Arztpraxis und Ehrenamt Tue Gutes und rede darüber

Praxisführung Autor: Ute Jürgens

Viele Betriebe nehmen heute in ihre Unternehmensphilosophie die soziale Verantwortung auf und stellen sich im Management darauf ein. Manche gründen ein "Social Business", andere engagieren sich ehrenamtlich oder spenden finanzielle Beiträge. In Deutschland tun wir uns damit noch etwas schwer.

Eine breite Skala an Möglichkeiten des Engagements besteht zwischen den Endpunkten "Wir machen es nur für unser Ansehen, die Außenwirkung der Praxis" und dem Wunsch zu helfen, unabhängig davon, ob es bekannt wird.

Aktives Ehrenamt

Es ist elementar, von Zeit zu Zeit die eigene Motivation zu hinterfragen. Es wird eventuell zäh, wenn es sich dabei nur um das Ansehen der Praxis und Profilierung handelt. Das Feuer brennt besser und länger, wenn die Beweggründe innerlich sind. Bernd Wulf nennt in seinem Buch "Pro Ehrenamt" unter anderen die Motive Ethik, Verantwortung, Selbsthilfe, Dankbarkeit, emotionales Unausgefülltsein, Anerkennung. Diese Gründe liefern Kraft, um auch mal Durststrecken zu überstehen, in denen man das Gefühl hat, nichts bewirken zu können oder zu wenig Beachtung zu finden. Die Vorteile des Ehrenamts für den Engagierten liegen außer in der Sache selbst im Entwickeln und Entdecken von eigenen Talenten, im sich Ausprobieren und Lernen auf neuen Feldern.

Aus einem breiten Angebot aussuchen kann die Praxis bei den Freiwilligenagenturen der Länder bzw. Orte, hier laufen alle Suchmeldungen zusammen (Bundesgemeinschaft der Freiwilligenagenturen, www.bagfa.de). Man stellt ein paar Beispiele in der Teamsitzung vor, und gemeinsam wird entschieden, wo die Praxis anpacken wird. Vielleicht gibt es auch eigene Ideen, weil Patienten etwas angestoßen haben oder Mitarbeiter bereits begeistert tätig sind. Je nach zeitlichem und finanziellem Rahmen sind einmalige Kurzprojekte ebenso möglich wie langfristige Engagements inklusive Stiftungsgründung und Beteiligung von vielen Menschen.

"Social Business"

Abzugrenzen vom reinen Ehrenamt ist das "Social Business". "Ein soziales Unternehmen kann sich in der Regel aus eigenen Mitteln tragen", bestätigt Felix Oldenburg, Deutschlandchef von Ashoka, einer Organisation, die weltweit das soziale Unternehmertum fördert. "Im Mittelpunkt jedoch steht das soziale Problem, nicht der Gewinn." Das Ziel des effizienten Wirtschaftens beim Kampf gegen gesellschaftliche Missstände lautet: Das sozial engagierte Unternehmen ist nicht auf fortlaufende Spendengelder angewiesen und kann aus eigener Kraft wachsen.

Geprägt hat den Begriff der Friedensnobelpreisträger Muhammad Yunus, der mit der Grameenbank und ihren Kleinstkrediten vielen Menschen das Überleben aus eigener Kraft ermöglichte. Die Kennzeichen:

  1. Das Unternehmensziel ist die Überwindung von Armut oder anderer Probleme (Bildung, Gesundheit, Zugang zu Technologie und Umweltschutz), die die Menschen und die Gesellschaft bedrohen. Gewinnmaximierung ist kein Ziel.
  2. Finanzielle und ökonomische Nachhaltigkeit
  3. Investoren erhalten ausschließlich ihren Investitionsbetrag zurück. Weitere Dividenden werden nicht ausgeschüttet.
  4. Der nach den zurückgezahlten Investitionen erwirtschaftete Profit verbleibt im Unternehmen und dient der Expansion und Verbesserung.
  5. Ökologische Nachhaltigkeit
  6. Mitarbeiter werden auf Marktniveau entlohnt, aber unter besseren Arbeitsbedingungen beschäftigt.
  7. ... mach es mit Freude!

Politische Förderung und vorbildliche Projekte

Mittlerweile sind erste Lehrstühle an den Universitäten München und Lüneburg eingerichtet, die Bundesregierung will Gründer stärker fördern. Franz Alt und Peter Spiegel haben in "Gute Geschäfte. Humane Marktwirtschaft als Ausweg aus der Krise" den Durchbruch zu einer humanen Marktwirtschaft gefordert. Ihr Plädoyer basiert auf Yunus Social-Business-Konzept.

Vorbilder in Deutschland sind das erfolgreiche Ausstellungskonzept "Dialog im Dunkeln", das alleine hier 7.000 Arbeitsplätze schuf, und das Ethno-Medizinische Zentrum e.V. in Hannover. Es hilft Migranten bei Arzt- oder Krankenhausbesuchen. Dazu wurden 500 Migranten zum "Gesundheitslotsen" ausgebildet.

Was bedeutet das für die Arztpraxis? Was bietet sich in der nächsten Nachbarschaft an? Es gibt genug Möglichkeiten, die Frage ist, ob man selbst ein ganzes Unternehmen gründen will oder sich in ein bestehendes Projekt (www.schwabfound.org) einbringt.

Nicht alle Unternehmen erwirtschaften automatisch Gewinne. Der Konsens der Social-Business-Szene dafür lautet: Spenden, öffentliche Mittel und weitere Außenfinanzierungen sind durchaus erlaubt – auch über die Anschubphase hinaus. Schwerpunkt und Ziel des Social Business sollte jedoch auf den unternehmerischen Einnahmen liegen. Schließlich will sich das Social Business nicht nur von der klassischen Wirtschaft abgrenzen, sondern auch von reinen Spendenorganisationen.

