Klima und Dermatologie: Hängt Hautgesundheit vom Klima ab?

Bei der Behandlung atopischer Hauterkrankungen ist die Meidung von sogenannten Trigger-Faktoren wie extremen Temperaturen, Trockenheit oder Stress eine wichtige Strategie. Ob und wie Klimaveränderungen und Hitzewellen auch „pathogen“ wirken, ist ein ganz neues interdisziplinäres Forschungsgebiet. Jetzt reagieren auch die Fachinstitutionen auf diesen Zusammenhang.

Klima- und Gesundheitsszenarien

Bereits heute verursacht die globale Erwärmung des Klimas große Gesundheitsprobleme und wird in den kommenden Jahren zu massiv wachsenden gesundheitlichen Herausforderungen führen.1 Selbst unter den aktuellen Prognosen und bereits beschlossenen Maßnahmen sind globale Temperaturerhöhungen von 2,5 bis 2,9 °C bis Ende des Jahrhunderts zu erwarten2.

Für Deutschland und Mitteleuropa werden vor allem die Auswirkungen durch Hitze von großer Bedeutung sein. So traten z. B. 14 der 20 höchsten Jahresdurchschnittstemperaturen und die heißesten drei Sommer in Deutschland in den 2000er-Jahren auf3. Die Gesundheitsfolgen durch Hitze sind Hitzeerschöpfung und Hitzschlag, Hitzekrämpfe, Sonnenstich und auch Dehydratationen. Aber auch mittel- und langfristige Folgen sind zu erwarten, beispielsweise der Anstieg der Neurodermitisprävalenz, allergischer Rhinokonjunktivitis, allergischem Asthma, bronchialer und allergischer Kontaktekzeme, vektorenübertragener Krankheiten, Infektionskrankheiten sowie wetterbedingten psychischen Erkrankungen. Kinder und Jugendliche sind besonders vulnerabel4.

Hitzewellen und Haut

Hitzewellen wirken sich auf die Haut auf verschiedene Weisen aus, da die Haut eine wichtige „Projektionsfläche“ klimatischer Veränderungen ist. Folgende Auswirkungen von Hitzewellen auf die Haut sehen Experten nach aktuellem Stand:

  • Erhöhte Temperatur mit Einfluss auf die Thermoregulation
  • Dehydration mit Einfluss den Hautzustand
  • Hautausschläge und Hautirritationen mit Einfluss auf den Juckreiz
  • Hautrelevante biologische Vektoren mit Einfluss auf das Infektionsgeschehen
  • UV-Strahlung mit Einfluss auf Sonnenbrände und Hautkrebserkrankungen
  • Hitzebedingte Ereignisse mit Einfluss auf die Herz-/Kreislaufsituation

Weitere Informationen

Erhöhte Temperatur: Die steigenden Umgebungstemperaturen verursachen während einer Hitzewelle die verstärkte Abgabe von Schweiß und Wärme.

Dehydration: Die verstärkte Schweißabgabe während einer Hitzewelle führt zu höheren Flüssigkeitsverlusten der Haut. Dehydrierte Haut kann trocken, rissig und empfindlicher sein.

Hautausschläge und Hautirritationen: In heißem und feuchtem Klima können Hautausschläge auftreten und verursachen Juckreiz und weitere entzündliche Prozesse an/auf der Haut.

Hautrelevante biologische Vektoren: Mücken, Zecken und Sandfliegen sowie sich in ihnen reproduzierende Pathogene treffen häufig auf günstigere Bedingungen zur Ausbreitung. So wurden in den vergangenen Jahren zunehmend nichtendemische Erkrankungen wie Chikungunya-Fieber, West-Nil-Fieber und Dengue-Fieber und die entsprechenden Virenwirte wie die Gelbfiebermücke und asiatische Tigermücke in Europa beobachtet. Das aktuell weitaus bedeutendere Risiko betrifft jedoch die deutliche Zunahme an bereits heimischen vektorübertragenen Erkrankungen wie der Lyme-Borreliose und der Frühsommer-Meningoenzephalitis.

UV-Strahlung: Mit einer zunehmenden Sonnenscheindauer in Deutschland geht auch eine Zunahme der Belastung durch UV-Strahlung einher, wobei die tatsächlich sonnenbrandwirksame Strahlung von weiteren Faktoren wie Bewölkung, in der Luft schwebenden Aerosolen und der Ozonschicht abhängt. Die UV-Strahlen röten, verschmerzen und schädigen die Haut. Ein Anstieg von Hautkrebserkrankungen ist in den kommenden Jahren zu erwarten.

