Terminmanagement in der Hausarztpraxis Rinnt Ihnen die Zeit durch die Finger?

Praxisführung Autor: Nina Gatter, Andrea Becker

Kennen Sie das aus Ihrer Praxis? Es ist 18 Uhr, das Telefon klingelt, zwei Berichte und ein Arztbrief müssen noch geschrieben werden, im Wartezimmer sitzen 20 Patienten und der Hausbesuch bei Frau Meier sollte schon vor zwei Stunden stattfinden. Wenn Ihnen das bekannt vorkommt, dann haben Sie bestimmt schon häufiger über das Problem "Zeitmanagement" in Ihrer Hausarztpraxis nachgedacht. Wir möchten Ihnen ein paar Tipps geben, wie Sie die zeitlichen Abläufe in Ihrer Praxis verbessern können.

Das Terminmanagement einer Hausarztpraxis hat aufgrund der Unkalkulierbarkeit der Fälle seine besonderen Tücken. Dabei ist es gar nicht so schwer, ein paar Dinge zu ändern und den Praxisalltag zu erleichtern und besser zu strukturieren. Und eine daraus resultierende größere Patientenzufriedenheit bindet Ihre Patienten nicht nur an Ihre Praxis, sondern erhöht am Ende auch Ihren betriebswirtschaftlichen Benefit.

Welches Sprechstundenmodell ist das richtige?

In Arztpraxen wird das Terminmodell der "offenen Sprechstunde" von der "Terminsprechstunde" unterschieden. Häufig werden gemischte Modelle praktiziert. Hierbei gibt es dann ein mehr oder weniger großes festes Zeitfenster in dem täglichen Sprechstunde, in der Patienten ohne oder mit kurz vorher erfolgter telefonischer Anmeldung in die Sprechstunde kommen können. Zu anderen Zeiten gibt es dann Platz für feste, oft lange vorher vereinbarte Termine.

Offene Sprechstundenzeiten sind sehr beliebt, bergen allerdings unkalkulierbare Risiken, denn Sie können nie wissen, wie viele Patienten Sie mit welchem Aufwand behandeln müssen, und auch die Wartezeiten der einzelnen Patienten können sehr schnell sehr lang werden. Zudem kommen Akutpatienten nicht immer genau zu diesen "offenen Sprechstundenzeiten" und bringen dann die reguläre Terminsprechstunde durcheinander. Das bringt Unzufriedenheit und Stress mit sich – sowohl beim Patienten als auch beim Personal und damit auch bei Ihnen. Eine reine offene Sprechstunde ist nicht sinnvoll, denn sie bietet i.d.R. keine Möglichkeit der Einflussnahme, Sie sind Ihrem System ausgeliefert und der ganze Tag bleibt unkalkulierbar. Dagegen ist die reine Terminsprechstunde in ihrer klassischen Form oft sehr rigide und nimmt nicht immer Rücksicht auf aktuelle Krankensituationen.

Eine Praxis mit fester Terminsprechstunde, in der aber auch für die Akutpatienten feste Zeitfenster vorgesehen sind, arbeitet für Sie. Dabei müssen Sie die Planung an die Bedürfnisse Ihrer Praxis, auf Ihre MitarbeiterInnen und das Patientenverhalten anpassen. Eine Hausarztpraxis hat andere Schwerpunkte in der Terminvergabe als eine orthopädische Facharztpraxis.

Der Weg zum passenden System

Zunächst ist die Analyse der individuellen Ziele und der Praxis-Situation wichtig. Stellen Sie sich z. B. folgende Fragen:

  • Wie lang sind die Wartezeiten? Wo gibt es zeitliche Engpässe?
  • Erreichen die Patienten die Praxis zu den Sprechzeiten oder wird häufiger der Anrufbeantworter angeschaltet? Letzteres kann u. U. genauso frustrierend sein wie lange in Warteschleifen zu hängen.
  • Wie schaffen Sie es, Ihre Privatpatienten bei der Stange zu halten und trotzdem allen Patienten gleich gerecht zu werden?
  • Wie kann die Arbeitszeit der MitarbeiterInnen am besten genutzt werden, um Ressourcen und Kosten optimal zu verwalten – und wo bleibt die eigene Zufriedenheit? Welcher Ablauf erzeugt also für alle Beteiligten am wenigsten Stress?

