Telemedizin Sprechstunde im Internet

Praxisführung Autor: W. Enzmann

Ein neues Internetportal gibt Ärzten die Möglichkeit, Bestandspatienten per Mikrofon und Webcam online zu sehen, zu sprechen und zu beraten. Die audiovisuelle Erweiterung der Sprechstunde soll nicht nur dem Arzt Vorteile durch Flexibilität und Entlastung des Praxisbetriebs bringen – auch die Patienten sollen profitieren, wenn Anfahrten und Wartezeiten entfallen.

Obwohl die Ausweitung der Telemedizin in Deutschland nicht zuletzt von Politikern immer wieder gefordert wird, waren bisherige Ansätze wenig erfolgreich und zogen zum Teil auch Kritik auf sich – teils wegen Risiken beim Datenschutz, teils, weil sie mit den Anforderungen des ärztlichen Berufsrechts kollidierten oder dieses zu umgehen versuchten. Dabei ist die Idee eines Arzt-Patienten-Kontakts unabhängig von einem Praxisbesuch gerade im Umgang mit Bestandspatienten durchaus attraktiv, denn bei vielen Beratungsanlässen ist die Vorstellung des Patienten in der Praxis gar nicht nötig. So etwa, wenn es um die Mitteilung eines Laborergebnisses, eines histologischen oder radiologischen Befundes geht, wenn der Patient zur Dosisanpassung eines verordneten Medikaments beraten werden soll oder wenn aufgrund vom Patienten geschilderter Symptome zunächst entschieden werden muss, ob ein Termin in der Praxis überhaupt nötig und wie dringlich dieser ist.

Natürlich gibt es in all diesen Fällen schon die "analoge" Telemedizin der Form "Patient ruft an und wird ins Sprechzimmer durchgestellt, der Arzt unterbricht die Behandlung eines anderen Patienten, um Fragen zu beantworten und Informationen weiterzugeben". Abgesehen davon, dass bei dieser Methode die Vertraulichkeit nicht unbedingt gesichert ist, dürfte sich der im Sprechzimmer anwesende Patient durch die vom Arzt offensichtlich akzeptierte Störung des Gesprächs zurückgesetzt fühlen.

Telekonsultation von jedem Ort

Ein neues Telekonsultationsportal soll Ärzten die Möglichkeit bieten, unkompliziert und ohne großen Zeitaufwand mit ihren Bestandspatienten in Kontakt zu bleiben – auch außerhalb der Sprechzeiten und parallel zum Praxisbetrieb. Es nennt sich arztkonsultation.de wie seine Website und funktioniert überall, wo es einen Computer oder ein Android-Tablet mit Internetzugang, Webcam und Mikrofon gibt. Auch die Nutzung von An-droid-Smartphones mit Internetzugang und Kamera ist möglich, Geräte mit iOS (iPads und iPhones) sollen noch in diesem Jahr ebenfalls unterstützt werden. Für die Nutzung des Portals arztkonsultation.de bezahlen in Deutschland zugelassene Ärzte eine monatliche Pauschale von 59 Euro ohne Begrenzung der Patientenzahl oder der Gesprächsdauer. Alle aktuellen Browser werden unterstützt, die Installation einer zusätzlichen Software ist nicht nötig.

Ärzte, die sich auf dem Portal registriert haben, können den Service der "Online-Seh- und Sprechstunde" ausgewählten Patienten anbieten. Jeder Patient erhält einen personalisierten Zugangscode, der nur für den ausgebenden Arzt gilt. Die Patienten befinden sich, wie in der Praxis auch, in einem (virtuellen) Wartezimmer; der Arzt hat Einblick, wer sich wie lange schon dort befindet, und kann die Patienten durch ein akustisches Signal aufrufen. Während einer etwaigen Wartezeit können die Patienten daher ihrem gewohnten Alltag nachgehen, und auch der Arzt kann zwischen den Online-Terminen beispielsweise Patienten in der Praxis behandeln. Darüber hinaus kann er Online-Termine auch am Wochenende oder nach den offiziellen Sprechzeiten wahrnehmen.

