Podologen Rezepte gegen die Steuer?

Praxisführung Autor: W. Enzmann

Immer häufiger erbitten gesetzlich versicherte Patienten von ihrem Hausarzt ein Privatattest für die medizinische Fußpflege. Dahinter steckt nicht nur ein Steuerstreit der Podologen mit der Finanzverwaltung, sondern auch ein rechtliches Problem.

Dr. med. F. aus B. wundert sich: „In letzter Zeit werden gehäuft gesetzlich versicherte Patienten von ihrer medizinischen Fußpflege mit dem Ansinnen in meine Sprechstunde geschickt, ein ärztliches Privatattest zu besorgen, in dem bestätigt werden soll, dass eine medizinische Fußpflege aus gesundheitlichen Gründen erforderlich sei, z. B. weil die Patienten sich nicht richtig bücken und ihre Nägel selber schneiden können.“ Dabei seien die Voraussetzungen für eine GKV-Verordnung in diesen Fällen nicht erfüllt, die Fußpflege ist mithin von den Patienten selbst zu bezahlen. Wozu also der Aufwand?

Umsatzsteuer oder nicht?

Eine Ursache ist in der steuerlichen Behandlung podologischer Leistungen zu suchen. Am 31. August 2012 hatte das Bundesfinanzministerium dem Zentralverband der Podologen und Fußpfleger mitgeteilt, dass „für die Leistungen der Podologen der Regelsteuersatz zur Anwendung kommt.“ Das heißt, dass kosmetische Behandlungen durch Podologen dem „Regelsteuersatz“ von 19 % unterliegen, während Heilbehandlungen umsatzsteuerfrei bleiben. Als Kriterium für Letztere sieht der Fiskus an, dass sie aufgrund einer ärztlichen Verordnung (oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme) erbracht werden. Nur Inhaber einer sektoralen Heilpraktikererlaubnis, die selbst verordnen dürfen, sind davon ausgenommen.

Dieser Auffassung mochten sich nicht alle Podologen anschließen. Es kam zu einer gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen der Finanzverwaltung und einer podologischen Praxis, in der Patienten mit Vorerkrankungen auch ohne ärztliches Rezept behandelt wurden, wobei es sich nach Auffassung der Podologen um umsatzsteuerfreie Heilbehandlungsleistungen handelte.

Das Gericht hatte die Frage zu beurteilen, ob eine Heilbehandlung auch dann vorliegt, wenn sie der Vorbeugung von Verletzungen und Infektionen bei Risikopatienten wie zum Beispiel Diabetikern, Rheuma-, Chemotherapie- oder Dialysepatienten dient und damit einen konkreten Krankheitsbezug hat. Mit seinem Urteil vom 5. Februar 2014 befand das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht, dass „die Steuerfreiheit der streitigen podologischen Behandlungen … nicht dadurch ausgeschlossen (wird), dass diese Behandlungen nicht aufgrund einer ärztlichen Verordnung erfolgten.“ Eine ärztliche Verordnung sei nur dann notwendige Voraussetzung, wenn das Vorliegen einer Heilbehandlung nicht in anderer Weise nachgewiesen werden könne. Allerdings müsse die Heilbehandlung ein therapeutisches Ziel verfolgen. Wenn keine Erkrankung vorliegt und der Patient auch keiner Risikogruppe angehört, ist auch nicht von einer Heilbehandlung auszugehen.

In einer medizinischen Grauzone

Auch wenn die Steuerfrage damit noch nicht abschließend geklärt ist, weil die Finanzverwaltung in Revision gegangen ist, sind die Podologen mit dieser Entscheidung zunächst zufrieden: Wegen der Umsatzsteuer brauchten sie nun nicht mehr nach einem Rezept zu fragen, so der baden-württembergische Landesverband der Podologen und Fußpfleger Deutschlands auf eine Anfrage der Redaktion. Es gibt aber noch ein weiteres Problem: Ohne Verordnung, so der Verband, agieren Podologen in einer medizinischen Grauzone, weil ihnen die Ausübung der Heilkunde nur im Auftrag eines Arztes erlaubt ist – ausgenommen wiederum Podologen mit sektoraler Heilpraktikererlaubnis. Nur mit einer Verordnung, so der Verband, seien Podologen auch berufsrechtlich auf der sicheren Seite. Das sieht auch die Bayerische Landesärztekammer so und empfiehlt die Ausstellung eines Privatrezepts, was für den Arzt unproblematisch sei. Demnach werden Hausärzte wohl auch weiterhin um Fußpflege-Rezepte gebeten werden.


Werner Enzmann

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 35 (14) Seite 78
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.