Dysbiose im Blick: Das Darmmikrobiom erhalten

Gerät das Darmmikrobiom aus der Balance, kann eine sogenannte Dysbiose auftreten. Lesen Sie, welche Folgen eine Dysbiose potenziell nach sich zieht, welche Faktoren sie begünstigen und wie sie verhindert werden kann.

Das menschliche Darmmikrobiom besteht aus etwa 1012 bis 1014 Bakterienzellen, die den Magen-Darm-Trakt besiedeln.1 Es wird inzwischen als unverzichtbares "Organ" angesehen, das unterschiedliche Stoffwechsel- und Immunfunktionen innehat.1 Wie bei anderen Organen auch, hängt die ordnungsgemäße Funktion des Darmmikrobioms von einer stabilen zellulären Zusammensetzung ab.2 Bei gesunden Erwachsenen zählen mehr als 90 % der Darmbakterien zu vier dominierenden Phyla: Firmicutes, Bacteroidetes, Actinobacteria und Proteobacteria.1

Kommt es zu großen Verschiebungen im Verhältnis zwischen diesen Phyla oder der Expansion neuer Bakteriengruppen, kann dies ein Ungleichgewicht bewirken, das negative Auswirkungen auf verschiedene Prozesse haben kann – eine Dysbiose. Hauptmerkmale der Dysbiose sind eine verringerte mikrobielle Vielfalt und die Ausbreitung von Proteobakterien.2

Folgen der Dysbiose: Erkrankungsrisiko steigt

Die wichtigsten Aufgaben des Darmmikrobioms sind der Stoffwechsel von Nahrungsbestandteilen, die Synthese von Vitaminen, die Regulierung von Immunreaktionen, die Aufrechterhaltung der Integrität des Darmepithels und der Schutz vor Darmpathogenen.1 Durch das Vorliegen einer Dysbiose können diese Aufgaben nur eingeschränkt erfüllt werden. So ist eine mikrobielle Dysbiose im Darm mit einer Dysfunktion der Darmbarriere, viszeraler Hypersensibilität, gestörter gastrointestinaler Motilität und einer veränderten Immunantwort assoziiert.1

Daher werden Veränderungen des Darmmikrobioms auch immer mehr mit Erkrankungen in Verbindung gebracht und können die Schwere der Krankheit beeinflussen – so etwa bei:

  • Entzündlichen Darmerkrankungen, wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn2
  • Stoffwechselstörungen3
  • Lebererkrankungen3
  • Neurologischen und affektiven Störungen3
  • Arthritis3
  • Immunologischen Erkrankungen3

Bei vielen der Erkrankungen ist die Kausalität allerdings noch nicht geklärt.

Welche Faktoren begünstigen eine Dysbiose?

Das Darmmikrobiom wird schon früh im Leben aufgebaut.1 Jedoch können zahlreiche exogene und endogene Faktoren im Verlauf des Lebens die mikrobielle Zusammensetzung des Darms beeinflussen. Dabei müssen oftmals mehrere Faktoren zusammenwirken, um eine Dysbiose auszulösen.2 Die wichtigsten Faktoren, die die Zusammensetzung des Darmmikrobioms beeinflussen, sind:2

  • Ernährung: Eine veränderte Nahrungszusammensetzung, aber auch Nahrungsmangel oder -überangebot können das Darmmikrobiom verändern.
  • Darmschleimhaut: Veränderungen der Glykosylierung der Darmschleimhaut können die Zusammensetzung der Mikrobiota beeinflussen. Zum einen wird das Angebot an Kohlenhydraten, die den Bakterien als Kohlenstoffquelle zur Verfügung stehen, zum anderen deren Adhäsion verändert.
  • Immunsystem: Auch in Abwesenheit von Entzündungen ist das Immunsystem aktiv und reguliert beständig das Darmmikrobiom.
  • Oxidativer Stress, Bakteriophagen und Bakteriocine: Sie können die Veränderungen des Mikrobioms bis hin zu einer Dysbiose bewirken.
  • Medikamente: z. B. Metformin oder Antibiotika. Bei einigen Medikamenten ist der negative Einfluss auf das Mikrobiom bereits nachgewiesen und kann unangenehme Folgen haben.

Antibiotika: Lang anhaltende Dysbiose möglich

Der weltweite Antibiotikaverbrauch ist seit dem Jahr 2000 um 66 % gestiegen und nimmt weiterhin stark zu.1 Doch eine Antibiotikatherapie hat neben der erwünschten Eliminierung des Krankheitserregers meist auch unerwünschte Wirkungen: Sie führt zu einem dramatischen Verlust an Diversität und zu starken Veränderungen in der Zusammensetzung des Darmmikrobioms.1 Zudem schafft die verminderte Vielfalt der Bakterien im Darm für Antibiotika-resistente Erreger wie Clostridium difficile ein günstiges Milieu.4 Diese „Antibiotika-Dysbiose“ kann abhängig von der Art des Antibiotikums sogar über Monate bis hin zu mehreren Jahren andauern.4

Dabei scheint die Gabe von Makroliden im Vergleich zu Chinolonen, Sulfonamiden, Beta-Lactamen und Tetrazyklinen die Darmflora stärker und länger zu schädigen.5

„Antibiotika-Dysbiose“ vermeiden?

Generell gilt: Je breiter das Wirkspektrum des gewählten Antibiotikums und je länger die Dauer der Antibiose, desto stärker wird das Mikrobiom in der Regel belastet. Es gibt jedoch einige Maßnahmen, die dabei helfen können, das Darmmikrobiom vor einer „Antibiotika-Dysbiose“ zu schützen:4

  • Wahl des Präparats: Das Wirkspektrum sollte so eng wie möglich, aber so breit wie nötig gewählt werden.
  • Therapiedauer: Die Medikation sollte nicht länger als nötig verordnet werden.
  • Probiotika: Die Gabe von bestimmten Probiotika kann Antibiotika-assoziierte Diarrhö oder Clostridien-assoziierten Durchfall lindern oder zum Teil sogar das Auftreten verhindern.

Literatur:
1.    Mamieva Z et al. Antibiotics, gut microbiota, and irritable bowel syndrome: What are the relations? World J Gastroenterol 2022;28(12):1204-1219.
2.    Weiss GA, Hennet T. Mechanisms and consequences of intestinal dysbiosis. Cell Mol Life Sci 2017;74(16):2959-2977.
3.    Sidhu M et al. The gut microbiome. Aust Fam Physician 2017;46(4):206-211.
4.    Hubert, M. Antibiotika verändern langfristig das Mikrobiom. CME 2018;15,38.
5.    Hüttemann D. Antibiotika und das Darmmikrobiom. Pharmazeutische Zeitung 2022. Abrufbar unter: www.pharmazeutische-zeitung.de/antibiotika-und-das-darmmikrobiom-137039/ (letzter Zugriff: 25.09.2023).