Flexibilität und Sicherheit

Zweck der audiovisuellen Plattform ist die Entlastung und Erweiterung der regulären Sprechstunde, wo sie sich als Instrument der Therapiebegleitung, für Ad-hoc-Termine bei Kurznachfragen oder für besondere Sprechzeiten außerhalb der Praxisöffnungszeiten eignet. Ärzte können so zum Beispiel ihre Präsenzzeit in der Praxis vermindern, um Beruf und private Verpflichtungen wie Kindererziehung besser zu koordinieren. Für die Patienten entfallen Anfahrten, Wartezeiten sind reduziert bzw. das Warten spielt sich zu Hause oder gegebenenfalls auch am Arbeitsplatz ab.

Auf die Sicherheit des Portals haben die Gründer Dr. Ole Roßbach, Diplom-Physiker Marc Mausch und Dr. Marc Dangers besonderen Wert gelegt. "Nach dem Einloggen kann der Arzt seinen Patienten sehen. Schon dadurch ist die Identität von Arzt und Patient gesichert, anders als bei einer E-Mail- oder Telefonverbindung", erläutert Roßbach. "Außerdem speichern wir keine Befunde oder andere Patientendaten. Was an Daten gespeichert ist, wird auf zwei Server gesplittet – sogar wenn einer gehackt würde, wäre mit den Informationen nichts anzufangen. Mit Marc Mausch haben wir darüber hinaus einen Sicherheitsexperten, der unter anderem als Projektverantwortlicher beim Weltmarktführer für Internetbanking tätig war."

Abrechnung

Während die Ziffern für die Abrechnung nach der GOÄ noch nicht veröffentlich sind, hat sich die Kassenärztliche Bundesvereinigung KBV schon zu den abrechenbaren Ziffern geäußert. Danach ist einmal pro Behandlungsfall die GOP 01435 "Haus-/Fachärztliche Bereitschaftspauschale" berechnungsfähig, soweit es nicht im gleichen Quartal durch persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt (vorher oder hinterher) zu einer Versicherten- oder Grundpauschale kommt. Ferner ist die GOP 01102 "Inanspruchnahme des Vertragsarztes an Samstagen zwischen 07:00 und 14:00 Uhr" über arztkonsultation.de berechnungsfähig – unabhängig davon, ob die Inanspruchnahme vorhergesehen oder unvorhergesehen war. Die GOP 01102 ist grundsätzlich auch neben einem persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt in einem Quartal berechnungsfähig (unter Berücksichtigung der in den jeweiligen Legenden genannten Berechnungsausschlüsse). Dagegen sind GOP 01100 sowie GOP 01101 über arztkonsultation.de nicht berechnungsfähig, da sie sich ausschließlich auf "unvorhergesehene Inanspruchnahmen" beziehen.

Um den Forderungen der Berufsordnung zu entsprechen, verzichtet das Portal auf die Vermittlung von Patienten und Ärzten, die sich nicht in einem bestehenden Behandlungsverhältnis befinden. Es gibt auf arztkonsultation.de weder Diagnose-Foren noch Patienten-Chats, auf die Bewertung von Medizinern durch Patienten verzichtet das Portal ebenso wie auf die Finanzierung durch Werbung. "Dass das Angebot von arztkonsultation.de im Einklang mit den berufsrechtlichen Vorgaben – insbesondere Artikel 7 der Musterberufsordnung – steht, hat die Bundesärztekammer schon festgestellt", sagt Dr. Roßbach. "Wir waren denn auch als einzige Vertreter der Telemedizin neben der Gematik beim Ärztetag eingeladen."


Werner Enzmann

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2014; 36 (15) Seite 66-68
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Die Gründer von arztkonsultation.de, Dr. Marc Dangers, Diplom-Physiker Marc Mausch und Dr. Ole Roßbach (von links), mit Prof. Frank Ulrich Montgomery beim 117. Deutschen Ärztetag. Die Gründer von arztkonsultation.de, Dr. Marc Dangers, Diplom-Physiker Marc Mausch und Dr. Ole Roßbach (von links), mit Prof. Frank Ulrich Montgomery beim 117. Deutschen Ärztetag.