Bewertungsportale Schutz vor negativen Beurteilungen

Praxisführung Autor: Torsten Münch

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Auf der Suche nach dem "besten" Arzt greifen immer mehr Patienten auf Internet-Bewertungsportale zurück. Obwohl sich inzwischen herumgesprochen haben dürfte, dass dort eingestellte Kritiken mit Vorsicht zu genießen sind, kann die Außenwirkung einer negativen Beurteilung fatal sein. Doch Ärzte können sich wehren.

In einer Studie der Universität Erlangen-Nürnberg aus dem Jahr 2013 gaben 65 % der befragten Nutzer von Arztbewertungsportalen an, schon einmal einen Arzt aufgrund seiner Online-Bewertungen gewählt zu haben. Mit dem Älterwerden der "digital natives" wird dieser Prozentsatz sicher steigen. Die Bedeutung von Arztbewertungen für den Erfolg einer Praxis kann also gar nicht überschätzt werden. Umso dringlicher stellt sich die Frage, ob und wie gegen negative Bewertungen vorgegangen werden kann. Wie ein aktuelles Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main zeigt, stehen die Chancen des Arztes gar nicht so schlecht.

Schwierig ist allerdings ein direktes Vorgehen gegen den Verfasser der Bewertung. Meist bleibt dieser anonym und der Betreiber des Portals, der Hostprovider, darf die hinterlegten Anmeldedaten mangels datenschutzrechtlicher Ermächtigung nicht an den Arzt herausgeben (BGH-Urteil vom 01.07.2014, AZ VI ZR 345/13). Eine solche Befugnis besteht nur gegenüber den Strafverfolgungsbehörden, wenn die Bewertung einen Straftatbestand wie z. B. Beleidigung verwirklicht. Dann kann ein Arzt über seinen Anwalt durch Akteneinsicht bei den Ermittlungsbehörden an die Daten gelangen.

Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung?

Erster Ansprechpartner bleibt der Portalbetreiber. Er muss auf Löschung (im Juristendeutsch: auf Unterlassung der Verbreitung) der Bewertung in Anspruch genommen werden. Für ein gerichtliches Vorgehen gegen einen Portalbetreiber ist stets die deutsche Gerichtsbarkeit zuständig, auch wenn der Betreiber seinen Sitz im Ausland hat. Außerdem ist deutsches Recht anzuwenden. Entscheidend ist, dass die beanstandungswürdigen Inhalte einen deutlichen Bezug zum Inland haben. Das ist anzunehmen, wenn die negativen Auswirkungen einer Bewertung in Deutschland eintreten (BGH-Urteil vom 25.10.2011, AZ VI ZR 93/10). Bei Ärztebewertungsportalen in deutscher Sprache ist davon in aller Regel auszugehen.

Inhaltlich geht es um die Frage, ob die Bewertung das Persönlichkeitsrecht des Arztes verletzt. Dabei gibt es für ihn zwei Angriffspunkte. So kann der Arzt zum einen die Löschung von Schmähungen oder Beleidigungen verlangen. Diese Fälle sind aber eher selten. Häufiger ist der Fall, in dem der Arzt eine Löschung wegen falscher Tatsachenbehauptung verlangt. Dabei stellt sich zum einen das Problem der Abgrenzung von Tatsachen und Meinungen. Letztere sind vom Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit geschützt, ihre Löschung kann nicht verlangt werden. Die Abgrenzung nehmen die Gerichte anhand folgender Formel vor: Während sich Tatsachenbehauptungen auf etwas tatsächlich Geschehenes oder einen gegenwärtigen Zustand beziehen und deshalb grundsätzlich dem Beweis offen stehen, sind Meinungsäußerungen bzw. Werturteile durch Elemente der Stellungnahme und des Dafürhaltens bzw. Meinens geprägt und deshalb dem Beweis von vornherein nicht zugänglich. Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. Wichtigster Anwendungsfall: Gibt der Nutzer dem Arzt eine Note z. B. in der Art von Schulnoten, so handelt es sich um eine Meinungsäußerung (OLG München, Urteil vom 28.05.2013, AZ 25 O 9554/13).