Hitzebedingte Erkrankungen: Eine anhaltende Exposition gegenüber extremen Temperaturen ohne ausreichende Abkühlung und Flüssigkeitszufuhr kann zu Kreislaufereignissen und schwerwiegenderen hitzebedingten Erkrankungen wie Hitzschlag führen.

Durch die klimawandelbedingte Entstehung neuer Lebensräume für invasive Mückenarten in Deutschland ist auch hier mit autochthonen – also lokal übertragenen – Ansteckungen durch insektenvermittelte Infektionskrankheiten zu rechnen, die bisher hauptsächlich in tropischen Regionen vorkommen. Beispielhaft ist hier die asiatische Tigermücke (Aedes albopictus) zu nennen, die das Dengue-Virus und Chikungunya-Virus übertragen kann. Vielfach breiten sich durch den Klimawandel nicht-heimische Pflanzen mit höherem Allergen-Potenzial aus.
Derartige Klima-Gesundheits-Stresssituationen stören das perpetuum mobile des körperlichen und mentalen Wohlbefindens erheblich – mit facettenreichen dermatologischen Folgen.

American Academy of Dermatology reagierte

Eine Stellungnahme der American Academy of Dermatology (AAD) hat diese Fakten aufgegriffen und bestätigt in ihrer Stellungnahme5, dass sich die Risiken voraussichtlich noch verschärfen werden. Die Gesellschaft hebt die Absicht hervor: 

  • das Bewusstsein für die Auswirkungen des Klimawandels auf die Hautgesundheit und Hautkrankheiten zu sensibilisieren,
  • dass sie in Zusammenarbeit mit anderen medizinischen Fachgesellschaften die Öffentlichkeit über die laufenden und zukünftigen Forschungsaktivitäten aufklären und die Auswirkungen des Klimawandels auf die Hautgesundheit beschreiben will,
  • dass sie die Information der Patienten über die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit ihrer Haut stärker vorantreiben will,
  • und dass sie die Bemühungen ihrer Mitglieder unterstützen und erleichtern wird, um den CO2-Fußabdruck ihrer dermatologischen und medizinischen Organisationen auf kosteneffektive Weise zu verringern.

Fazit: Wissenschaftsbasierte Aufklärungsaktivitäten zum Zusammenhang von Klima und Hautgesundheit sind ein aktuell schnell emporsteigendes Public-Health-Thema. Um die direkten Auswirkungen von Hitzewellen auf die Haut zu minimieren, ist es für Gesunde und Erkrankte wichtig, angemessene Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Dazu gehören das Tragen von leichter, luftdurchlässiger Kleidung, das Auftragen von Sonnenschutzmitteln, das Trinken ausreichender Flüssigkeiten um die Hydratation aufrechtzuerhalten und das Vermeiden übermäßiger Sonneneinstrahlung, insbesondere während der heißesten Tageszeiten. Dass solche Zusammenhänge näher in den fachlichen Fokus rücken, ist spätestens nach diesem Sommer besonders wichtig.

1  Silva GS, Rosenbach M et al.: Climate change and dermatology: An introduction to a special topic, for this special issue. Int J Womens Dermatol. 2021 Jan;7(1):3-7. doi: 10.1016/j.ijwd.2020.08.002. Epub 2020 Aug 19. PMID: 32838016; PMCID: PMC7435281
2  PCC, 2023: Summary for Policymakers. In: Climate Change 2023: Synthesis Report. Contribution of Working Groups I, II and III to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change [Core Writing Team, H. Lee and J. Romero (eds.)]. IPCC, Geneva, Switzerland, pp. 1-34, doi: 10.59327/IPCC/AR6-9789291691647.001
3  Allan RP, Hawkins E et al: Climate Change 2021: The Physical Science Basis. Contribution of Working Group I to the Sixth Assessment Report of the Intergovernmental Panel on Climate Change. Cambridge University Press, 2021.
4  Stiftung Kindergesundheit (Hrsg.:) Kindergesundheitsbericht. Schoierer J, Böse O’Reilly S: Klimawandel und Gesundheit.
5  American Academy of Dermatology. Position statement on climate and health. Verfügbar unter: server.aad.org/forms/policies/uploads/ps/ps%20-%20climate%20and%20health.pdf.