Das Mastzellaktivierungssyndrom erkennen und vom Reizdarm abgrenzen
Das Mastzellaktivierungssyndrom (MCAS) ist eine Multisystemerkrankung mit einer entzündlich-allergischen Symptomatik, das durch eine Überaktivität von Mastzellen ausgelöst wird. Die Herausforderung besteht darin, das MCAS von anderen Mastzellaktivierungsstörungen wie der systemischen bzw. kutanen Mastozytose abzugrenzen.1,2 Der ICD-10-Code lautet D89.4.
Die Diagnose des MCAS in der Praxis ist anspruchsvoll. Sie erfordert eine umfassende Anamnese und spezifische Tests wie den Serum-Tryptase-Test, Messungen der Histamin- und Prostaglandinwerte sowie das Aufzeichnen der klinischen Manifestationen.
Die Symptome variieren stark und umfassen u. a.:2
- Hautreaktionen
- gastrointestinale Beschwerden
- Herz-Kreislauf-Probleme
- neurologische Symptome
Zusammenhänge zwischen MCAS und RDS
Das MCAS und das Reizdarmsyndrom (RDS) teilen gewisse Symptome, aber ihre Ursachen und pathophysiologischen Mechanismen unterscheiden sich.3,4 Die Diagnose des RDS basiert auf klinischen Kriterien, erläutert in der S3-Leitlinie zu Reizdarm oder den Rome-IV-Kriterien, und dem Ausschluss anderer Erkrankungen.3
In 90 % der Studien an Betroffenen mit RDS zeigt die Histologie eine erhöhte Aktivierung von Mastzellen.4 Mastzellen können ihre Mediatoren sowohl im Gewebe als auch an den Nervenenden ausschütten und die Nervenzellen beeinflussen. Eosinophile Granulozyten sind laut Studienergebnissen seltener beteiligt. Somit ist das Reizmagen- und Reizdarmsyndrom stark mit einer Mastzellvermehrung (Mastzellenhyperplasie) verbunden. Die Ursachen der Mastzellaktivierung können jedoch vielfältig sein und treten nicht immer unmittelbar bei Symptombeginn auf.4
Zielgerichtete Therapieansätze beim MCAS
Die Therapie des MCAS erfordert eine individuelle Herangehensweise. Ziel ist es, die gesteigerte Freisetzung von Mastzellmediatoren zu kontrollieren und die Symptomlast zu reduzieren. In erster Linie sollten individuelle Auslöser, wie bestimmte Lebensmittel, gemieden werden. Die medikamentöse Behandlung basiert insbesondere auf der Hemmung der Mastzellen:5,6
- Cromoglicinsäure: Hemmt die Mastzelldegranulation im Magen-Darm-Trakt.
- Antihistaminika: H1- und H2-Antihistaminika können helfen, die Wirkung der freigesetzten Histamine zu blockieren und somit Symptome zu lindern.
- Ketotifen: Hemmt die Mastzelldegranulation und blockiert den Histamin-H1-Rezeptor im gesamten Organismus.
- Vitamin C (bestenfalls retardiert): Hemmt die Mastzelldegranulation im gesamten Organismus.
Eine enge Zusammenarbeit zwischen der Gastroenterologie, Allergologie und Immunologie ist essenziell, um die optimale Behandlung zu gewährleisten.
MCAS stellt eine diagnostische und therapeutische Herausforderung dar. Eine präzise Diagnose, differenzierte Abgrenzung zum RDS und individuelle Therapieansätze sind der Schlüssel für eine erfolgreiche Versorgung von Patientinnen und Patienten mit dieser komplexen Funktionsstörung.
Literatur:
1. Afrin LB et al. Characterization of Mast Cell Activation Syndrome. Am J Med Sci. 2017;353(3):207–21.
2. Valent P et al. Diagnosis, Classification and Management of Mast Cell Activation Syndromes (MCAS) in the Era of Personalized Medicine. Int J Mol Sci 2020;21,9030.
3. Layer P et al. Update S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom: Definition, Pathophysiologie, Diagnostik und Therapie des Reizdarmsyndroms der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM). Stand 2021.
4. Verein zur Förderung der Allergie- und Endoskopieforschung am Menschen e.V. Reizdarmsyndrom und Mastzellen: Hilft Dinatriumcromoglycinsäure? Unter vaem.eu/wissensdatenbank/reizdarmsyndrom-und-mastzellen/reizdarmsyndrom-und-mastzellen-gibt-es-eine-verbindung-therapieoptionen/ (abgerufen am 24.01.24).
5. Molderings GJ et al. Pharmacological treatment options for mast cell activation disease. Naunyn-Schmiedeberg’s Archives of Pharmacology 2016;389(7):671–694.
6. Molderings GJ et al. Mast cell activation disease: a concise practical guide for diagnostic workup and therapeutic options. Journal of Hematology & Oncology 2011; 4(10).