Praxis-Formen Zusammenarbeit kennt viele Formen

Praxisführung Autor: P. Peikert, S. Schmike

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Jeder Arzt in Einzelpraxis hat vermutlich schon einmal überlegt, ob der Schritt in eine ärztliche Kooperation sinnvoll oder lohnend sein könnte. Tatsächlich entscheiden sich immer mehr Niedergelassene für eine gemeinsame Berufsausübung.

Existierten im Jahr 1990 laut Angaben der KBV noch 14 736 Gemeinschaftspraxen, so sind es heute bereits über 20 000. Zudem haben sich aufgrund gesetzlicher Änderungen in den letzten Jahren neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit eröffnet. Dieser Beitrag stellt Ihnen die aktuellen Optionen vor und vermittelt einige grundlegende Entscheidungshilfen. Ausgeklammert bleiben besondere Formen der Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten mit Krankenhäusern, da dieser Bereich eher die Verzahnung von ambulanten und stationären Versorgungsstrukturen betrifft.

Anstellung

Die Anstellung eines Arztes stellt eine unkomplizierte Form der kollegialen Berufsausübung in der gleichen Praxis dar, ohne eine Berufsausübungsgemeinschaft im vertragsarztrechtlichen Sinne zu sein. In nicht gesperrten Gebieten ist die Anstellung auf Antrag und mit Genehmigung des Zulassungsausschusses prinzipiell ohne weiteres möglich, wobei dies nicht zur Zulassung des Angestellten führt, der vielmehr auf der Zulassung des Praxisinhabers tätig wird. In gesperrten Planungsbereichen kann die Anstellung eines Arztes zunächst in der Form erfolgen, dass er auf seine Zulassung zugunsten der Anstellung in einer Vertragsarztpraxis verzichtet. Der angestellte Arzt ist dann auf einer sogenannten Arztstelle tätig, die neuerdings unter bestimmten Voraussetzungen wieder in eine Zulassung umgewandelt werden kann. Schließlich kann im gesperrten Gebiet ein Arzt auch ohne Einbringung eines Sitzes durch Verzicht angestellt werden. Dann müssen anstellender und angestellter Arzt allerdings dem gleichen Fachgebiet angehören, und der Leistungsumfang der Praxis darf sich nicht wesentlich erhöhen. Ein angestellter Arzt kann unter Umständen auch in einer Filiale der Praxis oder in einem anderen Fachgebiet als der anstellende Arzt tätig werden. Letzteres hängt davon ab, ob die Anstellung in einem gesperrten Gebiet erfolgen soll.

Berufsausübungsgemeinschaften

Engste Form der Kooperation ist die Berufsausübungsgemeinschaft (BAG). Sie zeichnet sich laut Bundessozialgericht durch eine gemeinschaftliche Behandlung von Patienten in gemeinsamen Praxisräumen bei gemeinsamer Karteiführung und gemeinsamer Abrechnung aus. Hiermit ist zunächst die klassische Gemeinschaftspraxis gemeint. Neben der fachgleichen BAG, bei der die Partner demselben Fachgebiet angehören, kann eine BAG mittlerweile nicht nur fachübergreifend, sondern auch überörtlich oder auf einzelne Leistungen beschränkt sein („Teil-BAG“). Nach § 15 a Abs. 5 Bundesmantelvertrag-Ärzte ist eine solche Teil-BAG nur zulässig, wenn ein zeitlich begrenztes Zusammenwirken der Ärzte erforderlich ist, um Patienten gemeinschaftlich zu versorgen. Unzulässig ist die Teil-BAG unter anderem dann, wenn sie nur dazu dient, das Verbot der Zuweisung von Versicherten gegen Entgelt zu umgehen. Das sei insbesondere der Fall, wenn sich der Beitrag des Arztes auf das Erbringen medizinisch-technischer Leistungen auf Veranlassung der übrigen Mitglieder einer BAG beschränkt oder wenn der Gewinn ohne Grund in einer Weise verteilt wird, die nicht dem Anteil der persönlich erbrachten Leistungen entspricht. Doch wann ist Letzteres der Fall? „Gemeinschaftliche Versorgung“ und die Unwägbarkeiten der Gewinnverteilung schränken den Anwendungsbereich der Teil-BAG ein, im GKV-Bereich sind kaum Genehmigungen erreichbar.

