Histamin-bildende Bakterien als Ursache?
Aktuelle Tierstudien zeigen, dass bestimmte Darmbakterien Histamin produzieren können – und eine mögliche Ursache für die Symptome des Reizdarmsyndroms darstellen können.1 Kann das die Wirkung bestimmter therapeutischer Ernährungsansätze erklären und neue Behandlungsmöglichkeiten eröffnen?
FODMAP-Diät mit multiplen Wirkungen
Bei einigen Patientinnen und Patienten mit Reizdarmsyndrom (RDS) wird eine vermehrte Ausscheidung von Histamin über den Urin beobachtet. Die Rolle des biogenen Amins bei der Pathogenese war lange Zeit unklar. Ein Forschungsteam konnte nachweisen, dass sich unter der FODMAP-Eliminationsdiät (FODMAP = fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide and Polyole) nicht nur die RDS-Symptomatik verbessern kann, sondern parallel auch die Histaminkonzentration im Urin sinkt.1-3
Schlüsselfaktor Mikrobiom?
Gleichzeitig wurde in der Forschung festgestellt, dass Personen unter FODMAP-Diät ein verändertes Darmmikrobiom haben. Ob Histamin-produzierende Darmbakterien für die Symptomatik des RDS verantwortlich sein können, wurde nun im Tiermodell erforscht. Hierzu wurde keimfrei aufgezüchteten Mäusen das fäkale Mikrobiom von Personen mit RDS übertragen. Das Ergebnis: Bei den Mäusen mit implantiertem Mikrobiom von Personen mit hoher Histaminausschüttung wurde nach der Stuhltransplantation eine viszerale Hypersensitivität sowie eine Aktivierung der Mastzellen nachgewiesen. Der Effekt war bei den Mäusen nach einer FODMAP-Diät nicht mehr vorhanden und die Hypersensitivität sowie Mastzellaktivierung reduzierten sich.1-2
In-vitro wurde das Bakterium Klebsiella aerogenes als größter bakterieller Histaminbildner identifiziert. Dieser Vertreter ist in der Vergangenheit bereits in unabhängigen Untersuchungen im Mikrobiom von RDS-Patientinnen und Patienten nachgewiesen worden.1
Blick in die Zukunft: Neue potenzielle Behandlungsansätze
Um mögliche Behandlungsansätze zu ermitteln, untersuchten die Forschenden die Pathogenesemechanismen. Sie konnten nachweisen, dass hohe Histamin-Konzentrationen die Migration der Mastzellen aus dem Knochenmark über den H4-Rezeptor vermittelte. Mastzellen regulieren die Darmmotilität, die viszerale Sensitivität und die Barrierefunktion und sind daher bei der Symptomentstehung von RDS beteiligt. Wurden die Mäuse mit einem H4-Rezeptor-Antagonisten behandelt, verhinderte dies das Einwandern der Mastzellen.1
Auch wenn somit ein potenzieller neuer Wirkmechanismus gegen die Symptome des RDS bei der Subgruppe von Patientinnen und Patienten mit einer hohen Histaminkonzentration im Urin entdeckt worden ist, bedarf es weiterer klinischer Studien.2
Ein anderer möglicher Ansatz, um die Histaminbildung im Darm zu verringern, wäre die Gabe von Probiotika, die den intestinalen pH-Wert senken. Die Fähigkeit von Klebsiella aerogenes, Histamin zu produzieren, ist pH-abhängig: Unter sauren Bedingungen erzeugt der fakultative Anaerobier weniger Histamin.2
Literatur:
1. De Palma G et al. Histamine production by the gut microbiota induces visceral hyperalgesia through histamine 4receptor signaling in mice. Sci Tranl Med 2022;14:655.
2. Ärzteblatt.de. Reizdarmsyndrom: Histamin-produzierende Darmbakterien als möglicher Auslöser; 2022 (zuletzt abgerufen am 27.01.23).
3. McIntosh K et al. FODMAPs alter symptoms and the metabolome of patients with IBS: a randomised controlledtrial. Gut 2019;68:1342-1342.