Chronische gastrointestinale Erkrankungen – Steckt eine Essstörung dahinter?

Chronische gastrointestinale Symptome können u.a. auch auf Essstörungen hinweisen. Eine frühzeitige Erkennung und Diagnose sind entscheidend für die Therapie.1,2 Erfahren Sie mehr über die Zusammenhänge und erkennen Sie die Red Flags in Ihrer Praxis.

Wie hängen Bauchschmerzen & gastrointestinale Symptome zusammen?

Gastrointestinale Symptome, wie Übelkeit, Bauchschmerzen und Blähungen, treten häufig bei Patient*innen mit verändertem Essverhalten auf. Dabei spielen die Wechselwirkungen zwischen Darm und Gehirn eine entscheidende Rolle.1,2

Viele dieser Patient*innen erfüllen auch die Kriterien für funktionelle Darmerkrankungen, wobei das Reizdarmsyndrom am häufigsten vorkommt. Darüber hinaus sind funktionelle Dyspepsie und die Refluxkrankheit oft mit bulimischen Essstörungen assoziiert. Bei Personen mit Ess-Brech- und Magersucht kann sich sogar die Magenentleerung verzögern, und in schwerwiegenden Fällen können akute Magendilatation und lebensbedrohliche Komplikationen auftreten.1,2

Umgekehrt besteht auch die Möglichkeit, dass bestimmte Erkrankungen Essstörungen auslösen oder verschlimmern, insbesondere wenn Patient*innen Diäten einhalten müssen. Ein Beispiel ist die Zöliakie, bei der Betroffene laut den Ergebnissen einer Studie ein erhöhtes Risiko für Anorexie haben.1,2

Hinweise auf verschiedene GI-Erkrankungen

Es gibt auch Hinweise auf Zusammenhänge zwischen Essstörungen und bestimmten gastrointestinalen Erkrankungen:1,2

  • Kinder, die in ihrer Kindheit wegen eosinophiler Ösophagitis (EoE) behandelt wurden, leiden im Jugendalter häufiger an Essstörungen. Um Fehldiagnosen als psychische Störungen zu vermeiden, wird eine bildgebende Diagnostik empfohlen.
  • Obwohl chronisch-entzündliche Darmerkrankungen in der Regel keine spezifischen Ernährungseinschränkungen erfordern, können die damit verbundenen Beschwerden Essstörungen auslösen oder verschlimmern. Dies geschieht oft aufgrund von selbst verordneten Diäten, die aus Angst vor den Symptomen begonnen werden.
  • Auch bei anderen GI-Erkrankungen wie funktioneller Dyspepsie, Reizdarm und Obstipation konnte in einer Studie4 beobachtet werden, dass trotz Hunger auf Mahlzeiten verzichtet wurde oder sich danach übergeben wurde.

Achten Sie auf diese Symptome²

  • BMI ≤ 75 % des nach Alter, Größe und Geschlecht zu erwartenden Gewichts
  • Hypoglykämie
  • Elektrolytstörungen
  • EKG-Veränderungen
  • hämodynamische Instabilität
  • Orthostase
  • Akutkomplikationen der Mangelernährung (z. B. Pankreatitis, Synkope)
  • Suizidgedanken

Tipps für die Diagnostik

Um die Diagnose und das Screening auf Essstörungen zu verbessern, kann es hilfreich sein, alle Patient*innen mit anhaltenden Magen-Darm-Beschwerden auf frühere oder aktuelle Essstörungen zu untersuchen.1,2

  • Hierbei kann der SCOFF-Fragebogen* hilfreich sein, ein Screening-Instrument zur Identifizierung von Verdachtsfällen auf Essstörungen.3
  • Zudem sollten die Vitalparameter, Labortests und ein EKG zur ersten Evaluation herangezogen werden.
  • Bei Personen mit Zöliakie sollte untersucht werden, ob sie neben Gluten noch weitere Nahrungsmittel meiden.
  • Bei Reizdarm und eosinophiler Ösophagitis sollte eine alimentäre Störung in Betracht gezogen werden, wenn trotz inaktiver Erkrankung Nahrungsrestriktionen beibehalten werden.

Trotz der Fortschritte bei der Behandlung von Essstörungen leiden viele Patient*innen weiterhin an gastrointestinalen Beschwerden, die ihr Essverhalten verschlimmern und unter Umständen langfristige neurosensorische Konsequenzen haben können.1,2


*SCOFF ist ein Akronym, bei dem jeder Buchstabe für eine der 5 Fragen im Fragebogen steht;

S (Sickness): "Hast du dich jemals so unwohl gefühlt, dass du aufgrund des Essens oder deines Gewichts zum Arzt gegangen bist?"

C (Control): "Glaubst du, dass du die Kontrolle über dein Essverhalten verloren hast?"

O (One stone): "Hast du in einem Zeitraum von 3 Monaten 6 kg (eine Steineinheit) oder mehr verloren, ohne dass es einen klaren Grund dafür gibt?"

F (Fat): "Glaubst du, dass du dick bist, wenn andere sagen, dass du dünn bist?"

F (Food): "Essen ist dir sehr wichtig."

Literatur:
1. Staller K et al. The intersection between eating disorders and gastrointestinal disorders: a narrative review and practical guide. Lancet Gastroenterol Hepatol 2023;8:565-578.
2. Ranft D. Erhöhtes Risiko für Essstörungen. Medical Tribune, 13.08.2023, unter: www.medical-tribune.de (abgerufen am 27.10.23).
3. Richter F et al. Deutschsprachige Kurzskalen zur Erfassung auffälligen Essverhaltens. Psychother Psychosom Med Psychol 2018; 68(03/04): 99-108.
4. Reed-Knight B, Squires M, Chitkara DK, van Tilburg MA. Adolescents with irritable bowel syndrome report increased eatingassociated symptoms, changes in dietary composition, and altered eating behaviors: a pilot comparison study to healthy adolescents. Neurogastroenterol Motil 2016; 28: 1915–20.