Organisationsgemeinschaften

Bei den Organisationsgemeinschaften finden sich verschiedene Varianten, allen voran die Praxisgemeinschaft. Hierbei handelt es sich um einen Zusammenschluss zweier oder mehrerer Ärzte gleicher oder verschiedener Fachrichtung allein zwecks gemeinsamer Inanspruchnahme von Praxisräumen, -einrichtungen und -personal. Im Übrigen bleibt es bei der selbstständigen Praxisführung der beteiligten Ärzte mit jeweils eigenem Patientenstamm, eigener Patientenkartei und selbstständiger privat- und vertragsärztlicher Abrechnung. Die Praxisgemeinschaft ist zwischen allen Ärzten und auch zwischen verschiedenen Berufsausübungsgemeinschaften möglich. Eine spezielle Unterform der Praxisgemeinschaft ist die Apparategemeinschaft – ein organisierter Zusammenschluss mehrerer Ärzte gleicher oder unterschiedlicher Fachgebiete zwecks gemeinsamer Nutzung von medizinisch-technischen Einrichtungen. Zu den Organisationsgemeinschaften zählt auch die Laborgemeinschaft – laut Bundesmantelvertrag-Ärzte eine Gemeinschaftseinrichtung von Vertragsärzten zu dem Zweck, labormedizinische Analysen regelmäßig in derselben gemeinschaftlich genutzten Betriebsstätte zu erbringen. Ob diese Einordnung nach Einführung der Direktabrechnung für Laborgemeinschaften noch korrekt ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist die Laborgemeinschaft keine BAG. Kennzeichnend für Organisationsgemeinschaften ist somit eine Vergesellschaftung lediglich auf der Ausgabenseite, während die BAG eine Vergesellschaftung auch auf der Einnahmenseite bezweckt.

MVZ

Medizinische Versorgungszentren (MVZ) dagegen sind fachübergreifende, ärztlich geleitete Einrichtungen, in denen Ärzte, die in das Arztregister eingetragen sind, als Angestellte oder Vertragsärzte tätig sind. Seit dem 1. Januar 2012 ist die Gründung eines MVZ nur noch durch zugelassene Ärzte, zugelassene Krankenhäuser, Erbringer nichtärztlicher Dialyseleistungen oder von gemeinnützigen Trägern möglich.

Schließlich gibt es sogenannte Praxisnetze als losen Verbund von Praxen, die fachlichen Austausch, gemeinsame Qualitätssicherung oder die Bildung einer Einkaufsgemeinschaft zum Ziel haben.

Welche Form wählen?

Der Weg vom „Einzelkämpfer“ in eine Kooperation kann vielfältig motiviert sein, häufig stehen jedoch zukunftssichernde oder wirtschaftliche Überlegungen im Vordergrund. Ein Grund kann auch die Vorbereitung der Praxisabgabe an einen Nachfolger sein. Bei aller Hoffnung auf bessere Positionierung oder Rentabilität der Praxis darf allerdings die persönliche Komponente eines solchen Schritts nicht außer Acht gelassen werden. Bereits mit der Gründung einer Praxisgemeinschaft können Personal, Räume, Geräte etc. gemeinsam getragen („Cost-Sharing“) und besser ausgelastet werden. Obwohl die beteiligten Praxen hierbei (vertrags-)arztrechtlich selbstständig bleiben, kann sich auch eine reine Organisationsgemeinschaft positiv auf die Einnahmenseite auswirken. Für Patienten bietet sich unter Umständen allein durch die räumliche Verbindung von Praxen unterschiedlicher, sich ergänzender Fachrichtungen eine komplettere Versorgung, die – das Einverständnis des Patienten vorausgesetzt – eine enge fachliche Abstimmung und Behandlungsplanung begünstigt.

BAG: Flexibel und rentabel

Tritt zur Vergesellschaftung auf der Einnahmenseite die gemeinsame Berufsausübung in Form einer BAG hinzu, ergeben sich zusätzliche positive Effekte. So lassen sich Sprechstundenzeiten ausdehnen und gleichzeitig die Arbeitszeiten der einzelnen Partner verringern, aber auch breitere medizinische Angebote vorhalten. Zudem können sich die Partner gegenseitig vertreten. All dies kann zu einer besseren Rentabilität beitragen – nach jüngsten Auswertungen der KBV versprechen zumindest fachgleiche BAG im Verhältnis zur Einzelpraxis höhere Überschüsse. BAGs werden KV-abhängig gegebenenfalls auch durch Zuschläge bezogen auf das Abrechnungsvolumen begünstigt.

Als weiteren Vorzug ermöglicht die BAG einen schrittweisen Ausstieg aus dem Berufsleben bzw. eine sanfte Übergabe der Praxis an einen Nachfolger durch sogenannte Übergangs-Gemeinschafts-praxen. Zudem ermöglichen Regelungen zum Job-Sharing trotz Zulassungssperren die Gründung oder – in sehr engen Grenzen – die Erweiterung einer Gemeinschaftspraxis. Mit Blick auf künftig zunehmende einzelvertragliche Regelungen zwischen Krankenkassen und Vertragsärzten kann eine größere BAG unter Umständen auch mehr Verhandlungsmacht bedeuten, beispielsweise bei einer überörtlichen BAG von Allgemeinärzten, die wesentliche Teile eines Versorgungsbereichs abdecken. Diesen Vorteilen steht gegenüber, dass der vorher in Einzelpraxis tätige Arzt einen wesentlichen Teil seiner unternehmerischen Freiheit aufgibt, denn über alle wichtigen Entscheidungen werden sich die Partner prinzipiell einig werden müssen. Ein weiterer Nachteil im Vergleich zur Einzelpraxis und zur Praxisgemeinschaft ist, dass der Partner einer BAG sowohl für Behandlungsfehler als auch für Regresse der Partner mithaftet. Das MVZ ist der BAG aus dem Blickwinkel der Kooperationsform sehr ähnlich, da für beide die gemeinsame Berufsausübung charakteristisch ist. Ein ursprünglicher Vorteil des MVZ gegenüber der Gemeinschaftspraxis wurde dadurch neutralisiert, dass Letztere seit 2007 ebenfalls Ärzte anstellen kann. Auch sind beide Formen im Rahmen der ärztlichen Tätigkeit und der Rechtsformenwahl im Wesentlichen identisch. Das MVZ bietet indes die Möglichkeit zur Beteiligung von Nichtärzten, aktuell aber im Wesentlichen auf Krankenhäuser begrenzt. Auch gewährleistet das MVZ in der Regel eine bessere Bindung der vertragsärztlichen Zulassungen, da zumindest in der Angestelltenvariante die Zulassung bei der Institution MVZ und nicht beim einzelnen Arzt liegt.

