Qualitätsmanagement in der Praxis Vom Mehrwert eines QM-Systems

Praxisführung Autor: Sibylle May

Die schrittweise Einführung und Weiterentwicklung eines Qualitätsmanagement (QM)-Systems für Arztpraxen ist nun bereits seit 2011 verpflichtend und hat sich in vielen Arztpraxen gut etabliert. Für Praxisneugründer ist es jedoch nach wie vor eine unliebsame Verpflichtung. Dabei ist eigentlich alles halb so schlimm, wenn man es strukturiert und gut informiert angeht. Wie bereite ich die QM-Einführung vor? Wie ist ein QM-Handbuch aufgebaut? Und wo liegt für mich und meine Mitarbeiter eigentlich der Mehrwert eines QM-Systems?

Ganz egal, für welches System Sie sich entscheiden, letztendlich gilt es immer, eine Norm zu erfüllen. Genormt heißt für Ihre Praxis nichts anderes als: immer gleiche Handlungsweisen bei bestimmten Voraussetzungen mit immer gleichen Hilfsmitteln und Apparaturen für ein standardisiertes Vorgehen. Das QM-System soll eine Anleitung sein, wie man Qualität aufbaut, organisiert, verbessert und langfristig sichert – also eine sinnvolle Unterstützung für das gesamte Praxisteam.

Diese Anleitung kann sich an der DIN EN ISO orientieren, es ist aber auch ein gänzlich eigenes QM-System, das alle gesetzlichen Vorgaben erfüllt, machbar. Überlegen Sie aber gut, ob Sie sich nicht doch eines der vorhandenen und inzwischen sehr ausgereiften Systeme bedienen, um sich schlichtweg nicht noch weitreichender mit der Gesetzgebung auseinandersetzen zu müssen. Der am Ende des Prozesses stehende, unabhängige Auditor kennt alle Lücken. Ein fachlich qualifiziertes Unternehmen und ein bewährtes System an Ihrer Seite sind daher wesentlich rechtssicherer.

Wo liegt der Mehrwert für meinen Praxisalltag?

Es geht beim QM nicht um eine Wertung und Bewertung ärztlicher Tätigkeiten, sondern um die Verbesserung der praxisinternen Abläufe und Handlungen. Hier kann man eine weitreichende Verbesserung der Zeitplanung, der Hygienevorschriften und anderer gesetzlicher Richtlinien erreichen und damit auch Fehlerquellen erkennen und ausräumen, die sonst viel Kraft und Zeit beanspruchen und damit auch personelle Ressourcen binden. Sie können sich einmal den § 135a des Sozialgesetzbuches (SGB V) zu Gemüte führen. In diesem ist die Einführung und Weiterentwicklung eines QM in Zusammenarbeit mit dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geregelt. Auch wenn Sie mit dem Gesetzestext nicht so viel anfangen können, bietet er Ihnen eine gute Rechtsgrundlage. Der G-BA fordert, dass im Zuge des Qualitätsmanagements folgende Bereiche in jedem Fall Berücksichtigung finden müssen: Patientenzufriedenheit, Praxisführung, Mitarbeiterorganisation sowie Praxisorganisation. Es müssen konkrete Qualitätsziele festgelegt sein. Alle Maßnahmen müssen systematisch überprüft und angepasst werden. Es muss Checklisten, Verfahrensanweisungen und Ablaufbeschreibungen geben, die ebenfalls in regelmäßigen Abständen überprüft und eventuell korrigiert werden. In gewissen zeitlichen Abständen sind regelmäßige Patientenbefragungen einzuplanen und es ist ein Beschwerdemanagement einzurichten.

Natürlich ist einiges an Einsatz und auch Zeit gefragt, um die praxiseigenen Abläufe zu dokumentieren und im Arbeitsalltag routiniert und akribisch beizubehalten. QM ist NICHT sinnvoll, wenn es falsch definiert wird. Ihrer Praxis sollte es niemals nur zur Verbesserung der Außendarstellung dienen. Sie sollten es auch leben. Auf die Einführung des QMs sollten Sie sich und Ihre Mitarbeiter vorbereiten (Kasten).

Was ist ein QM-Handbuch und wie wird es entwickelt?

