Arzt-Patienten-Kommunikation Umgang mit ängstlichen Patienten
Ängstlichen Personen fehlt oft Zuversicht, die bei der Heilung wichtig ist. Der Arzt kann schon am Auftreten des Patienten erkennen, ob dieser sich Sorgen macht und ängstlich auf das Ergebnis einer Untersuchung wartet. Wer in der Vergangenheit gesundheitliche Probleme erfolgreich bewältigt hat, sieht positiver in die Zukunft als Patienten, die bereits schlimme Diagnosen erlebt haben und befürchten, dass eine frühere Krankheit jetzt wieder zum Ausbruch kommt. Dabei möchten Patienten gar nicht als ängstlich erkannt und eingestuft werden, manchen ist das peinlich. Patienten sehen in ihrer Ängstlichkeit und Skepsis manchmal sogar eine gute Seite: "Ich erlebe keine bösen Überraschungen, weil ich auf das Schlimmste vorbereitet bin." Und trotzdem ist die optimistische Einstellung besser als Angst oder Bedenken.
Wer an sich und seine Heilung glaubt …
- bringt mehr Engagement bei der Therapie mit.
- beurteilt die Behandlung des Arztes positiv.
- hat eine bessere Ausstrahlung, ein größeres Selbstbewusstsein.
- achtet stärker auf gesunde Lebensweise.hält sich an die Verschreibung.
Ein gutes Gefühl und die Zuversicht, Krankheiten zu überwinden, verbessert die Immunabwehr und kann sogar Schmerzen lindern. Negative Emotionen des Patienten aktivieren den rechten präfrontalen Cortex und vermindern die Immunabwehr im Körper.
Dem Patienten Mut machen, Zuversicht vermitteln, ist ebenso wichtig wie das Ausstellen des Rezeptes. Ist der Patient bereit, sich selbst anzunehmen und in einer schwierigen Situation Chancen zu sehen, verbessert er seine Psyche. Stellt er seinen gesundheitlichen Fortschritt aber infrage und glaubt, der Arzt bringt nur Beruhigungsappelle, erhöht das seine Bedenken.
Zuversichtliches Feedback geben
Die kleinste Besserung des Patienten sollte beim nächsten Praxisbesuch Anlass zur Freude sein, und der Arzt tut gut daran, dies dem Patienten ausführlich zu erläutern, um die Zuversicht zu vergrößern. So kann er sich, z. B. bei Verbesserung der Blutwerte, positiv und erfreut äußern, statt den Patienten nur mit Zahlen zu informieren. Die optimistische Ausstrahlung des behandelnden Arztes beeinflusst Patienten, er sieht Chancen in der weiteren Behandlung. Ein positives Feedback zeigt dem Patienten, dass es aufwärts geht. Wirkungsvoll ist die Ich-Botschaft. Statt: "Das sieht bei Ihnen viel besser als beim letzten Mal aus", besser: "Ich freue mich, dass sich Ihr Zustand verbessert hat." Das "Ich" wirkt als persönliche Wertung. Die Wirkung kann weiter gesteigert werden, wenn der Arzt die Mithilfe des Patienten personalisiert, indem er den für Patienten erforderlichen Aufwand, z. B. die Gewichtsreduzierung, positiv bewertet. Der Patient, der vom Arzt Anerkennung erfährt, wird in seinem Selbstvertrauen gestärkt und wird das anerkannte Verhalten reproduzieren. Der Mechanismus, erfolgreiches Verhalten des Patienten zu wiederholen, ist wissenschaftlich gründlich untersucht und bestätigt worden. Gute Fortschritte im Heilungsprozess werden dann mehr der Gesprächsführung des Arztes zugeschrieben als der Wirkung von Medikamenten.
Einfluss der Medien nicht unterschätzen
Der Einfluss der Medien ist groß. Es gibt kein Sachgebiet, über das Patienten sich nicht informieren können. Sie können sich stundenlang über die Krankheiten online informieren. Da wimmelt es von Meinungen und ausführlichen Informationen, die manchmal widersprüchlich sind und nur verwirren. Patienten können sich auch im Netz untereinander austauschen, wenn sie ihre Erfahrungen online stellen. Somit ist ein neuer Typ, der "Online-Patient", entstanden. Während der Behandlung sollte man dem Patienten mit viel Fingerspitzengefühl klarmachen, dass seine Recherchen im Internet interessant, aber nicht immer zutreffend sind.
Es sind nicht nur die Ängste vor den Schmerzen, sondern auch vor den Befunden. Viele steigern sich in ihre Ängste hinein und zweifeln an einer möglichen Heilung. Reduziert sich die Angst des Patienten, steigt die Akzeptanz der Behandlung und Behandlungstermine werden nicht bis "fünf vor zwölf" verzögert. Ein angstfreier Zustand verbessert sogar die Immunabwehr und kann Schmerzen lindern. Wer seine Ängstlichkeit erkennt und in den Griff bekommt, leidet auch weniger, geht nicht leichtfertig mit seiner Gesundheit um. Der Gegentyp zum ängstlichen ist der gleichgültige Patient, er macht sich keine großen Gedanken, drückt sich um die Vorsorge, ändert seine Lebensweise nicht und greift bei Schmerzen gleich zu Tabletten.