Risiko inklusive

Eine wichtige Weichenstellung bei der Entscheidung für oder gegen eine Kooperation sollte sich auf der persönlichen Ebene abspielen. In Partnerschaften entzünden sich früher oder später häufig Konflikte an unterschiedlichen Vorstellungen über die Gewinnverteilung, an der Qualität und dem Umfang der ärztlichen Tätigkeit, am Umgang mit Patienten oder dem persönlichen Engagement der Partner. Die Aussicht auf eine bessere Rentabilität der Praxis kann sich schnell relativieren, wenn Disharmonien der Partner den Praxisbetrieb beeinträchtigen und es schlimmstenfalls zu einer zeit- und kostenintensiven Auseinandersetzung mit der Folge einer teuren Trennung kommt. Die Entscheidung zugunsten einer Kooperation ist somit im Wesentlichen auch eine persönliche Entscheidung. Diesem Umstand tragen die Entwicklungen der letzten Jahre in Rechtsprechung und Gesetzgebung insoweit Rechnung, als zunehmend Rahmenbedingungen für die ärztliche Berufsausübung geschaffen wurden, die ein Kennenlernen oder eine Erprobung der gemeinsamen Berufsausübung ermöglichen bzw. erleichtern. Hier stechen zwei Entwicklungen besonders heraus: Mit Inkrafttreten des Vertragsarztrechtsänderungsgesetzes zum 1. Januar 2007 wurden Vertragsärzte im Hinblick auf die Anstellung von Ärzten mit MVZ gleichgestellt, sodass der Arzt in Einzelpraxis problemlos zunächst im Rahmen einer Anstellung mit einem Kollegen zwar nicht in einer gemeinsamen, aber doch in einer Praxis praktizieren kann. Aber auch bei einem partnerschaftlichen Zusammenschluss in Form einer BGB-Gesellschaft billigt die Rechtsprechung mittlerweile eine Kennenlernphase von bis zu drei Jahren zu, um eine nachhaltig gedeihliche und auskömmliche Zusammenarbeit zu erproben. Innerhalb dieses Zeitraums besteht prinzipiell die Möglichkeit, eine sogenannte "Hinauskündigung" ohne wichtigen Grund zu vereinbaren, die ansonsten unzulässig ist.

Fazit

Mit Blick auf die dargelegten Optionen und deren vielfältige Vor- und Nachteile kann es nicht verwundern, dass es keine generelle und eindeutige Antwort auf die Frage gibt, ob eine bestimmte Kooperationsform der Einzelpraxis vorzuziehen ist. Im Einzelfall können zudem weitere Aspekte etwa steuerlicher Art ebenso eine Rolle spielen wie strategische Fragen der Vergütungsstrukturen oder der Verwertung von Vertragsarztsitzen, deren Behandlung den Rahmen dieses Überblicks sprengen würde. Prinzipiell gilt jedoch: Sofern die persönliche Bereitschaft zum Verzicht auf unternehmerische Unabhängigkeit besteht, spricht mehr für eine Kooperation als für die Einzelpraxis. Dabei erscheint insbesondere die BAG vorteilhaft, da sie in der Regel wirtschaftlich attraktiver ist als die Praxisgemeinschaft. Letztere bietet indes eine gute Option, die Kostenseite zu optimieren und bei der Berufsausübung dennoch sein eigener Herr zu bleiben.

Kontakt
Rechtsanwälte Peter Peikert und Dr. Stefan Schimke
PWK & Partner Rechtsanwälte, Dortmund

Erschienen in: Der Allgemeinarzt, 2013; 35 (2) Seite 24-27
Dieser Beitrag wurde ursprünglich auf doctors.today publiziert.

Organisationsgemeinschaften und Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) sind die verbreitetsten Kooperationsformen. Sie erlauben dem Arzt ein unterschiedliches Maß an Selbstständigkeit. Organisationsgemeinschaften und Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) sind die verbreitetsten Kooperationsformen. Sie erlauben dem Arzt ein unterschiedliches Maß an Selbstständigkeit.