Cannabisverordnung ohne Genehmigung? Bei Zweifeln besser die Kasse fragen!

Verordnungen Autor: Michael Reischmann

Der gesetzliche Anspruch besteht bei einer Erkrankung, die lebensbedrohlich ist, oder die aufgrund ihrer Schwere die Lebensqualität von Patient:innen nachhaltig beeinträchtigt. Der gesetzliche Anspruch besteht bei einer Erkrankung, die lebensbedrohlich ist, oder die aufgrund ihrer Schwere die Lebensqualität von Patient:innen nachhaltig beeinträchtigt. © Pix – stock.adobe.com

Die Verpflichtung, vor einer Erstverordnung von medizinischem Cannabis eine Genehmigung der Krankenkasse einzuholen, entfällt künftig für 16 Facharzt- und Schwerpunkt- sowie fünf Zusatzbezeichnungen. Die Regelungen des G-BA gelten – sofern sie nicht vom BMG beanstandet werden – nach Veröffentlichung im Bundesanzeiger. Die KBV rät dennoch, bei Unsicherheiten freiwillig bei der Kasse anzufragen.

Bislang muss in der Regel die erste Verordnung von Cannabisprodukten von der Krankenkasse genehmigt werden; bei Folgeverordnungen ist sie nur bei einem Produktwechsel notwendig, erklärt die KBV. Gemäß Arzneimittel-Lieferengpassbekämpfungs- und Versorgungsverbesserungsgesetz hatte der G-BA nun die Arztgruppen und Qualifikationen zu bestimmen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt entfällt. Der Beschluss des G-BA von Mitte Juli besagt, dass künftig folgende Fachgruppen Cannabis bei schwerwiegenden Erkrankungen ohne Kassenplazet verordnen dürfen:

  • Allgemeinmedizin
  • Anästhesiologie
  • Frauenheilkunde und Geburtshilfe mit Schwerpunkt Gynäkologische Onkologie
  • Innere Medizin
  • Innere Medizin und Angiologie
  • Innere Medizin und Endokrinologie und Diabetologie
  • Innere Medizin und Gastroenterologie
  • Innere Medizin und Hämatologie und Onkologie
  • Innere Medizin und Infektiologie
  • Innere Medizin und Kardiologie
  • Innere Medizin und Nephrologie
  • Innere Medizin und Pneumologie
  • Innere Medizin und Rheumatologie
  • Neurologie
  • Physikalische und Rehabilitative Medizin
  • Psychiatrie und Psychotherapie

Hinzu kommen Ärzt:innen anderer Fachrichtungen, wenn sie eine der folgende Zusatzbezeichnungen haben:

  • Geriatrie
  • Medikamentöse Tumortherapie
  • Palliativmedizin
  • Schlafmedizin
  • Spezielle Schmerztherapie

Alle anderen Fachärzt:innen dürfen Cannabisarzneimittel weiterhin nur verordnen, wenn die Krankenkasse dies vorab genehmigt hat.

Wer bei Unklarheit eine Absicherung möchte, kann freiwillig eine Genehmigung bei der Krankenkasse einholen. Das gilt laut KBV auch für das Ausstellen von Folgeverordnungen durch weiterbehandelnde Ärzt:innen, wenn die Erstverordnung ohne Genehmigung erfolgte. Angesichts möglicher Wirtschaftlichkeitsprüfungen sollten Ärzt:innen davon Gebrauch machen und die Verordnungsvorgaben beachten, rät KBV-Vorstandsmitglied Dr. Sibylle Steiner.

An Voraussetzungen, die für eine Versorgung gesetzlich Krankenversicherter mit Cannabis in Form getrockneten Blüten oder -extrakten sowie Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol und Nabilon zu beachten sind, nennt die KBV: Der gesetzliche Anspruch besteht bei einer Erkrankung, die lebensbedrohlich ist, oder die aufgrund ihrer Schwere die Lebensqualität von Patient:innen nachhaltig beeinträchtigt – sofern eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht verfügbar ist oder nach ärztlicher Einschätzung unter Berücksichtigung der zu erwartenden Nebenwirkungen und des Krankheitszustandes nicht angewendet werden kann. Es muss zudem „eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome“ bestehen. Näheres ist in der Arzneimittel-Richtlinie geregelt, z.B. dass Cannabisarzneimittel vorrangig zu verordnen sind, verglichen mit getrockneten Blüten oder Cannabisextrakten.

Nach Angaben der KBV haben Hausärzt:innen und Anästhesist:innen einen hohen Anteil an den Gesamtverordnungen. Die Bundesvorsitzenden des Hausärztinnen- und Hausärzteverbandes weisen darauf hin, dass es sich beim Kreis derjenigen, bei denen die Verschreibung von Medizinalcannabis infrage kommt, insbesondere um Patient:innen mit Multipler Sklerose oder in der Palliativversorgung handelt.

Grundsätzlich regt der Verbandsvorstand an, nicht „für jede neue Aufgabe im Praxisalltag eine neue Zusatzqualifikation einzufordern“. Dieses Misstrauen gegenüber den ärztlichen Kompetenzen führe „nicht zu einer qualitativ besseren Versorgung, sondern zu immer komplexeren bürokratischen Vorgaben mit dem Ergebnis, dass Patientinnen und Patienten die Versorgung verwehrt wird, die sie brauchen“.