Arbeitsrecht Teure Stolpersteine meiden

Praxisführung Autor: S. Rothfuß

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Der Hausarzt ist im Praxisalltag nicht nur Behandler seiner Patienten, sondern zugleich Unternehmer und Arbeitgeber. Dabei erfordert die Funktion als Arbeitgeber auch die Kenntnis arbeitsrechtlicher Grundsätze, um arbeitsrechtliche Fallen zu vermeiden.

Schon die Gestaltung einer Stellenanzeige kann eine arbeitsrechtliche Herausforderung darstellen. Denn Stellenanzeigen müssen so formuliert sein, dass niemand wegen seiner Rasse oder ethnischen Herkunft, seines Geschlechts, seiner Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, seines Alters oder seiner sexuellen Identität benachteiligt wird. Dabei steckt mitunter der Teufel im Detail. Wer beispielsweise in einer Stellenanzeige „Mitarbeiter für unser junges Team“ sucht, setzt sich dem Risiko aus, allein wegen der Verwendung des Begriffs „jung“ in Anspruch genommen zu werden. Jede Stellenanzeige ist daher so neutral wie möglich zu gestalten. Achten Sie auf geschlechtsneutrale Bezeichnungen, verzichten Sie auf Angaben zum Alter, zur Muttersprache „Deutsch“ oder Ähnliches.

Unzulässige Fragen

Im Bewerbungsgespräch sind nur solche Fragen an die Bewerber zulässig, an denen Sie als Praxisinhaber ein berechtigtes Interesse haben. Dabei darf das Persönlichkeitsrecht des Bewerbers nicht unverhältnismäßig beeinträchtigt werden. Wenn Sie unzulässige Fragen stellen, darf der Bewerber die Frage unwahr beantworten, ohne dass ihm hieraus ein rechtlicher Nachteil droht. So ist beispielsweise die Frage nach der Familienplanung ebenso unzulässig wie die Frage nach einer bestehenden Schwangerschaft. Indes sind beispielsweise Fragen nach einer Krankheit, die eine wiederkehrende oder dauerhafte Beeinträchtigung für die ausgeschriebene Stelle bedeutet, zulässig. Fragen nach einer Behinderung sind wiederum grundsätzlich unzulässig. Den Text einer Absage sollten Sie auf das absolut Notwendige beschränken, nämlich auf die Mitteilung über die Erfolglosigkeit der Bewerbung. Gründe müssen Sie in der Absage nicht nennen; Sie sollten dies auch tunlichst unterlassen.

Der Arbeitsvertrag

Wenn Sie sich nach einem entsprechenden Auswahlverfahren für einen Bewerber entschieden haben, wird das Arbeitsverhältnis durch den Abschluss eines Arbeitsvertrages begründet. Grundsätzlich gilt auch bei der Gestaltung von Arbeitsverträgen Vertragsfreiheit, wobei diese durch zahlreiche Arbeitnehmerschutzvorschriften eingeschränkt ist. Gesetzlich hat der Arbeitnehmer einen Anspruch darauf, dass er spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses eine Niederschrift über die wesentlichen Vertragsbedingungen erhält. Schließen Sie keinen schriftlichen Arbeitsvertrag oder dokumentieren Sie die wesentlichen Vertragsinhalte nicht schriftlich, hat dies zwar keine Auswirkungen auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses selbst; im Streitfall erleichtert es für den Arbeitnehmer aber die Beweisführung vor Gericht.

Weder der Mantel- noch der Gehaltstarifvertrag für die medizinischen Fachangestellten gelten in einem Arbeitsverhältnis mit einer medizinischen Fach-angestellten automatisch. Diese Tarifverträge finden nur dann Anwendung, wenn die medizinische Fachangestellte Mitglied der Gewerkschaft ist und Sie als Praxisinhaber Ihrerseits dem Arbeitgeberverband angehören; dies ist erfahrungsgemäß in aller Regel nicht der Fall. Da die genannten Tarifverträge auch nicht für allgemeinverbindlich erklärt worden sind, finden sie nur Anwendung, wenn sie im Arbeitsvertrag ausdrücklich als anwendbar einbezogen worden sind. Deshalb ist an dieser Stelle vor der blinden Verwendung von Muster-Arbeitsverträgen zu warnen, die zum Teil – ohne Notwendigkeit – die genannten Tarifverträge für anwendbar erklären.