Auswirkungen auf Arbeit und Atmung
Ängstlichkeit kann sich auch auf die berufliche Entwicklung des Patienten auswirken. Er befürchtet durch längeres Kranksein den Karrierestopp oder das Nichterreichen beruflicher Ziele. Besonders jüngere, ehrgeizige Patienten, die schon viel in ihre Karriere investiert haben, befürchten den Absturz und erleben Existenzängste. Auch private Beziehungen, die nicht gefestigt sind, können darunter leiden und zur Trennung führen.
Bei Angst und Anspannung verändern sich zudem die Atemgewohnheiten des Patienten. Er atmet nicht mehr richtig durch, vor allem das Ausatmen, der Abtransport des verbrauchten Sauerstoffs, wird vernachlässigt. Beim richtigen Atmen spielt der ganze Körper mit, alle Organe werden beeinflusst, es stellt sich Gelassenheit ein. Bei Anspannung atmen viele falsch, so dass es zum Ansteigen des Erregungsniveaus kommt. Flaches und schnelles Atmen fördert das Hyperventilationssyndrom. Atemtechnik ist die einzige "erneuerbare Energie", die grenzenlos zur Verfügung steht und innere Spannungen abbaut.
Reaktion auf Angst des Patienten
Empathie ist ein Teil der emotionalen Intelligenz, die zum patientenorientierten Verhalten gehört, die Fähigkeit, sich in andere hineinzuversetzen und die Gefühlslage des Patienten nachzuempfinden. Empathie ist nicht jedem in die Wiege gelegt, bei manchen ist es das Ergebnis einiger Bemühungen, aber man kann es sich angewöhnen.
Verständnisformulierungen sind von Beruhigungsappellen zu unterscheiden, den üblichen und inzwischen wirkungsschwachen Aussagen "Nun machen Sie sich mal keine Sorgen" oder "Da müssen Sie jetzt durch". Schmerzangst des Patienten kann man emotional mit Anteilnahme besser beantworten: "Ich weiß, das ist jetzt unangenehm, aber Sie schaffen das." Zweckmäßig ist es, ihm zu vermitteln, dass er längst nicht der Einzige ist, der sich vor der Behandlung fürchtet. Weiß der Patient, dass es anderen auch so geht, fühlt er sich nicht isoliert. Zum Thema Schmerzen kann man dem Patienten auch Informationen geben, wie er sich schon vor einer Behandlung entspannt und damit mental gut vorbereitet ist. Statt über die Folgen einer Krankheit zu grübeln, ist es besser, sich mit dem Thema Gelassenheit zu befassen.
Perspektivenwechsel und Redefluss
Es ist günstig, Gefühle vorwegzunehmen ("Antizipation negativer Gefühle"). Statt zu warten, bis der Patient seine Befürchtungen durch Mimik und Gestik zum Ausdruck bringt, spricht der Arzt das Thema schon im Vorfeld an. Der sogenannte "Perspektivenwechsel" hilft. Dabei versetzt man sich nicht nur selbst in die Situation des Patienten, sondern berichtet auch über sich selbst: "Mir geht es genauso, wenn ich zum Zahnarzt gehe, da mache ich mir auch Gedanken."
Positives Feedback ist nach der Untersuchung angebracht, der Arzt zeigt dem Patienten, dass er "ein Held" ist, alles gut überstanden hat. Anerkennung schafft Mut und Selbstvertrauen. Sekundenlanges Schweigen, wenn der Arzt die Untersuchungsergebnisse oder das Röntgenbild betrachtet, belastet ängstliche Menschen. Zehn Sekunden Schweigen wirken drei Mal so lang. Redepausen sind sogar Angstverstärker. Patienten interpretieren auch die Mimik und Gestik des Arztes, im Zweifelsfall lesen sie darin etwas Negatives. Es hat sich bewährt, schon während der Beurteilung der Röntgenaufnahme zu sprechen. Man erkennt durch die Körpersprache des Patienten, seine weit geöffneten Augen, das Festhalten an der Lehne, an der sparsamen Gestik und Mimik, dass er eine negative Nachricht befürchtet.
Informationen über die Bewältigung von Angst können hilfreich sein. Patienten bewerten es positiv, wenn sie konkrete Hilfen im Umgang mit Ängstlichkeit erhalten. Die Arztpraxis profiliert sich, wenn sie erkennbar auf die Psyche der Patienten eingeht und z. B. als Zusatzleistung Verhaltenstipps liefert. Schon bei der Vorbesprechung oder bei der Terminvereinbarung wird auf diese Informationen hingewiesen.
Autor:
69118 Heidelberg
Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (4) Seite 66-68
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.