Um die für Ihre Praxis optimale Lösung zu finden, gehen Sie Schritt für Schritt vor: Lassen Sie zunächst Ihre Praxis-Software für sich arbeiten und erstellen Sie anhand der letzten paar Wochen eine Patientenliste. Finden Sie heraus, wie lang die Wartezeiten der einzelnen Patienten waren und an welchen Tagen diese besonders lang waren. Decken Sie die Stoßzeiten in Ihrer Praxis auf und analysieren Sie, welche Krankheitsbilder wie viel Zeit benötigen. Listen Sie all jene Abläufe auf, mit denen Sie und Ihre MitarbeiterInnen besonders unzufrieden sind, um diese dann Punkt für Punkt zu besprechen und zu optimieren.

Wie zufrieden sind Ihre Patienten?

Auch die Meinung der Patienten mit einzubeziehen, kann sehr aufschlussreich sein. Erstellen Sie einen Feedbackbogen für Ihre Patienten. Vorlagen, die Sie auf Ihre persönlichen Bedürfnisse bzw. Praxisgegebenheiten anpassen können, finden Sie z. B. in den Unterlagen Ihres QM-Systems. Sie können diesen Fragebogen für einige Wochen von jedem Patienten im Wartezimmer ausfüllen lassen, so haben Sie garantierten Rücklauf.

Nehmen Sie sich die Zeit, einen Einblick in die Wahrnehmung Ihrer Praxis und der täglichen Abläufe durch Ihre Patienten zu erhalten. Das ist sehr wichtig, denn es sind Ihre "Kunden". Diese sollen zufrieden sein und gerne zu Ihnen kommen, sich gut aufgehoben und wertgeschätzt fühlen. Besprechen Sie nach diesen Analysen die Ergebnisse gemeinsam mit Ihrem Praxisteam und überlegen Sie sich, was Sie ändern möchten und können.

Weiterführende Tipps

Planen Sie feste Zeiten für Verwaltungsarbeiten ein und delegieren Sie die Arbeiten nach Möglichkeit. Vereinbaren Sie auch für Telefongespräche feste Termine, nutzen Sie hierfür aber auch Leerlaufzeiten. Und überlegen Sie, die Praxis mittags für maximal eine Stunde zu schließen. Ihre MitarbeiterInnen können abwechselnd Pause machen und eine Stunde Mittagspause ist ausreichend. Vielleicht ist es ja auch eine Überlegung wert, früher mit den Sprechzeiten anzufangen und früher wieder aufzuhören.

Konkrete Praxis- und Anwendungstipps

Terminart

Legen Sie Zeiten fest, in denen elektive Termine und Akuttermine angeboten werden. Passen Sie daraufhin Ihren Terminkalender mit den entsprechenden Zeitfenstern an, eventuell farbig markiert. Das kann beispielsweise ein bestimmtes Zeitfenster am Ende jeder Zeitstunde sein, in dem Sie drei Akutpatienten, z. B. für jeweils fünf Minuten, behandeln. Oder eine Stunde am Morgen, eine am Mittag und eine am Nachmittag. Dazwischen nehmen Sie keine Termine für Akutpatienten an – akute lebensbedrohliche Notfälle selbstverständlich ausgenommen. Natürlich ist nicht alles kalkulierbar, aber mehr als Sie annehmen!

Wichtig ist, dass Ihr persönliches System nicht rigide, sondern den Praxisgegebenheiten angepasst ist. Planen Sie zum Beispiel feste Zeiten für Hausbesuche ein; an Montagen bieten Sie weniger Zeit für elektive und mehr Zeit für Akuttermine an; planen Sie in der Infektzeit ebenfalls größere Zeitfenster für Akuttermine ein.

