Dünndarmfehlbesiedelung diagnostizieren und behandeln

Eine Dünndarmfehlbesiedelung (SIBO) kann symptomatisch funktionellen gastrointestinalen Beschwerden ähneln. Vor allem zum Reizdarmsyndrom ist die Abgrenzung schwierig. So gelingen Nachweis und Therapie.

SIBO: Wenn zu viel wächst im Dünndarm

Der Dünndarm ist in der Regel weniger stark mit Bakterien bewachsen als das Kolon.1 Haben sich hier entgegen diesem Normalzustand deutlich mehr Bakterien angesiedelt und kommt es zusätzlich zu gastrointestinalen Symptomen, spricht man von einer Dünndarmfehlbesiedelung (SIBO: small intestinal bacterial overgrowth). Klinisch besteht große Ähnlichkeit zu funktionellen gastrointestinalen Beschwerden und besonders zum Reizdarmsyndrom (RDS) mit folgenden möglichen Beschwerden:1

  • abdominelle Schmerzen
  • Blähungen
  • Völlegefühl
  • Diarrhö (wässrig)
  • Obstipation
  • Malabsorption

In schweren Fällen kann es zu Steatorrhö, Gewichtsverlust, Anämie, Vitamin- (B12 und D) und Eisenmangel kommen.1

Reizdarmsyndrom oder SIBO?

Bei Patientinnen und Patienten mit der Diagnose RDS scheint die Prävalenz von SIBO laut einer jüngsten Review im Durchschnitt etwa 30 Prozent zu betragen (gepoolte Analyse von 13 Studien, Spanne: ca. 10 bis 70 Prozent).3 Obgleich die heterogenen Daten eine große Varianz aufweisen, gilt es als gesichert, dass eine Untergruppe von RDS Patientinnen und Patienten an SIBO leidet.1 Gleichzeitig dürfte SIBO bei vielen Personen für Reizdarm-ähnliche Symptome verantwortlich sein.

Diagnose in der Regel per Atemtest

Der Goldstandart für die Diagnose einer SIBO ist eine Bakterienkultur aus Jejunalaspirat (Grenzwert ≥10 CFU/ml*). Die Prozedur ist jedoch sehr aufwändig und kompliziert, sodass sich in der Praxis hauptsächlich Atemtests mit 2 Substraten etabliert haben:1,5

  • Lactulose (Spezifität 80 bis 85 Prozent, Sensitivität 52 Prozent)
  • Glukose (Spezifität 80 bis 85 Prozent, Sensitivität 62 Prozent)

Bei beiden Methoden kann es zu falsch-positiven Befunden durch eine schnelle Dünndarmpassage und Fermentation des jeweiligen Substrats durch Bakterien im Kolon kommen.5 Der Glukose-Test kann zudem falsch negativ sein, wenn nur der distale Teil des Dünndarms fehlbesiedelt ist.4 Die aktuelle europäische Leitlinie zu Wasserstoff- und Methan-Atemtests (H -BT, CH -BT) empfiehlt bei nicht-operierten Patientinnen und Patienten aufgrund der geringeren Rate an falsch-positiven Ergebnissen einen Glukose-Atemtest.5 Dieser gilt als etablierte Methode zur Diagnostik einer etablierten Fehlbesiedlung mit einer Sensitivität und Spezifität von 62 bis 93 Prozent bzw. 78 bis 83 Prozent im Vergleich zur Jejunalsaft-Kultivierung.4

Antibiotika sind die medikamentöse Therapie der Wahl

Medikamentös wird SIBO in erster Linie durch Antibiotika behandelt. Die meisten Daten liegen für Rifaximin vor, sodass auch die US-amerikanische SIBO-Leitlinie das Breitbandantibiotikum empfiehlt (550 mg 3 x pro Tag).1 Für weitere Antibiotika wie z. B. Ciprofloxacin, Doxycyclin und Metronidazol existieren ebenfalls kleine Studien. Insgesamt ist die Datenqualität allerdings eher schlecht.1

Literatur:
1.Pimentel M et al.ACG Clinical Guideline:Small Intestinal Bacterial Overgrowth.Am J Gastroenterol. 2020;115(2):165-178.
2.Bures J et al.Small intestinal bacterial overgrowth syndrome.WorldJ Gastroenterol. 2010;16(24):2978-2990.
3.Takakura W, Pimentel M.Small Intestinal Bacterial Overgrowth andIrritable Bowel Syndrome - An Update. Front Psychiatry. 2020;11:664.
4.Keller J et al.Klinisch relevante Atemtests in der gastroenterologischen Diagnostik - Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie undMotilität sowie der Deutschen Gesellschaft für Verdauungs- undStoffwechselerkrankungen.Z Gastroenterol 2005;43(9):1071-90.
5.Rao SSC, Bhagatwala J.Small Intestinal Bacterial Overgrowth:Clinical Features andTherapeutic Management.Clin Transl Gastroenterol. 2019;10(10):e00078.
6.Hammer HF et al.European guideline on indications, performance, andclinical impact of hydrogen andmethane breath tests in adult andpediatric patients:European Association for Gastroenterology, Endoscopy andNutrition, European Society of Neurogastroenterology andMotility, andEuropean Society for Paediatric Gastroenterology Hepatology andNutrition consensus.UnitedEuropean Gastroenterol J. 2022;10(1):15-40.