Wenn hingegen eine Tatsachenbehauptung vorliegt, dann kommt es für den Löschungsanspruch auf ihre Unrichtigkeit an. So lag der Fall im eingangs erwähnten Urteil des Landgerichts Frankfurt/Main (Urteil vom 05.03.2015, AZ 2-03 O 188/14). Es ging um die Frage, ob der Bewerter überhaupt jemals von dem Arzt behandelt worden war. Der Arzt hatte das in Abrede gestellt. Entscheidend kam es deshalb darauf an, wer die Beweislast trägt. Muss der Provider beweisen, dass der Nutzer beim Arzt war, oder muss der Arzt beweisen, dass der Nutzer es nicht war? Von der Antwort kann der Prozessausgang abhängen, denn diejenige Prozesspartei, die einen ihr obliegenden Beweis nicht führt, verliert.

Ein Pingpong-Spiel

Nach den vom BGH entwickelten Grundsätzen ist dazu eine Art Pingpong-Spiel zwischen Provider und Betroffenem zu absolvieren: Zunächst muss der Arzt den Rechtsverstoß so genau bezeichnen, dass der Provider unschwer – das heißt ohne eingehende rechtliche und tatsächliche Überprüfung – den Rechtsverstoß erkennen kann. Ist das der Fall, muss der Provider die Beanstandung an den Nutzer zur Stellungnahme weiterleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen. Liefert der Nutzer hingegen eine Stellungnahme und führt er darin Belege an, die seine Version stützen, muss der Provider dies dem Arzt mitteilen und gegebenenfalls Nachweise von ihm verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme des Arztes aus oder legt er erforderliche Nachweise nicht vor, bedarf es keiner Löschung. Ergibt sich hingegen aus der Stellungnahme des Arztes oder den vorgelegten Belegen auch unter Berücksichtigung einer etwaigen Äußerung des Nutzers eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der beanstandete Eintrag zu löschen. Nach diesen Grundsätzen trägt zwar der Arzt am Ende die Beweislast, aber bis es so weit ist, kann der Provider bereits an den ihn treffenden Ermittlungspflichten gescheitert sein.

Datenschutz als Provider-Risiko

So geschah es auch im Prozess vor dem Landgericht Frankfurt. Der Betreiber des Bewertungsportals hatte zwar die Kopie einer E-Mail des Nutzers vorgelegt, dort aber derart viele Passagen geschwärzt, dass letztlich keine substanziellen Aussagen mehr erkennbar waren. Damit fehlte es an Belegen, die die Version des Nutzers stützten. Der Provider begründete seine Schwärzungen damit, dass ansonsten die Identität des Nutzers offenbar geworden wäre und dies eine Verletzung der Geheimhaltungspflicht aus § 12 Telemediengesetz bedeutet hätte. Danach dürfen Nutzerdaten nur dann an Dritte übermittelt werden, wenn es ein Gesetz erlaubt oder der Nutzer einverstanden ist. An beidem fehlte es. Das Landgericht verurteilte den Provider gleichwohl zur Löschung. Er habe nicht ausreichend dargelegt, dass sein Nutzer tatsächlich – wie von ihm behauptet – Patient des Arztes gewesen war. Aus den zwar vorgelegten, aber größtenteils geschwärzten Mails vermochte das Gericht keine Belege für die vom Nutzer behauptete Version zu entnehmen. Letztlich weist das Gericht damit dem Provider das Risiko zu, aufgrund von Geheimhaltungspflichten keine ausreichenden Belege für die Wahrheit der im Interneteintrag enthaltenen Tatsachen vorbringen zu können. Gerade darin liegt die prozessuale Chance des Arztes. Wie der Fall des Landgerichts Frankfurt zeigt, fällt es nämlich den Providern in der Regel nicht leicht, Belege für die Richtigkeit der streitigen Tatsachenbehauptung zu ermitteln. Entweder melden sich die Bewerter erst gar nicht oder deren Einlassungen können wegen der zu wahrenden Anonymität des Nutzers nicht oder nicht vollständig im Prozess vorgelegt werden.

Im geschilderten Fall musste der Provider übrigens nicht nur die Prozesskosten tragen, sondern dem Arzt auch die vorprozessualen, durch die Löschungsaufforderung entstandenen Anwaltskosten ersetzen. Diese lagen bei immerhin knapp unter 900 Euro.


Autor:
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Medizinrecht
Dierks + Bohle Rechtsanwälte, Berlin

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (14) Seite 62-65
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.