Steißbeinschmerz Alles andere als Einbildung

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Bei unzureichendem Erfolg können Infiltrationen mit Lokalanästhetika oder Steroiden helfen. Auch die extrakorporale Stoßwellentherapie hat sich in Studien wirksam gezeigt. Bei unzureichendem Erfolg können Infiltrationen mit Lokalanästhetika oder Steroiden helfen. Auch die extrakorporale Stoßwellentherapie hat sich in Studien wirksam gezeigt. © Sebastian Kaulitzki – stock.adobe.com

Patienten mit Kokzygodynie haben oft einen langen Leidensweg hinter sich, bis ihre Krankheit korrekt erkannt wird. Manche landen zunächst in der Psychoschublade. Dabei lassen sich die Beschwerden bei den allermeisten Betroffenen bereits konservativ lindern.

Ein charakteristisches Symptom bei Kokzygodynie ist der direkt über dem Steißbein lokalisierte Schmerz im Sitzen. Er macht sich insbesondere bei Lageänderungen bemerkbar, etwa beim Zurückneigen. Wenn die Beschwerden länger anhalten, können sie um das Os coccygis herum ausstrahlen. Manche Patienten haben mitunter Probleme mit der Defäkation, so Prof. Dr. Achim Benditz, Klinikum Fichtelgebirge in Marktredwitz. Verursacht wird die Kokzygodynie durch vertikale Traumata, wiederholte leichte Verletzungen oder Geburten. Entsprechend erkranken Frauen vier- bis fünfmal häufiger als Männer. 

Fehlt das Fett am Steiß, kommen die Schmerzen

Das Ausmaß reicht von einer Prellung bis zur dislozierten Fraktur. Eine (nicht-)traumatische Beeinträchtigung der Steißbeinränder kann eine Instabilität auslösen, was zur übermäßigen Bewegung des Steißbeins im Sitzen oder bei Belastung führt. Als weitere Risikofaktoren gelten Adipositas und ein rascher Gewichtsverlust, Letzterer wegen der dann fehlenden Dämpfung durch das Fettgewebe. Die meisten Betroffenen sind eher schlank als dick. 

Die Anatomie des Schmerzes

Das Steißbein ist, anders als sein Name es nahelegt, kein einzelner Knochen. Vielmehr besteht es aus zwei bis fünf rudimentären Wirbelkörpern, die – je nach Patient – miteinander fusioniert sind oder nicht. Über das Sakrokokzygealgelenk ist das Steiß- mit dem Kreuzbein verbunden. Auch bei dieser Struktur verwundert die Bezeichnung „Gelenk“, denn dort ist in erster Linie eine faserknorpelige Bandscheibe zu erkennen. Die Sakrokokzygeal- und Intrakokzygealgelenke ermöglichen z.B. im Sitzen eine leichte Ventralflexion.

Die Inzidenz der Kokzygodynie liegt bei etwa 1 %, die Dunkelziffer ist hoch. Traumatische Steißbeinschmerzen werden vor allem durch einen Sturz auf das Os coccygis ausgelöst.

Bei der idiopathischen Form beginnt der Schmerz oft schleichend. Er verstärkt sich vor allem beim zurückgelehnten Sitzen. Aufstehen kann die Symptome vorübergehend verstärken. Als weitere verschlimmernde Situationen kommen langes Stehen, Geschlechtsverkehr und Stuhlgang in Betracht. 

Bei der körperlichen Untersuchung fällt die typische, vorgeneigte Sitzhaltung auf. Die Palpation ergibt mitunter eine fokale Druckempfindlichkeit. An der Spitze des Os coccygis lässt sich womöglich eine Instabilität tasten. Zudem können schmerzhafte kaudale Areale von weniger schmerzhaften kranialen Segmenten differenziert werden.

Die konventionellen Röntgenaufnahmen werden in zwei Ebenen seitlich im Liegen oder Stehen angefertigt. Allerdings haben die Patienten in diesen Positionen meist keine Beschwerden, und es fallen nur selten krankhafte Veränderungen auf. Bei typischen Druckschmerzen an der Steißbeinspitze, die sich durch Lageänderungen verstärken, sollten deshalb seitliche Funktionsaufnahmen des Steißbeins im Stehen und Sitzen erfolgen. Zur raschen Einschätzung empfiehlt der Autor eine Klassifikation in vier Typen (s. Kasten).

Die konservative Behandlung erzielt Erfolgsraten von etwa 90 % und sollte deshalb erste Wahl sein. Falls keine sofortige Besserung eintritt, rät Prof. Benditz zur Fortsetzung der Therapie über mindestens ein halbes Jahr.

Benditz-König-Klassifikation

Nach digitaler Funktionsaufnahme lässt sich das Steißbein typisieren:

  • Typ I: langes Segment, das > 15° nach ventral abkippt
  • Typ II: mehrere Segmente (am häufigsten zu finden)
  • Typ III und IV: Subluxation nach dorsal, im negativen Winkel bzw. in Parallelverschiebung

Für die Akutphase eignen sich NSAR und ein druckentlastendes Sitzkissen. Von Beckenbodengymnastik profitieren Patienten, die eher Schmerzen in der ans Steißbein angrenzenden Muskulatur oder perineale Verspannungen aufweisen.

Operative Entfernung des Steißbeins als letzte Option

Bei unzureichendem Erfolg können Infiltrationen mit Lokalanästhetika oder Steroiden helfen. Auch die extrakorporale Stoßwellentherapie hat sich in Studien wirksam gezeigt. Patienten, die auf eine konservative Therapie nur kurzfristig ansprechen, können von einer partiellen oder totalen Kokzygektomie profitieren. Diese hat sich in erfahrenen Händen als sicher und wirksam erwiesen. Die Ergebnisse der beiden Verfahren sind ähnlich. Die Erfolgsraten liegen laut Literatur bei 85–100 %.

Quelle: Benditz A. Schmerzmedizin 2024; 40: 27-31; 
DOI: 10.1007/s00940-024-4661-3