem er für diese einen „Kassenschein“ angelegt und dann bei der KV zur Abrechnung eingereicht hatte.

Die Einführung spezieller palliativmedizinischer Leistungen für den Hausarzt war eine begrüßenswerte Errungenschaft im Rahmen der „Kleinen EBM-Reform“, die im 4. Quartal 2013 in Kraft trat. Im Hausarztvertrag des Bayerischen Hausärzteverbandes mit der AOK Bayern gab es zuvor bereits einen Zuschlag zum Hausbesuch, wenn dieser aus palliativmedizinischer Indikation erfolgte.

Und hier beginnt das Problem des Kollegen. Während der EBM deutschlandweit für alle KV-Bereiche gilt, werden Hausarztverträge mit Primärkassen in der jeweiligen Region (normalerweise ein Bundesland) mit der jeweils regional zuständigen Krankenkasse ausgehandelt, beispielsweise durch den Hausarztverband Baden-Württemberg und die AOK Baden-Württemberg. Und dieser baden-württembergische Hausarztvertrag, mit dem seinerzeit vertragstechnisches Neuland betreten wurde und der das Eis im Vertragswesen brach, sieht eben keine palliativmedizinischen Leistungen vor.

Da er aber wie die meisten der neuen Hausarztverträge die gesamte Versorgung des Patienten durch seinen Hausarzt (mit Ausnahme des Wochenenddienstes) beinhaltet, ist es nicht möglich, daneben andere kassenärztliche Leistungen über die KV abzurechnen, wenn dies nicht ausdrücklich im Vertrag geregelt ist. Beispiel: In Bayern beinhaltet der Hausarztvertrag nicht die Gelenksonographie. Wird diese vom Hausarzt durchgeführt, muss hierfür zur Abrechnung ein KV-Schein angelegt werden. Eine solche Regelung zur Palliativmedizin in Baden-Württemberg ist mir nicht bekannt. Somit bleibt es dabei: Für einen in der HzV mit der AOK BW eingeschriebenen Patienten können keine palliativen Leistungen über die KV parallel abgerechnet werden.

Die Aufnahme solcher Leistungen kann nur über eine Vertragsänderung erfolgen. Angesichts des Vorbildcharakters gerade dieses hausarztzentrierten Vertrages wäre es sicher lohnend, sich berufspolitisch hierfür einzusetzen.


Autor:
Facharzt für Allgemeinmedizin
93152 Nittendorf

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (17) Seite 82
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.