Zeitfenster

Legen Sie nun fest, wie viel Zeit für welche Behandlungsart benötigt wird. Planen Sie realistisch, am besten gemeinsam mit Ihren MitarbeiterInnen. Wie lange brauchen Sie für einen Grippepatienten? Wie lange für einen Kontrolltermin bei Diabetes mellitus, eine Vorsorge, eine Prellung/Distorsion, ein Gespräch über eine mögliche Schilddrüsenerkrankung oder ein Angehörigengespräch bei Pflegebedürftigkeit? Für eine Impfberatung oder für die Impfung selbst?

Die einzelnen Zeitfenster sollten nicht alle gleich lang sein. Es macht keinen Sinn, für jeden Patienten die gleichen 5 oder 15 Minuten im Terminkalender einzuplanen, wenn letztlich doch 10 oder 20 Minuten benötigt werden. Ebenso wenig helfen unrealistische Einschätzungen, wie z. B. 20 Patienten in einer Stunde zu behandeln – das ist einfach nicht realisierbar. Zur besseren Einschätzung der persönlichen Zeitfenster können Sie die oben genannten Dokumentationen verwenden, um einzuschätzen, wie lange welche Behandlungen oder Tätigkeiten dauern. Darauf aufbauend kann der Terminplan dann ganz neu gestaltet werden.

Zeitpuffer

Planen Sie Zeitpuffer ein, damit echte Notfälle oder Verzögerungen den Terminplan nicht sprengen, z. B. am Ende des Vormittages oder nach drei Stunden. Überlegen Sie, welcher Zeitabschnitt hierfür realistisch ist.

Konsequenz

Nach der Analyse der benötigten Zeiten gehen Sie möglichen Störfaktoren auf den Grund. Der Akutpatient bringt doch gerne noch seinen seit langem bestehenden Reizdarm mit ins Gespräch oder den Fersensporn. Akut ist akut! Wenn Sie Ihr Zeitmanagement verbessern wollen, müssen Sie das Unkalkulierbare minimieren. Gehen Sie als gutes Beispiel voran. Informieren Sie Ihre Patienten und Ihre MitarbeiterInnen darüber, dass bei einer akuten Vorstellung auch nur das akute Problem behandelt wird, und seien Sie konsequent. Weisen Sie den Patienten freundlich darauf hin, dass für den Fersensporn und den Reizdarm ein gesonderter Gesprächstermin vereinbart werden muss, für den Sie dann genügend Zeit haben werden. Sie können diesen Hinweis auch aushängen oder Ihre MitarbeiterInnen weisen die Akutpatienten direkt bei der Anmeldung darauf hin. Auch wenn besonders diese Umstellung am Anfang große Disziplin erfordert, werden Sie merken, wie sehr Sie davon profitieren werden!

Transparenz

Informieren Sie Ihre Patienten über das neue System. Transparenz schafft Sicherheit und Vertrauen – für beide Seiten. Wer sich daran hält, profitiert von geringen Wartezeiten. Wer es boykottiert und ohne Termin kommt, muss warten. Schicken Sie niemanden weg, aber lassen Sie den Patienten freundlich wissen, dass es nun ein wenig dauert. Beim nächsten Mal wird er vorher anrufen, wenn er einmal eineinhalb Stunden gewartet hat.

Recall-System

Haben Sie noch kein Recall-System? Fangen Sie damit an, die meisten Praxis-Softwaresysteme bieten entsprechende Funktionen standardmäßig an. So können Patienten regelmäßig an Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen erinnert werden. Ungenutzte Ressourcen können so zugänglich gemacht und planbare Termine besser gesteuert werden!