Zum Beispiel Nepal

Ein wunderbares Beispiel für gelungene Ehrenamtsarbeit ist die Namaste-Stiftung (www.namastestiftung.de). Die Namaste-Stiftung – auch Bolde-Freunde genannt – sind neun Freunde, die sich aus unterschiedlichen, ganz persönlichen Motiven zusammengetan haben, um den Menschen in Nepal zu helfen. Das große Ziel ist, die Lebensbedingungen der Region von Dhulikhel mit einem Einzugsgebiet von ca. 2 Mill. Menschen hinsichtlich ausreichender Ernährung, medizinischer Hilfe im Krankheitsfall und Schulbildung für jedes Kind über Generationen zu verbessern. Und zwar unabhängig von politischer Einstellung und Religion, ob arm oder reich. Über 3.000 "Bolde Freunde" in ganz Deutschland leisten Hilfe zur Selbsthilfe. Die Verwaltung ist so aufgebaut, dass keine oder nur geringe Kosten entstehen. Dazu verpflichtet die Satzung, deren Einhaltung von Regierung und Finanzamt jährlich geprüft wird.

Hilfe zur Selbsthilfe

An erster Stelle steht die elementare medizinische Grundversorgung für alle, der Hygiene- und Gesundheitsunterricht an den Schulen hat Vorrang vor der Beschaffung kostspieliger Arzneimittel. Hilfe zur Selbsthilfe ist Trumpf, auf diese Weise entstehen Krankenhäuser, es werden mittlerweile fünf Schulen gefördert. Ein Charity Fonds von jährlich 100.000 Euro sorgt dafür, dass mittellose Patienten bestmöglich behandelt werden können. Die Stiftung hat nach dem schrecklichen Erdbeben im Frühjahr 2015 1,5 Mio. € gesammelt. Die Hälfte davon wurde für die kostenlose Behandlung aller Erdbebenopfer dieser Region (3.500 Patienten) verwendet. Die zweite Hälfte wird nach und nach für Wiederaufbau von zerstörten Einrichtungen im Dhulikhel-Krankenhaus, den Außenstationen und den Schulen eingesetzt.

Dr. Ram Shrestha – Direktor des Dhulikhel-Krankenhauses, nepalesischer Arzt mit Studium und Tätigkeit über 15 Jahre in Österreich – hatte 1996 mit Hilfe österreichischer Freunde in seinem Heimatort Dhulikhel ein Non-profit-Krankenhaus eröffnet, das ausschließlich der Gemeinde Dhulikhel gehört. Eventuell entstehende Gewinne werden laut Satzung sofort wieder ins Krankenhaus reinvestiert. Inzwischen ist seine Klinik Lehrkrankenhaus der Kathmandu-Universität. Er wurde dafür gewonnen, dass er mit seinem medizinisch geschulten Personal des "Mutterkrankenhauses" die zu errichtenden und bereits bestehenden Krankenstationen in Bolde und vier weiteren abgelegenen Orten als "Außenstation" betreut. Das Krankenhaus in Dhulikhel hat das Erdbeben durch seine spezielle Bauweise überlebt, im Ort Manekharkha blieb die Krankenstation als einziges Gebäude des ganzen Ortes stehen. Die zerstörten Schulen befinden sich im Wiederaufbau. Die Entwicklung des Projekts wird jährlich auf einer DVD dokumentiert, die man bei der Stiftung kostenlos anfordern oder auf der Internetseite (www.namastestiftung.de) direkt ansehen kann.

Berufliche Alternativen als Nebenwirkung

Noch ein ganz anderer Aspekt steckt im Ehrenamt: Das Werden einer beruflichen Alternative. Wenn Sie sich von Anfang an oder seit kurzem mit Ihrer Tätigkeit nicht mehr wohlfühlen, bietet sich hier ein breites Feld zum Suchen und Finden. Glauben Sie, dass Sie dafür geboren sind, Kinder zu betreuen? Versuchen Sie es in kleinem Maßstab. Oder sind der Kunsthandel und das Führen einer Galerie Ihr Traum? Bieten Sie sich ehrenamtlich an und stecken Sie Ihre Nase in dieses ganz andere Milieu. Duftet es so angenehm wie erwartet oder erfahren Sie Seiten dieses Tuns, die wichtig und zeitaufwendig sind, aber Ihnen gar nicht liegen? Was bringt Sie in Bewegung bei Ihrem großen Wechsel: Sehnsucht oder Leidensdrang?

Die Autoren Mathias Morgenthaler und Marco Zaug meinen: "Wir wissen nicht, wieviel Zeit uns bleibt – besinnen wir uns also frühzeitig auf die wichtigen Dinge und machen wir uns auf den Weg." Fast alle ehrenamtlichen Hilfsprojekte begannen ursprünglich in kleinem Rahmen, lassen Sie sich also nicht entmutigen, sondern im Gegenteil motivieren. Viele Dinge sind möglich. Als zusammenwachsendes Team werden Sie Einiges bewegen, von dem Sie vorher nur träumten!


Autorin:
Ute Jürgens
Literatur:
M. Morgenthaler und M. Zaug: Aussteigen – Umsteigen. Wege zwischen Job und Berufung, Zytglogge Verlag
Bernd Wulf: pro Ehrenamt – Entscheidungsfinder, BOD Verlag

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2016; 38 (15) Seite 80-82
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.