Patientenrechtegesetz Was Ärzte nun beachten müssen

Praxisführung Autor: I. Dürr

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Mit dem Frühjahr ist nun auch das neue Patientenrechtegesetz in Kraft getreten. Es bündelt erstmals die Rechte von Patientinnen und Patienten und entwickelt sie in wesentlichen Punkten weiter, so der Gesetzgeber. Ziel ist der mündige Patient, so Bundesgesundheitsminister Bahr, der informiert und aufgeklärt wird und so dem Arzt auf Augenhöhe gegenübertreten kann. Es ist zu erwarten, dass das neue Gesetz beim Praxismanagement und im Arzt-Patienten-Verhältnis zu einem zeitlichen Mehraufwand für Aufklärung und Dokumentation führen wird. Wir beschreiben im Folgenden die wichtigsten Regelungen etwas ausführlicher.

Das Patientenrechtegesetz (PRG) ergänzt das Bürgerliche Gesetzbuch nun um einen eigenen Abschnitt. Darin ist der Behandlungsvertrag als neuer Dienstvertragstyp enthalten, in dem das Verhältnis zwischen Patienten und Ärzten, aber auch zu anderen Heilberufen, wie Heilpraktikern, Hebammen, Psycho- oder Physiotherapeuten, zentral geregelt wird.

"Durch den Behandlungsvertrag wird derjenige, welcher die medizinische Behandlung eines Patienten zusagt (Behandelnder), zur Leistung der versprochenen Behandlung, der andere Teil (Patient) zur Gewährung der vereinbarten Vergütung verpflichtet, soweit nicht ein Dritter zur Zahlung verpflichtet ist." (BGB § 630a Absatz 1)

Dabei ist zu beachten, dass die private Krankenversicherung (PKV) nicht Dritter im Sinne dieser Vorschrift ist. Die PKV schuldet den Kostenersatz aus dem Krankenversicherungsvertrag nur gegenüber dem Patienten und ist daher aus dem Behandlungsvertrag gegenüber dem Arzt nicht zur Zahlung verpflichtet.

Behandlung nach medizinischem Standard

Welche Behandlungsqualität der Arzt dem Patienten schuldet, stellt das PRG wie folgt klar:

"Die Behandlung hat nach den zum Zeitpunkt der Behandlung bestehenden, allgemein anerkannten fachlichen Standards zu erfolgen, soweit nicht etwas anderes vereinbart ist." (BGB § 630 an Absatz 2)

Daraus ergibt sich also auch die Möglichkeit, in begründeten Einzelfällen in Absprache mit dem Patienten abzuweichen, zum Beispiel bei schweren Erkrankungen, wenn keine anerkannten Methoden mehr zur Verfügung stehen (sog. individueller Heilversuch).

Ärztliche Informationspflichten

Nach den neuen Bestimmungen ist der Arzt verpflichtet, den Patienten "in verständlicher Weise zu Beginn der Behandlung und, soweit erforderlich, in deren Verlauf sämtliche für die Behandlung wesentlichen Umstände zu erläutern, insbesondere die Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen." (BGB § 630 c)

Dies ist im Grunde nicht neu, sondern wird durch die gängige Rechtsprechung schon seit Jahren so gehandhabt. Die gesetzlich vorgeschriebene Aufklärung erfordert, dass grundsätzlich alle Patienten umfassend über eine bevorstehende konkrete Behandlungsmaßnahme und über die sich daraus ergebenden Risiken aufgeklärt werden müssen. Damit sich der Patient seine Entscheidung gut überlegen kann, muss rechtzeitig vorher ein persönliches Gespräch geführt werden. Eine schriftliche Aufklärung reicht alleine nicht aus. Auch Patientinnen und Patienten, die aufgrund ihres Alters oder ihrer geistigen Verfassung nicht in der Lage sind, allein über die Behandlungsmaßnahme zu entscheiden, werden künftig verstärkt mit in den Behandlungsprozess eingebunden, indem das Gesetz festlegt, dass auch ihnen die wesentlichen Umstände der bevorstehenden Behandlung zu erläutern sind.

Behandlungskosten erläutern

Neu ist hingegen ein Passus zur wirtschaftlichen Informationspflicht, der sich auf die mit der Behandlung verbundenen Kostenfolgen bezieht. Ist dem Arzt bekannt, dass die Behandlungskosten nicht vollständig von der Krankenkasse übernommen werden, so muss er den Patienten vor Behandlungsbeginn schriftlich darüber informieren. Diese Informationspflicht gilt dann nicht, wenn die Behandlung unaufschiebbar ist, erhebliche therapeutische Gründe der Patienteninformation entgegenstehen oder der Patient ausdrücklich darauf verzichtet. Die schriftliche Informationspflicht soll auch für Angebote von Individuellen Gesundheitsleistungen (IGeL) gelten. Erst nachdem der Patient auf diese Weise aufgeklärt ist, darf und muss der Behandelnde die Einwilligung des Patienten in die Behandlung einholen.

"Vor der Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, ist der Behandelnde verpflichtet, die Einwilligung des Patienten einzuholen." (§ 630d Absatz 1 Satz 1)

Für diese ist zwar keine bestimmte Form vorgeschrieben, es empfiehlt sich aber, dies schriftlich zu tun. Der Patient kann sich diese Unterlagen auch als Kopien aushändigen lassen, er muss aber die Kosten dafür übernehmen.

