Nach Milzentfernung Was ist beim Impfen zu beachten?

Autor: Andreas H. Leischker

© © Gino Santa Maria - Fotolia

Darf man Patienten unter Immunsuppression oder nach Splenektomie impfen (z. B. Pneumokokken, Meningokokken) bzw. was ist dabei zu beachten?

Antwort:

Ja! Patienten nach Splenektomie und mit Immunsuppression aus anderen Gründen haben ein besonders hohes Risiko für lebensbedrohliche Infektionen und müssen deshalb – neben den Standardimpfungen – zusätzliche Impfungen erhalten.

Nach einer Splenektomie haben Patienten ein besonders hohes Risiko für invasive Infektionen durch bekapselte Bakterien und Parasiten. Menschen ohne Milz können eine Postsplenektomiesepsis (PSS)/ eine Overwhelming Postsplenectomy Infection (OPSI) entwickeln. Die Sterblichkeit der PSS ist mit 50 – 70 % sehr hoch. Die Erkrankung verläuft in der Frühphase in der Regel ohne erkennbaren Fokus. Weitere typische Erreger sind Meningokokken und nach Tierbissverletzungen Capnocytophaga canimorsus. Patienten mit funktioneller oder anatomischer Asplenie sind darüber hinaus für schwer verlaufende intraerythrozytäre Parasitosen, wie Babesiose und Malaria, gefährdet. Die gleichen Infektionsrisiken bestehen auch bei anatomisch erhaltener, aber funktionsunfähiger Milz.

Für Patienten nach Splenektomie werden folgende Impfungen – zusätzlich zu den Standardimpfungen – empfohlen:

Pneumokokken:

Initial Impfung bevorzugt mit dem 13-valenten Pneumokokken-Konjugatimpfstoff (PCV-13, Prevenar13®) und nach sechs Monaten mit PSV-23 (Pneumovax®). Der Schutz wird damit auf weitere Pneumokokken-Kapseltypen ausgeweitet.

Haemophilus influenzae:

Die Kolonisierungsraten mit H. influenzae Typ b bei Kindern und in der Allgemeinbevölkerung sind seit der Einführung des Kapsel-Konjugatimpfstoffs 1990 deutlich gefallen. Auch ohne Impfung werden im Laufe des Lebens durch Erregerkontakt protektive Antikörpertiter erworben, die jedoch mit zunehmendem Alter wieder abfallen. Sollte ein Kind ungeimpft sein, wird im Rahmen einer Splenektomie oder der Neudiagnose einer funktionellen Asplenie die umgehende (Nach-)Impfung gegen H. influenzae Typ b empfohlen. Bei Erwachsenen empfiehlt die STIKO die (einmalige) Impfung im Rahmen einer Splenektomie.

Meningokokken:

In Deutschland wird die Mehrzahl der Erkrankungen durch Erreger der Serogruppe B (ca. 65 %) und C (ca. 25 %) verursacht. Empfohlen wird die Impfung mit einem Impfstoff gegen die Serogruppen B und gegen ACYW135.

Mittlerweile stehen zwei gut wirksame Impfstoffe gegen Meningokokken der Serogruppe B zur Verfügung: Bexsero® und Trumenba®.

In Deutschland stehen zwei gut wirksame Konjugatimpfstoffe gegen Meningokokken der Serogruppen ACYW135 zur Verfügung: Nimenrix® und Menveo®. Bei Asplenie wird ein schlechteres Ansprechen auf eine einmalige Impfung mit Meningokokken-Konjugatimpfstoff beobachtet, weshalb in den US-amerikanischen Leitlinien (ACIP) eine zweimalige Impfung mit MCV-ACWY innerhalb von zwei Monaten empfohlen wird. Die ACIP empfiehlt eine Auffrischungsimpfung mit MCV-ACWY im Fünfjahresabstand.

Saisonale Influenza:

Auch wenn es derzeit keine klare Impfempfehlung für Splenektomie-Patienten für Influenzaimpfungen gibt, sollte eine jährliche Impfung mit dem quadrivalenten Influenzaimpfstoff erfolgen. Die Gründe liegen in dem hohen Risiko für Sekundärinfektionen durch Pneumokokken, die bei Influenza-Erkrankungen auftreten können.

Bei einer elektiven Splenektomie sollte spätestens zwei Wochen vor Splenektomie, ansonsten zwei Wochen nach der Splenektomie geimpft werden.

Bei laufender Chemotherapie, nach Rituximab-Behandlung oder bei hochdosierter Kortikosteroidgabe (≥ 20 mg Prednisolon oder Dosisäquivalent für ≥ 4 Wochen) sollte ein Impfabstand von ein bis drei Monaten eingehalten werden.

Lebendimpfungen sind dagegen bei schwerer Immunsuppression in der Regel kontraindiziert. Als Beispiel führt die Fachinformation des Gelbfieberlebendimpfstoffs Stamaril® unter "Gegenanzeigen" aus:

"Immunsuppression, kongenital, idiopathisch oder nach Behandlung mit systemischen Steroiden (in einer höheren als der Standard-Dosierung von topischen oder inhalativen Steroiden), nach Bestrahlung oder nach Behandlung mit Zytostatika, Dysfunktion des Thymus in der Anamnese (einschließlich Myasthenia gravis, Thymom und Thymektomie), symptomatische HIV-Infektion, asymptomatische HIV-Infektion bei nachgewiesener verminderter Immunfunktion."


Autor:
Facharzt für Innere Medizin – Reisemedizin Sachverständiger Gelbfieberimpfstation
Alexianer Krefeld GmbH
47918 Krefeld

Interessenkonflikte: Beratertätigkeit (Advisory Board) für die Firmen Sanofi und GSK

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2020; 42 (2) Seite 54
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.