Delegieren

Delegieren Sie Aufgaben an qualifizierte MitarbeiterInnen. Sie müssen nicht alles selbst machen. Mit entsprechender Fortbildung können auch MitarbeiterInnen viele Funktionen übernehmen, die über das Labor oder das Blutdruckmessen hinausgehen. Hierzu gehören z. B. Ernährungsberatung, einfache Impfberatung, Weitergabe von Laborbefunden (sofern dies vorher mit dem Patienten abgesprochen wurde), Praxis- und Personalmanagement sowie die Honorar-Abrechnung. Auch ein Teil der Anamneseerhebung kann delegiert werden. Überlegen Sie im Team, wer was macht, und investieren Sie in die Fortbildung Ihrer MitarbeiterInnen, z. B. zur VERAH oder Praxismanagerin. Das spart viel Ihrer wertvollen und kostenintensiven Zeit und ganz nebenbei steigern Sie weiterhin die Zufriedenheit Ihrer Angestellten und bestärken das Vertrauen der Patienten in die Qualität Ihrer Praxis.

MFA

Beteiligen Sie Ihre MitarbeiterInnen an den Überlegungen, diese wissen am besten, was "vorne" passiert, und können viele wertvolle Informationen für Sie liefern. Stärken Sie die Teamarbeit mit regelmäßigen Teamsitzungen.

Telefon

Überlegen Sie, ob Sie den Anrufbeantworter schon eine Stunde vor der Sprechstunde ausschalten. Dann können Akuttermine für den Tag bequem im Vorfeld, z. B. zwischen 7 Uhr und 8 Uhr morgens, vereinbart werden. Ihre Patienten werden schnell merken, dass es sich lohnt, in dieser Zeit anzurufen – denn wer zuerst kommt, mahlt zuerst. Ihre MitarbeiterInnen erhalten so mehr Planungssicherheit und am Empfang herrscht mehr Ruhe. Darüber hinaus gibt es verschiedene Möglichkeiten, ein hohes Anruferaufgebot zu bewältigen:

  • Eine Warteschleifenansage mit einer zweiten Leitung, um das Gespräch zu einer anderen Mitarbeiterin, z. B. im Labor, weiterzuleiten.
  • Ein Mobiltelefon, so dass im Zweifel auch die Mitarbeiterin in einem Raum ohne Telefonanschluss erreichbar ist. Beide Lösungen ermöglichen zudem ungestörte Patientengespräche abseits des Empfangs, um die Diskretion zu wahren.
  • Eine Anrufbeantworteransage für Stoßzeiten mit der Möglichkeit, eine Nachricht zu hinterlassen.
  • Bei großen Praxen lohnt sich ggf. ein System mit mehreren Nummern: Akuttermine, elektive Termine, Notfallnummer und Rezept-/Überweisungswünsche (dann z. B. auch mit Anrufbeantworterfunktion) und bei räumlicher Möglichkeit die Auslagerung der Telefonannahme in ein Extrazimmer, weg vom Empfang. Dabei lohnt es sich, in eine professionelle Anlage zu investieren.

Fazit

Für Ihr neues Zeitmanagement müssen Sie ein wenig Vorarbeit leisten und den Mut haben, Dinge zu verändern. Aber mit ein paar innovativen Änderungen und kleinen Umstellungen können Sie viel erreichen und haben am Ende mehr Zeit für sich selbst und Ihre Patienten. Wenn Sie es geschickt anpacken, wird sich neben der Zufriedenheit in Ihrem Team und bei Ihren Patienten insbesondere auch die betriebswirtschaftliche Situation Ihrer Praxis verbessern. Eventuell macht es dabei Sinn, solche Änderungen in Zusammenarbeit mit einem Praxiscoach zu erarbeiten. Auch wenn eine solche Beratung nicht kostenfrei ist, so amortisiert sich die Investition erfahrungsgemäß sehr schnell durch ein viel effizienteres gemeinsames Arbeiten.


Autor:
Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin, Neonatologie, Naturheilverfahren und Homöopathie, Köln

Andrea Becker
Frielingsdorf Consult GmbH, Köln

Interessenkonflikte: Der Autor hat keine deklariert.

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (9) Seite 70-72
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.