Die Höhe der Vergütung ist zunächst einmal Verhandlungssache der Parteien. Dabei müssen Sie im Einzelnen regeln, ob der Mitarbeiter neben dem vereinbarten monatlichen Fixum noch weitere Vergünstigungen des Arbeitgebers (z. B. in Form von Weihnachts- und/oder Urlaubsgeld) erhalten soll. Was Sie in diesem Zusammenhang vertraglich zusagen, können Sie nachträglich nicht einseitig zurücknehmen. Beachten Sie auch die Einhaltung des gesetzlichen Mindestlohnes in Höhe von 8,50 Euro brutto/Stunde. Das Mindestlohngesetz gilt indes nicht für Berufsauszubildende.

Unnötige Festlegungen vermeiden

Bei der inhaltlichen Gestaltung des Arbeitsvertrages gilt der Grundsatz, dass Sie das arbeitgeberseitige Direktionsrecht nur im Rahmen der vertraglichen Vereinbarungen ausüben können und dürfen. Je konkreter die Inhalte eines Arbeitsvertrages definiert worden sind, umso eingeschränkter ist dieses Direktionsrecht im laufenden Arbeitsverhältnis. Es ist davon abzuraten, die Dienstaufgaben abschließend im Arbeitsvertrag aufzuzählen. Vielmehr sollte in diesem Zusammenhang auf das typische Berufsbild, für das die Einstellung erfolgt, abgestellt werden. Wenn Sie beispielsweise im Arbeitsvertrag formulieren, dass Sie eine medizinische Fachangestellte an der Rezeption beschäftigen, können Sie diese Mitarbeiterin ohne deren Zustimmung nicht außerhalb der Rezeption beschäftigen.

Für die Gestaltung der Arbeitszeit reicht es aus, die wöchentliche Stundenzahl zu definieren. Es besteht keine Notwendigkeit, die Verteilung dieser Arbeitszeit vertraglich zu fixieren. Im Gegenteil, dies schränkt das arbeitgeberseitige Direktionsrecht zu sehr ein. Bei der Arbeitszeit sind Sie verpflichtet, die gesetzlichen Restriktionen nach dem Arbeitszeitgesetz zu beachten. Im Übrigen können Sie Überstunden nur dann anordnen, wenn Sie dies im Arbeitsvertrag mit dem Mitarbeiter so auch vereinbart haben.

Der gesetzliche Mindesturlaubsanspruch beträgt 20 Tage bei einer Fünf-Tage-Woche. In der Praxis finden sich in aller Regel gestaffelte Urlaubsansprüche. Dabei müssen Sie aber beachten, dass nach Lebensalter gestaffelte Urlaubsansprüche in aller Regel diskriminierend sind; besser ist es, die Staffelung auf die Beschäftigungsdauer des Mitarbeiters abzustellen. Zudem müssen Sie darauf achten, dass im Arbeitsvertrag die zeitanteilige Kürzung des Jahresurlaubsanspruches vereinbart wird, wenn das Arbeitsverhältnis während eines laufenden Kalenderjahres beginnt oder endet; dies ist keineswegs ein Automatismus. Wenn Sie Urlaubszeiten vorgeben wollen, beispielsweise im Falle von regelmäßigen Praxisschließungen, ist dies durchaus zulässig, muss aber im Arbeitsvertrag so vereinbart sein.

Teilzeit-Mitarbeiter haben die gleichen Rechte

Wenn ein Mitarbeiter in Teilzeit beschäftigt ist, ändert dies an seinem arbeitsrechtlichen Status nichts. Er kann dieselben Arbeitnehmerrechte in Anspruch nehmen wie jeder Vollzeitmitarbeiter auch. Dies gilt auch für die sog. Mini-Jobber. Entgegen einer weit verbreiteten Praxis haben auch Mini-Jobber Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Urlaubsgewährung. Es ist schlichtweg ein Trugschluss, den Mini-Jobber als rechtlich geringwertigeren Mitarbeiter anzusehen.

