DiGA Tagebuch für 2.000 Euro?
Veränderungen wie der demografische Wandel fordern von jedem Einzelnen eine höhere Gesundheitskompetenz, argumentiert Dr. Irmgard Landgraf, niedergelassene Internistin in Berlin. DiGA sollen unter anderem helfen, Symptome zu lindern und Betroffene im Umgang mit ihrer Erkrankung zu schulen.
Die Kollegin berichtet, dass Patienten sie kaum nach DiGA fragen – die meisten wüssten nichts von dieser Option. Das gelte teilweise sogar für medizinisch tätiges Personal. „Da muss sicherlich noch einiges an Aufklärung passieren“, meint die Ärztin. Etwa jeder zweite Betroffene, dem sie eine Gesundheitsapp empfehle, lasse sich ein Rezept ausstellen, nur ein Teil löse dieses ein. „Allerdings habe ich nie erlebt, dass eine Krankenkasse dann die Übernahme der Kosten abgelehnt hat“, relativiert Dr. Landgraf das Problem der Genehmigung.
Wissenslücken auch bei medizinischem Personal
Die Kontrolle des Behandlungserfolgs findet sie schwierig. „Wenn ich eine DiGA verordnet habe, fordere ich die Patienten auf, mir mitzuteilen, ob die DiGA genehmigt wurde und ob sie damit auch angefangen haben“, berichtet die Hausärztin. Sie kläre ebenfalls über die hohen Preise auf und appelliere, einmal beantragte DiGA auch zu nutzen.
„Es geht langsam voran“, kommentiert Dr. Landgraf die Ergebnisse einer repräsentativen bundesweiten Online-Umfrage der Stiftung Gesundheit im Herbst 2022. Immerhin habe sich der Anteil der Ärzte, die über Erfahrungen mit DiGA verfügen, im letzten Jahr verdoppelt. Mittlerweile hat gut jeder Dritte schon einmal ein Rezept für eine vom BfArM geprüfte Anwendung ausgestellt.
Die Teilnehmer konnten sich einen Einsatz von „Apps auf Rezept“ vor allem für Indikationen vorstellen, die Zeit kosten. Als potenziellen Nutzen nannten sie am häufigsten Dokumentationsfunktionen. „Da war ich schon erstaunt, dass in vielen Fällen die DiGA wie ein Tagebuch genutzt wird“, so die Referentin. Dafür seien sie zu teuer – eine App für Patienten mit Multipler Sklerose koste etwa über 2.000 Euro. Ziel sei eher eine bessere Gesundheitskompetenz.
40 % der Umfrageteilnehmer gaben als Hemmnis an, der Zeitaufwand für die Verordnung sei zu groß. Dr. Landgraf erläutert den Prozess der Rezeptierung: Zunächst müsse sie sich Zeit fürs Aufklärungsgespräch nehmen, das nicht gesondert vergütet wird. Anschließend ist im Verordnungsmodul anzugeben, dass eine DiGA verschrieben werden soll, und die PZN der Anwendung ist aus dem Verzeichnis des BfArM herauszusuchen und manuell zu übertragen. „Das ist schon zu viel im Alltag. Das muss mit ein bis zwei Klicks gemacht sein.“ Der Patient kontaktiert anschließend die Krankenkasse, die ihm einen Freischaltcode übermittelt.
Verordnung aufwendig und Beratung schlecht vergütet
Dass Patienten DiGA selbst anfordern können, beurteilt die hausärztlich tätige Internistin kritisch. Sie betont die Bedeutung eines ärztlichen Gesprächs: „Natürlich muss ich mit den Patienten darüber sprechen, was die App bei ihnen machen soll, ob es das Richtige für sie ist und wie sie sie nutzen sollen.“ Dort endet ihre Verantwortung jedoch nicht: „Wenn es Fragen gibt, bin ich als Hausärztin zuständig.“
Zusammenfassend stellt Dr. Landgraf vier Forderungen auf, damit DiGA in der Versorgung ankommen:
- mehr Wissen in der Bevölkerung und beim medizinischen Personal
- einfachere Verordnung
- Integration des DiGA-Verzeichnisses in die PVS
- angemessene Honorierung der Beratungsleistung
Kongressbericht: 129. Internistenkongress der DGIM (Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin); Vortrag „Ärztliche Rolle bei der Verordnung von DiGAs: Chancen und Risiken“