Das QM-Handbuch wird am Ende des Prozesses der QM-Einführung den entscheidenden Faktor für die Zertifizierung darstellen. Es ist die logische Zusammenführung aller Dokumente und Arbeitspapiere, die Sie als Team innerhalb mehrerer spannender und auch anstrengender Monate zusammengetragen haben. Ein gutes Handbuch ist für alle, besonders auch für neue Mitarbeiter, ein unerlässlicher Ratgeber. Sie werden merken, wie häufig Sie im Laufe der stetigen Überprüfung und eventuellen Korrektur der erstellten Unterlagen wieder nachlesen werden.

Folgende Punkte sollten Sie vor Einführung eines QM-Systems beherzigen – sie werden Ihnen und Ihren Mitarbeitern die Umsetzung erleichtern:

  1. Ihre eigenen Vorbehalte – und die hat man, ob man will oder nicht – müssen überdacht und überwunden werden.
  2. Das Team muss von Beginn an in das Vorhaben eingeweiht sein. Eine funktionierende Kommunikation sollten Sie nie aus dem Auge verlieren. TEAM übersetzen Sie fortan nicht mehr mit "Toll, ein anderer macht‘s". Sondern, ganz im Gegenteil: "Tolle Entfaltung aller Möglichkeiten."
  3. Sie müssen deutlich machen, dass die Mehrarbeit durch die Prüfung eingefahrener Prozesse und die Erstellung konkreter Ablaufpläne und Richtlinien letztendlich allen zugutekommt. Es werden weniger zeitraubende Fehlerquellen entstehen, und jeder kann auch einmal "ausfallen". Denn Kolleginnen und Kollegen sind dann anhand vorhandener Checklisten und Verfahrensanweisungen in der Lage, den Part eines anderen für eine gewisse Zeit zu übernehmen.
  4. Sie benötigen Standfestigkeit und Durchhaltevermögen, denn die Einführung des QM-Systems ist erst einmal unbequem; und dafür wird Sie niemand direkt gernhaben.
  5. Machen Sie deutlich, dass es nicht darum geht, alles zu verändern oder besser zu machen. Viele Abläufe in der Praxis sind gut und gar nicht änderungsbedürftig. Grundsätzlich wird aber sehr schnell klar werden, wie sinnvoll es ist, das eigene Tun zu überdenken und einmal neu zu sortieren. Das spart am Ende eine Menge Kraft und Zeit.
  6. Dokumentieren Sie sich aber bei allem Eifer nicht "zu Tode". Klären Sie erst einmal durch Teamsitzungen und Patientenbefragung, wo es hapert, und schauen Sie, was wirklich sinnvoll zu Papier gebracht werden muss. Fangen Sie auch bitte nicht an, plötzlich alles zu sammeln und abzuheften. Es ging vor dem QM ohne diese Maßnahme; mit dem QM geht es auch.

Aber wie erarbeiten Sie ein solches Handbuch und wie stellen Sie es logisch und strukturiert zusammen? Um hier Sicherheit zu gewinnen, erhalten Sie eine Vorlage, wie das Handbuch gegliedert ist.

1. Einleitung

In der Einleitung sollten Sie festlegen, für wen das Handbuch bestimmt ist.

Beispiel: QM-System der Praxis Dr. Gelbzahn, bindend für den gesamten Bereich der bestehenden Gemeinschaftspraxis sowie das Praxislabor. Festgeschrieben werden sollten hier auch der Aufbau und das Ziel des QM-Systems, angelehnt an die nun folgenden Kapitel.

2. Qualitätspolitik

Die QM-Politik wird von der ärztlichen Leitung festgelegt und beschreibt als Leitfaden für alle Mitarbeiter eine Art Grundhaltung oder Zielausrichtung der Praxis bezüglich festgelegter Qualitätskriterien. Dies kann sowohl die Betreuungs- und Servicequalität gegenüber den Patienten sein, aber auch die Zufriedenheit aller Mitarbeiter am Arbeitsplatz umfassen.

3. Organisation, Verantwortung

Hier werden das Praxis-Organigramm (Aufbau der Praxis, Hierarchien etc.) aufgeführt sowie Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten innerhalb der Praxis benannt.

