Sozialmedizin Verordnung von Krankenbeförderungen

Praxisführung Autor: Jürgen Herbers

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Krankenfahrt, Krankentransport, Rettungsfahrt – wo liegen die Unterschiede, unter welchen Bedingungen darf ich welche Beförderungsart verordnen und in welchen Fällen sollte ich meinen Patienten eigentlich direkt an seine Krankenkasse verweisen?

Ein 77-jähriger Patient wird aus dem Krankenhaus entlassen mit einer operierten Femurmehrfragmentfraktur, der Sohn hat ihn vom Krankenhaus geholt und steht nun an der Anmeldung, weil er schnell einen Transportschein für die geriatrische Reha nächste Woche benötigt. Im Krankenhaus wurde ihm gesagt, das mache der Hausarzt; er rief vorher noch bei der Krankenkasse an, welche ihm ebenso sagte, sie würden eine Verordnung vom Hausarzt benötigen, sonst könnten sie das nicht genehmigen. Darf ich die Verordnung ausstellen? Die Verordnung von Krankentransporten ist in der entsprechenden Leitlinie, der Krankentransport-Richtlinie, geregelt (zuletzt 3/17 geändert; www.g-ba.de/downloads/62-492-1398/KT-RL_2017-03-16_iK-2017-05-27.pdf).

Zur Beurteilung, ob ein Transportschein auszustellen ist, ist sowohl die Transportart zu beachten als auch der Zweck der Fahrt (zu Letzterem siehe Kasten "Transport-Notwendigkeiten").

Transportarten

Man unterscheidet drei Transportmöglichkeiten:

  1. Krankenfahrt: Fahrt mit privatem Pkw, öffentlichen Verkehrsmitteln, Taxis (auch Rollstuhl- oder Liegetaxi). Eine medizinisch-fachliche Betreuung ist hier nicht erforderlich.
  2. Krankentransport: Ein Krankentransport mit dem Krankentransportwagen (KTW) ist verordnenbar in drei Fällen: a. Eine fachliche Betreuung durch qualifizierte Nicht-Ärzte ist erforderlich. b. Die besonderen Einrichtungen eines KTW sind erforderlich bzw. könnten erforderlich werden. c. Die Übertragung schwerer ansteckender Krankheiten kann vermieden werden.
  3. Rettungsfahrt: Man unterscheidet drei verschiedene Transportmittel mit jeweils eigener Notwendigkeit: a. Rettungswagen (RTW): Patienten bedürfen Maßnahmen, die vitalen Funktionen aufrechtzuerhalten, die über Erste-Hilfe-Maßnahmen hinausgehen. b. Notarztwagen (NAW): Lebensrettende Sofortmaßnahmen sind erforderlich (oder werden evtl. erforderlich), eine notärztliche Versorgung ist erforderlich. c. Rettungshubschrauber (RTH): RTH ist notwendig, wenn die Schnelligkeit eines bodengebundenen Fahrzeuges nicht ausreicht oder wenn der Notarzt krankheitsbedingt sehr schnell vor Ort sein muss.

Transport-Notwendigkeit

Transporte dürfen nur verordnet werden, insoweit sie mit einer Leistung der Krankenkasse zwingend medizinisch notwendig sind. Und dieser Grund ist auf der Verordnung auch anzugeben. Somit kann ein Transportschein nicht erstellt werden, damit der Patient zu einer selbst bezahlten Fußpflegerin gefahren werden kann; auch nicht der Transport einer pflegebedürftigen Person von zu Hause in das Heim. Verordnungen sind immer im Voraus auszustellen, nur in Lebensgefahr oder wenn akute gesundheitliche Schäden zu erwarten sind, darf man davon abweichen. Für Fahrten mit dem Pkw oder öffentlichen Verkehrsmitteln ist eine Verordnung nicht erforderlich.

Verordnungseinschränkungen

Krankenfahrten dürfen nur verordnet werden bei stationärer Behandlung, vor- oder nachstationärer Behandlung nach §115a SGB V und zu ambulanten Operationen entsprechend §115b SGB V sowie den in diesem Zusammenhang erforderlichen Vor- oder Nachbehandlungen.

Es bestehen allerdings noch weitere Ausnahmen, die aber ebenfalls der vorherigen Genehmigung durch die Krankenkasse bedürfen. Dies zu beachten ist wichtig, da seit dem GKV-Versorgungsstärkungsgesetz 2015 auch die Wirtschaftlichkeit der Krankentransporte geprüft wird. Informationen der KV zu diesem Thema finden sich unter www.kbv.de/html/krankentransport.php. Es gelten folgende Ausnahmen:

  • Eine krankheitsbedingte Therapie ist mit hoher Behandlungsfrequenz über einen längeren Zeitraum erforderlich, beispielhaft sind Dialyse, Bestrahlung oder parenterale antineoplastische Therapie zu nennen, aber auch andere Therapien sind denkbar, wenn ansonsten Schaden an Leib und Leben drohen.
  • Schwerbehindertenausweis mit Merkzeichen aG (außergewöhnlich gehbehindert), Bl (blind) oder H (hilflos)
  • Pflegegrad 4 oder 5
  • Pflegegrad 3, wenn die Stufe erreicht wurde durch Überleitung der Pflegestufe 2 in den Pflegegrad 3 oder wenn – bei einem "neuen" Pflegegrad 3 – eine dauerhafte Beeinträchtigung der Mobilität besteht.

Fallauflösung

Da der Sohn seinen Vater vom Krankenhaus abholte, ist dieser wohl auch in der Lage, mit dem privaten Pkw in die Reha zu fahren, also ist kein Transportschein erforderlich. Sollte aber ein Taxi oder ein KTW erforderlich sein, wäre auch in diesem Fall keine Verordnung auszustellen, denn in §2 Abs. 4 heißt es: "Für die Fahrten zu ambulanten oder stationären Rehabilitationsmaßnahmen ist ebenfalls keine Verordnung auszustellen, sondern die Patientin oder der Patient zur Klärung der An- und Abreise direkt an ihre oder seine Krankenkasse zu verweisen". Dies mache ich regelmäßig und ernte fast immer ungläubige Rückrufe, die erst nach Verweis auf das Lesen der Richtlinie enden.


Autor:
Facharzt für Allgemeinmedizin, Sozialmedizin, Sportmedizin, Ernährungsmedizin (DAEM/DGEM), Naturheilverfahren und Palliativmedizin;
74385 Pleidelsheim

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2018; 40 (6) Seite 63-64
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.