Über Behandlungsfehler informieren

Unter bestimmten Voraussetzungen muss der Arzt den Patienten auch über Behandlungsfehler aufklären. Im Gesetz heißt es dazu:

"Sind für den Behandelnden Umstände erkennbar, die die Annahme eines Behandlungsfehlers begründen, hat er den Patienten über diese auf Nachfrage oder zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren zu informieren." (§ 630c Absatz 2 Satz 2)

Das Neue daran ist die Verpflichtung, eine solche Information auch auf Nachfrage des Patienten zu erteilen. Dies gilt auch dann, wenn dies eigentlich nicht zur Abwendung gesundheitlicher Gefahren erforderlich ist. Wie sich das in der Praxis umsetzen lassen wird, bleibt abzuwarten. Denn wenn der Arzt sich keines Behandlungsfehlers bewusst ist, wird er dies dem Patienten wohl auch kaum mitteilen können.

Noch mehr Dokumentation

Nach dem neuen § 630 ist der Arzt verpflichtet, „zum Zweck der Dokumentation in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit der Behandlung eine Patientenakte in Papierform oder elektronisch zu führen“. Als unmittelbarer zeitlicher Zusammenhang wird hier von Experten eine Zeitspanne von zwei bis 14 Tagen angesehen. Bei einer erforderlichen Weiterbehandlung des Patienten durch einen anderen Arzt oder eine medizinische Einrichtung muss die Dokumentation aber auch früher erstellt werden. Nachträgliche Änderungen in der Patientenakte müssen künftig, auch in ihrer zeitlichen Abfolge, als solche kenntlich gemacht werden.

Patientenakten sind vollständig und sorgfältig zu führen. In ihr müssen sämtliche aus fachlicher Sicht für die derzeitige und künftige Behandlung wesentlichen Maßnahmen und deren Ergebnisse aufgezeichnet sein. Dazu gehören Anamnese, Diagnosen, Untersuchungen und deren Ergebnisse, Befunde, Therapien und ihre Wirkungen, Einwilligungen, Aufklärungen und Arztbriefe. Fehlt die Dokumentation oder ist sie unvollständig, wird in einem möglichen Prozess zu Lasten des Behandelnden vermutet, dass die nicht dokumentierte Maßnahme auch nicht erfolgt ist. Behandelnde sind künftig auch verpflichtet, zum Schutz von elektronischen Dokumenten eine manipulationssichere Software einzusetzen. Es ist daher zu empfehlen, die Praxissoftware darauf zu überprüfen, ob sie den neuen gesetzlichen Anforderungen genügt.

Darüber hinaus wird Patienten ein gesetzliches Recht zur Einsichtnahme in ihre Patientenakte eingeräumt, das nur unter strengen Voraussetzungen und künftig nur mit einer Begründung abgelehnt werden darf – wenn etwa das Therapieziel oder generell die Gesundheit des Patienten dadurch gefährdet oder sonstige erhebliche Rechte Dritter tangiert würden. Der Patient kann Abschriften seiner Akte verlangen. Die Kosten für Kopien und für den Versand muss der Patient tragen. Ärzte, die sich auf den Worst Case vorbereiten wollen, sollten in der Patientenakte alle potenziell fallrelevanten Einzelheiten der Behandlung detailliert und vollständig festhalten. Diese sollte dann über die gesamte Verjährungsfrist von zehn Jahren nach Abschluss der Behandlung aufbewahrt werden.

Keine grundsätzliche Beweislastumkehr

Extremeren Forderungen nach einer vollständigen Beweislastumkehr zu Lasten der Ärzte hat der Gesetzgeber eine Absage erteilt. Eine Beweislastumkehr gibt es im Gesetz jetzt nur bei groben Behandlungsfehlern, etwa bei schwerwiegenden fehlerhaften Befunderhebungen, schweren Organisationsfehlern oder Hygienemängeln.

Künftig sind die Kranken- und Pflegekassen verpflichtet, ihre Versicherten bei der Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aus Behandlungsfehlern zu unterstützen. Zudem wird dafür gesorgt, dass Versicherte ihre Leistungen schneller erhalten. Krankenkassen müssen spätestens binnen drei, bei Einschaltung des Medizinischen Dienstes binnen fünf Wochen über einen Leistungsantrag entscheiden. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes für eine Fristüberschreitung, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt.

Für Ärzte wächst der bürokratische Aufwand

Die Rechte der Patienten zu stärken ist sicherlich ein legitimes Anliegen. Mit dem Patientenrechtegesetz werden den Ärzten nun aber noch mehr bürokratische Auflagen gemacht. Auch die Allgemeinärztin und stellvertretende Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Regina Feldmann, befürchtet, dass mit dem neuen Gesetz noch mehr Dokumentationsaufgaben auf die Ärzte zukommen, sei es über Arzt-Patienten-Kontakte, über eventuell veranlasste Leistungen oder über Telefongespräche, die im Rahmen der Behandlung notwendig werden. Wie groß der tatsächliche Aufwand ist, um die gesetzlichen Regelungen in der Praxis umzusetzen, wird sich wohl bald zeigen. Und vieles wird dann wohl doch noch von Gerichten en détail geklärt werden müssen.▪

Dr. Ingolf Dürr

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (5) Seite 64-67
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.