Wer ein Arbeitsverhältnis als Arbeitgeber eingeht, stellt einen Mitarbeiter grundsätzlich unbefristet an. Etwas anderes gilt nur, wenn im Arbeitsvertrag – vor Beginn des Arbeitsverhältnisses – die Befristung schriftlich vereinbart worden ist. Dabei können Arbeitsverhältnisse nicht frei befristet werden. Die Grenzen sind im Teilzeit- und Befristungsgesetz geregelt. Eine Befristung ohne Vorliegen eines besonderen sachlichen Grundes ist danach auf eine Höchstdauer von zwei Jahren beschränkt.

Darüber hinaus kann ein Arbeitsverhältnis nicht ohne Sachgrund befristet werden. Eine Befristung über zwei Jahre hinaus ist nur mit Sachgrund zulässig, beispielsweise wenn es sich um einen vorübergehenden betrieblichen Bedarf zur Elternzeitvertretung handelt. Wenn Sie einen solchen befristeten Arbeitsvertrag eingehen, müssen Sie im Vertrag aber zwingend die Kündigungsmöglichkeit auch während der befristeten Laufzeit des Arbeitsvertrages vorsehen; anderenfalls ist das Arbeitsverhältnis während seiner befristeten Laufzeit nur fristlos kündbar.

Pflichten bei Leistungsstörungen

Wenn ein Arbeitnehmer erkrankt, muss er sich beim Arbeitgeber oder einer von diesem autorisierten Stelle krankmelden (Anzeigepflicht). Wenn die Erkrankung länger als drei Tage dauert, ist der Arbeitnehmer verpflichtet, ab dem vierten Tag ein ärztliches Attest vorzulegen (Nachweispflicht). Als Arbeitgeber sind Sie aber durchaus berechtigt, die Vorlage eines Attestes auch schon vor Ablauf von vier Tagen zu verlangen, beispielsweise bei häufigeren Kurzerkrankungen eines bestimmten Mitarbeiters. Im Krankheitsfall sind Sie dann verpflichtet, für die Dauer von bis zu sechs Wochen das volle Gehalt fortzuzahlen. Danach hat der Arbeitnehmer bei fortgesetzter Erkrankung einen Anspruch auf Krankengeld gegenüber dem Kostenträger. Wenn Sie Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines gesetzlich versicherten Mitarbeiters haben, können Sie von der Krankenkasse des Arbeitnehmers verlangen, dass hierzu eine Stellungnahme des MDK eingeholt wird.

Wenn Sie in Ihrer Praxis eine schwangere Mitarbeiterin beschäftigen, treffen Sie als Arbeitgeber erhöhte Fürsorgepflichten. Denn eine Arztpraxis kann für werdende und stillende Mütter eine Vielzahl von Gefahren bereithalten, u. a. Röntgenstrahlung, fremde Körperflüssigkeiten, gefährliche Chemikalien oder auch die Verletzungsgefahr durch spitze Gegenstände. Wenn der Arbeitsplatz nicht so umgestaltet werden kann, dass keine solchen Gefahren mehr bestehen, kann der behandelnde Gynäkologe ein ganzes oder teilweises Beschäftigungsverbot aussprechen.

Im Übrigen dürfen Sie eine schwangere Mitarbeiterin sechs Wochen vor und bis zum Ablauf von acht Wochen nach der Entbindung gar nicht beschäftigen. Darüber hinaus sind Sie verpflichtet, die Schwangerschaft der zuständigen Aufsichtsbehörde zu melden; das ist beispielsweise in Nordrhein-Westfalen die Bezirksregierung und in Baden-Württemberg das Regierungspräsidium. Während einer Schwangerschaft genießt die Mitarbeiterin im Übrigen absoluten Kündigungsschutz. Dies gilt selbst dann, wenn die Mitarbeiterin zum Einstellungszeitpunkt bereits schwanger war, dies aber nicht offenbart oder auf die unzulässige Frage gelogen hat.

Elternzeit mit Fristen

Eltern haben darüber hinaus Anspruch auf eine unbezahlte Freistellung bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes (Elternzeit). Allerdings muss der Mitarbeiter die Inanspruchnahme von Elternzeit fristgerecht schriftlich geltend machen, d. h. sieben Wochen vor Beginn der Elternzeit. Während der Elternzeit genießt der Mitarbeiter wiederum absoluten Kündigungsschutz. Die Inanspruchnahme von Elternzeit kann sowohl vom Vater als auch von der Mutter geltend gemacht werden.