4. Qualitätsmanagementsystem

Beschreiben Sie hier das QM-System, welches in der Praxis eingeführt wurde, und bestimmen Sie Richtlinien für die Dokumentation. Eine Zweckbestimmung des Handbuches sollte hier definiert werden. Wer arbeitet mit welchen Dokumenten? Welche QM-Nachweise gibt es? Wer ist für die gesamte Umsetzung und Prüfung verantwortlich und sorgt für allgemeine Kenntnis der erarbeiteten Prozesse?

5. Verantwortung der Leitung

Hier werden Verantwortlichkeiten und Befugnisse festgelegt. Es ist eine Erklärung der Praxisleitung darüber erforderlich, dass die Qualitätspolitik und -ziele festgelegt und überwacht, die Verfügbarkeit von Ressourcen sichergestellt, und den Mitarbeitern die Bedeutung der Patientenanforderungen und der gesetzlichen Forderungen vermitteln werden. Die Praxisleitung ist verantwortlich für die Endbewertung der Prozesse. Teile dieser Aufgaben sollten jedoch auch an die Praxismanagerin abgegeben werden, dies ist hier schriftlich zu fixieren.

6. Management von Ressourcen

In diesem Kapitel müssen Sie aufzeigen, welche Mittel zur Verfügung gestellt werden, um das QM-System umzusetzen und zu überwachen. Sie beschreiben, wie Schulung, Qualifikation und die Einarbeitung des Personals erfolgen werden, wie die Arbeitsplätze entsprechend ausgerüstet und die hygienischen sowie räumlichen Arbeitsbedingungen angepasst werden sollen.

7. Dienstleistungsrealisierung

Hier haben wir definitiv den relevantesten Teil des Handbuches erreicht. Den Teil, in dem alle Prozesse und Abläufe beschrieben werden – vom Eintreffen des Patienten in der Praxis, dem Telefon, der Terminvergabe, bis hin zu Abrechnung und Hygienemaßnahmen. Aufgeführt werden müssen einzelne Arbeitsschritte, Dienstleistungseinforderungen und Verfahrensfestlegung. Wie wird Material beschafft, wie wird sichergestellt, dass einzelne Behandlungen rückverfolgt werden können? Weiterhin wird festgelegt, wie Patientenanforderungen und Behandlungsbewertungen erfolgen und welche Art der Kommunikation in der Praxis besonders im Hinblick auf die Patienten gepflegt werden soll.

8. Messung, Analyse und Verbesserung

  • Hier sollen Zeiträume für interne Audits bestimmt und ein konstruktives Beschwerdemanagement beschrieben werden. Die Maßnahmen für ein sog. "Incident Reporting" (schriftliche Niederlegung von "Beinahe-Fehlern" und was zu tun ist, wenn Fehler dennoch auftreten) werden an dieser Stelle erläutert.
  • Zeiträume für die Analyse der Daten, die im Zuge des QMs erhoben wurden, werden festgelegt.
  • Maßnahmen für kontinuierliche Verbesserungsprozesse sollen beschrieben werden.

9. Anhang

Der Anhang enthält Dokumente wie Checklisten, Verfahrensanweisungen, Formulare, Kopiervorlagen, Fragebögen, Stellenbeschreibungen.

Wenn Sie am Ende des Artikels angelangt sind, mag das alles für Sie vielleicht sehr aufwendig und schwierig klingen. Das ist aber ein Trugschluss. Im Grunde ist es nur eine Zusammenfassung der Dinge, die Sie vorher im Team über eine geraume Zeit hinweg aufgelistet und ausgearbeitet haben.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrem Qualitätsmanagement.

Tipp

Sinnvoll ist es, in der Zeit der Einführung des QMs alle Mitarbei-ter(innen) einmal in allen Bereichen Tätigkeiten ausführen und die Abläufe notieren zu lassen. Denn so entsteht bei der Zusammenführung aller Listen letztlich ein wirklich brauchbares Dokument.


Autorin:
Beraterin, Trainerin, Systemischer Coach, Mediatorin
40489 Düsseldorf
www.kpp-management.de

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2017; 39 (18) Seite 78-81
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.