Hat eine Mitarbeiterin Elternzeit in Anspruch genommen und möchte sie nach Beendigung der Elternzeit an ihre Arbeitsstelle zurückkehren, hat sie Anspruch darauf, zu denselben Konditionen beschäftigt zu werden wie vor der Elternzeit. Wenn sie in Vollzeit beschäftigt war, kann sie vom Arbeitgeber nur dann eine zukünftige Teilzeitbeschäftigung beanspruchen, wenn der Arbeitgeber mehr als 15 Arbeitnehmer (ohne Azubis) in seiner Praxis beschäftigt.

Wenn es im laufenden Arbeitsverhältnis zu regelwidrigen Leistungsstörungen kommt, kann der Arbeitgeber Verstöße gegen arbeitsvertragliche Pflichten mittels einer Abmahnung sanktionieren. Die einschlägige Abmahnung ist dabei die (in der Regel) nötige Vorstufe zu einer verhaltensbedingten Kündigung des Mitarbeiters. Einer Abmahnung kommen drei Funktionen zu: Dokumentation des Arbeitsvertragsverstoßes, Hinweis auf Arbeitsvertragsverstoß und Warnung des Arbeitnehmers für den Wiederholungsfall. Dabei muss eine Abmahnung sehr konkret verfasst sein, damit sie wirksam ist.

Arbeitsverhältnis beenden

Das größte Streitpotenzial in Arbeitsverhältnissen ist die vom Arbeitgeber initiierte Beendigung. Dabei ist zunächst zu beachten, dass die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses immer der Schriftform bedarf. Eine mündlich erklärte Kündigung ist formunwirksam.

Dabei wird unterschieden zwischen der ordentlichen (fristgerechten) und der außerordentlichen (fristlosen) Kündigung. Im Falle einer ordentlichen Kündigung sind die im Arbeitsvertrag vereinbarten Kündigungsfristen, jedenfalls aber die Mindestkündigungsfrist nach § 622 Abs. 2 BGB einzuhalten. Für den Fall einer fristlosen Kündigung bedarf es eines wichtigen Grundes, der im Ergebnis dazu führt, dass das Festhalten an dem Arbeitsverhältnis für den Arbeitgeber unzumutbar ist.

Nun ist eine hausärztliche Praxis meist in der arbeitsrechtlich komfortablen Situation, nicht regelmäßig mehr als zehn Mitarbeiter zu beschäftigen. Dies erleichtert die Beendigung von Arbeitsverhältnissen in Form arbeitgeberseitiger Kündigungen. Denn in diesem Fall unterliegt das Arbeitsverhältnis nicht dem besonderen Schutz des Kündigungsschutzgesetzes. Dies bedeutet, dass ein Arbeitsverhältnis fristgerecht, d. h. unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist, auch ohne Vorliegen eines besonderen Grundes gekündigt werden kann. Es muss allerdings sichergestellt sein, dass die Kündigung nicht als Mittel zur Disziplinierung des Mitarbeiters eingesetzt wird. Soweit auf die Praxis das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, bedarf es für eine ordentliche Kündigung eines personen-, betriebs- oder verhaltensbedingten Grundes. Hier ist die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses deutlich erschwert. In einem solchen Fall sollte vor Ergreifen von Maßnahmen immer ein Arbeitsrechtler konsultiert werden. Dies gilt erst recht für den Fall, dass eine fristlose Kündigung eines Arbeitsverhältnisses im Raum steht.

Im Übrigen kann ein Arbeitsverhältnis jenseits einer Kündigung enden durch die Vereinbarung einer wirksamen Befristung, den Eintritt einer arbeitsvertraglich vereinbarten Bedingung wie durch das Erreichen des Renteneintrittsalters oder im Wege eines Aufhebungsvertrages. Endet ein Arbeitsverhältnis, ist der Arbeitnehmer weiterhin zur Verschwiegenheit verpflichtet. Darüber hinaus hat der Arbeitnehmer alles herauszugeben, was im Eigentum des Praxisinhabers steht. Der Arbeitnehmer wiederum hat Anspruch darauf, dass ihm der Arbeitgeber ein wohlwollendes Schlusszeugnis erteilt.


Autor:
Fachanwalt für Medizinrecht
Dr. Halbe Rechtsanwälte
50670 Köln

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2015; 37 (2) Seite 65-70
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.